„PR-Branche hat Minderwertigkeitskomplex“
Unterhalb verschneiter Gipfel im Schweizer Skiort Davos – unbemerkt von der deutschen Branche – tagte Anfang März das World Communication Forum. Außer dem klangvollen Namen hat das Event aber nichts mit dem berühmten Gipfel gemein, der jährlich die Wirtschaftselite in die Alpen lockt.
Offiziell reisten fürs fünfte WCF gut 150 PR-Profis aus allen Ecken der Welt an, insbesondere aber kamen Osteuropäer und Russen, die auch die Sponsorenliste dominierten. Die Macher, russische Unternehmer mit Sitz in Berlin und Wien, bemühen sich um Expansion: Mehrere Dutzend Nationen waren vertreten, darunter PR-Profis auch aus der Anglo-Welt, Indien und Fernost. Aus Deutschland waren Digital-Entrepreneur Lars Hilse und Siemens-Vize-Kommunikationschef Marc Langendorf geladen.
Die Themen: divers, mal abstrakt, mal konkret – viel Raum für Details ließ das straffe Programm aber kaum. Der bunte Mix und das wild gewürfelte Teilnehmerfeld, das zu einem großen Teil auch die Redner stellte, erinnerte an den unaufgeräumten Klon eines ICCO-Summits, hatte aber seinen Charme: Das Publikum blieb bis zum Schluss lebhaft und interessiert. Die beinahe kuschelige Atmosphäre und ein unorthodoxes Rollenspiel zur Entwicklung von PR-Märkten förderten Interaktivität, in vielen Zwiegesprächen ließen sich Brücken zwischen den unterschiedlichen Kommunikationsmärkten in (Fern-)Ost und West schlagen.
Fundament des WCF ist ein Kommitee, in dem mehr als zwei Dutzend Länder vertreten sind und das sich zwei Spitzen gewählt hat: Yanina Dubeykovskaya, CEO der Top Communication GmbH, Ausrichter des WCF, sowie Maxim Behar, bulgarischer PR-Grande und Prag-Chef von Hill + Knowlton. Behar gehört offenbar zum kleinen Kreis der Treiber hinter dem WCF. Auf seine Initiative gab sich erneut die PR-Legende Paul Holmes die Ehre und widmete sich der vermeintlich sterbenden Disziplin PR.
Warum reden PR-Leute permanent den Tod ihrer Disziplin herbei? Das habe ich von einem Werber noch nie gehört.
Die PR-Branche leidet unter einem Minderwertigkeitskomplex. Jede Veränderung wird mehr als Bedrohung denn als Chance gesehen. Wenn wir vom Sterben reden, geht es aber doch um das klassische Geschäftsmodell, das die Branche in den vergangenen 30 Jahren dominiert hat. Wer weiter Clippings zählt, wird vielleicht nicht verschwinden, rutscht aber in die Bedeutungslosigkeit.
Warum tun sich PR-Agenturen so schwer damit, umzudenken?
Eine Agentur umzubauen ist, wie einen Bus in ein Flugzeug zu verwandeln – bei 50 Stundenkilometern. Die Herausforderung gilt für alle Disziplinen. Klassische Werber kämpfen mit ihrem Fokus auf den 30-Sekünder, Digitale hängen an ihren Kanälen, obwohl es heute um den Mix aus modernen und traditionellen Medien geht. Theoretisch haben die PR-Leute einen Vorteil, weil sie eben nicht vom Kanal her denken. Leider haben wir zugelassen, dass die Kundenseite PR trotzdem als eindimensional empfindet. Und Kunden davon zu überzeugen, dass PR mehr kann, ist schwer.
Interessieren sich Kunden denn überhaupt noch für die Unterscheidung zwischen PR und Marketing?
Viele Kunden sehen die PR noch immer als Handlanger des Marketings. PR arbeitet entweder direkt der Werbung zu oder sie sorgt mit Geschichten für eine bessere Reputation des Unternehmens beim Publikum – damit es die Marketingkollegen leichter haben. Aber die Trennung schwindet, Corporate Responsibility hat Einfluss auf Reputation und Markenführung gleichermaßen. Die Zielgruppen tauschen sich untereinander aus, vor allem via Social Media. Wer ein neues Produkt auf den Markt wirft, macht Mitarbeiter zu Markenbotschaftern, kümmert sich um Regulierungsfragen und entwirft einen Krisenpan. Clevere Kunden wissen das.
Es geht heute einmal mehr um Storytelling. Inwiefern haben PR-Leute davon ein anderes Verständnis als Marketeers?
Ich glaube, das ist der Kern. Die PR-Branche muss lernen, mehr Instrumente zu nutzen. Es gibt keinen Grund den Werkzeugkasten nicht um bezahlte Kanäle zu erweitern. Und sie muss Emotionen ebenso gut verstehen wie sie kluge Argumente einsetzt. Wir brauchen Geschichten, die Menschen berühren. Andererseits wissen PR-Leute, wie eine authentische und glaubwürige Geschichte aussehen muss.
Was bedeutet das für die Ausbildung künftiger PR-Profis?
Da gibt es keine eindeutige Antwort, außer sich breit in Wirtschafts- und Sozialwissenschaften aufzustellen. Wir brauchen Leute, die Brücke zwischen Business und Medien schlagen und Leute die verstehen, wie und warum das Publikum seine Einstellung und Meinung ändert. Natürlich braucht die PR-Branche mehr Kreative – App-Entwickler und Video-Spezialisten. Und nach wie vor kommt es auf tolle Schreiber an.