Wir sind Mitochondrien
Jonathan Franzen beschrieb in seinem Bestseller "Die Korrekturen" Köche als die Mitochondrien der Menschheit. Sie würden in einer Zelle schwimmen aber ohne eigentlich dazuzugehören. Köche, so philosophiert er weiter, haben nicht politisch zu sein. Der Schriftsteller irrt. In mehrfacher Hinsicht. Nicht Köche, sondern PR-Macher sind heutzutage die Mitochondrien gesellschaftlicher Entwicklungen. Allerdings: Wir paddeln nicht ziellos umher und wir müssen geradezu politisch agieren.
Unternehmen sind Zellen
Basierend auf Herbert Spencers Schriften aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts, wonach die Gesellschaft als Organismus betrachtet werden kann, gab es auch in der PR-Theorie immer wieder Vergleiche mit naturwissenschaftlichen Bezügen zu unserem Wirken.
Nimmt man Spencers Bild auf, dann sind Organisationen, Institutionen, Unternehmen die Zellen der Gesellschaft. Und diese Zellen brauchen Energie. Im menschlichen Körper wird Energie von Mitochondrien, lichtmikroskopisch kleinen Kraftwerken erzeugt die 24/7 schier ungeheuerliches leisten. Sie sind dafür gut gerüstet, haben eigene DNA und können sich selber teilen.
Kommunikationsabteilungen sind Kraftspender
Wenn Organisationen die Zellen sind, sind wir, die Organisationskommunikatoren, Mitochondrien. Denn was anderes sind Kommunikationsabteilungen als Kraftzentren? Ohne uns nicht genug Energie! Kein positiv gerichteter Kommunikationsfluss, keine Kooperation und Verständigung, kein Überwinden von Grenzen oder Widerständen.Die im menschlichen Körper nur 1-5 Mikrometer kleinen Zellkraftwerke lassen sich durch Training vermehren wodurch die Energieversorgung der Zelle verbessert wird. Je mehr wir also machen und schaffen, desto besser und leistungsfähiger können wir werden. Allein in den vergangenen 23 Jahren, in denen ich in dieser Zellfunktion mitwirke, haben wir bewiesen, dass wir das können. Doch die Herausforderungen vor uns sind geradezu epochal.
Wachstum und Wandel brauchen Kommunikation
Organisationen müssen ihre Ressourcen und Strategien der volatilen digital-transparenten-Big-Data-Umwelt anpassen und permanent Wandel und Wachstum vorantreiben. Dazu braucht es mehr denn je begleitende Kommunikation.Auch hierzu liefert der Zellen-Vergleich interessante Hinweise. Mitochondrien können sich in der Zelle bewegen und sogar ihre Form ändern. Man findet sie besonders häufig dort, wo viel Energie in der Zelle gebraucht wird. Im Unternehmen ist es daher auch zukünftig sinnvoll, das Energieschaffende direkt neben die Machtschaffenden zu setzen. Aber darüber hinaus wird in großen Organisationen die Kommunikation noch dezentraler werden müssen, um den Gesamtorganismus mit der nötigen Überlebensenergie zu versorgen. An den Mitochondrien zu sparen, heißt, Zukunftsfähigkeit zu riskieren.
Beispiel ADAC: Kraft der dysfunktionalen PR
Anders als der menschliche Organismus, muss eine Organisation nicht altern. Gewebe und Organe sind endlich, weil die Energiefabriken im Laufe der Zeit zunehmend freie Radikale produzieren. Diese wirken zerstörerisch. Ist eine kritische Schwelle überschritten, stirbt die Zelle ab oder mutiert zu einer Tumorzelle.Wohin es führt, wenn PR-Verantwortliche dysfunktional werden, zeigt das Beispiel ADAC. Die fehlgeleitete, radikale Mitochondrien-Power des PR-Chefs hat der Zelle großen Schaden zufügt. Aus meiner Sicht sollten kraftgenerierende PR-Schaffende Weltverbesserer sein. Insofern müssen sie politisch sein wollen. Sonst sind sie fehl am Platze.
Unverzichtbare Profession neuen Typs
Günter Bentele hat jüngst in einer kurzen Abhandlung der Geschichte unserer Profession konstatiert: PR, verstanden als strategisch fundiertes Kommunikationsmanagement, habe sich zu einer für alle Organisationen und die Gesellschaft unverzichtbaren Profession neuen Typs entwickelt, die heute einflussreich und demokratiekonstituitiv für die Gesellschaft sei. Stimmt. Kürzer formuliert: PR sind die Mitochondrien der Gesellschaft.
Dr. Volker Klenk, 51, ist Vorstand der Klenk & Hoursch AG, Agentur für Corporate & Brand Communications in Frankfurt am Main.