Unter Anpassungsdruck
Medienbeobachtung Die Medienbeobachtung verändert sich zur Fullservice-Dienstleistung. Die klassischen Monitoring-Anbieter müssen sich als Rund-um-die-Uhr-Analytiker aller Mediengattungen profilieren. Das erfordert höheren Aufwand bei Personal und Entwicklung eigener Portalstrukturen. Von Detlev Brechtel
„Was steht da über mich drin?“ Die Auftraggeber von Medienbeobachtungs-Dienstleistern möchten es gern einfach und übersichtlich. Keine überflüssigen Mätzchen, sondern ein fundiert gewichtetes Gesamtergebnis ihrer Medienpräsenz. Das hat in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass die Anbieterszene kräftig aufrüsten musste – nicht nur personell, sondern auch hinsichtlich ihrer technischen Infrastruktur. Schließlich galt es, vor allem den den rasant gewachsenen Bereich des Social-Media-Monitoring sinnhaft und anwenderfreundlich umsetzen und in das Geschäft zu integrieren.
„Es ist aber nicht so, dass durch die Integration von Social Media eine vehementere Nachfrage entstanden ist“, sagt Uwe Mommert, Mitglied des Vorstands bei Landau Media in Berlin. „Es ging vor allem darum, die Dienstleistungen noch zeitnäher zu realisieren. Diesen Effekt hat Social Media mitgebracht.“ Fakt ist: Der Aufwand vergrößert sich stetig. Vom fabrikähnlichen Logistik-Unternehmen, das Papier zerschneidet, zum IT-gestützten Fullservice-Dienstleister, der eine kaum noch überschaubare Fülle an Quellen administrieren muss.
„Die Kunden wollen mehr und bessere Orientierung“, erläutert Ingrid Moorkens, Leiterin Produkte und Entwicklung bei Ausschnitt Medienbeobachtung, Berlin. Hinzu kommt der Faktor Geschwindigkeit: „Heute muss praktisch alles in Echtzeit abgebildet werden.“ Mittlerweile bietet Ausschnitt Pressespiegel an sieben Tagen in der Woche, inklusive TV- und Radio-Auswertung innerhalb einer Stunde nach der Ausstrahlung.
Die Medienbeobachter müssen verstärkt individuelle Kundenwünsche bedienen. „Das klassische Geschäft verzahnt sich immer stärker mit weiterführenden Services“, so Moorkens. Zudem erhöhe sich die Zahl neuer Medienformate ständig, während alte – wie etwa der Videotext – dennoch weiter existieren.
Dass die klassischen Medien zudem „dialogischer“ werden, ist allgemein bekannt. Beim Monitoring von Social Media dürfen jedoch nicht Maßstäbe aus dem Monitoring klassischer Medien ungeprüft übertragen werden. So stellt sich zum Beispiel bei der Reichweite die Frage, was diese in Bezug auf Social Media überhaupt bedeutet. „Früher wurde Social Media separat von der klassischen Medienevaluation abgefragt“, so Moorkens. „Heute geschieht das zusammen. Immer mit dem Fokus auf der Frage, wie die Dynamiken untereinander sind.“
Beschleunigen und verdichten
Werden die Medienbeobachter dadurch gezwungenermaßen zum Berater, der immer konkretere Handlungsempfehlungen für seine Klientel generieren muss? Dem will Uwe Mommert so nicht anschließen: „Zu viele Verknüpfungen von Dienstleistungen bergen immer die Gefahr, dass man eine davon nicht richtig macht. Wir versuchen diese Art von Kommunikationsberatung stets zu trennen.“
Immerhin hat sich der Hype um Social Media einigermaßen geerdet. Die reinen Anbieter von Auswertungstools gerieten jedoch „zunehmend unter Druck“, beobachtet Rainer Maassen, Geschäftsführer bei Convento, Neuss. Kunden, die sich nur auf die Spezialsoftware verließen, seien zunehmend überfordert gewesen und vertrauten wieder stärker auf die bekannten Medienbeobachter – die überdies in diesem Feld längst mit eigener Entwicklungskompetenz punkteten. „Viele Unternehmen fremdeln immer noch mit Social Media“, sagt Landau Media-Manager Mommert. „Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir Medienbobachter stärker digital arbeiten. Unser Hauptasset muss sein, die Kunden schneller und an jedem Ort abrufbar in umfassende Kenntnis zu setzen. Es geht künftig um stärkere und bessere Verdichtung der anschwellenden Quellenfülle, nicht um den Rekord bei der Zahl der Meldungen.“
Als ein gravierendes Problem bei vielen Un-ternehmen galt bislang die fehlende Anwendungstiefe im Bereich Social Media. Das Ergebnis: mangelnde interne Bedeutung, ein unklarer Return on Investment und die Angst, etablierte Prozesse enthierarchisieren und umstellen zu müssen. Außerdem besitzen immer noch viele Unternehmen keine oder nur eine geringe Grundkompetenz darin, externen Stimmen zuzuhören. Eine Einbettung der Social-Media-Strategie in die Unternehmensstrategie ist nach heutiger Auffassung für Erfolg zwar unabdingbar. Dazu gehört aber zunächst, strategische Grundfragen über Ziele, Ressourcen und die Arbeitsteilung zwischen Dienstleister und Unternehmensseite zu klären.
Erstaunlich ist: Die Mehrheit der Kommunikationsfachleute in Unternehmen und Agenturen, nämlich 80 Prozent, nutzen zwar ein oder mehrere Social-Media-Monitoring-Tools. 20 Prozent verzichten dagegen komplett auf die Überwachung des Social Web. Das ergab eine Ende November 2013 durchgeführte Umfrage von Talkwalker, Anbieter eines gleichnamigen Analysetools. „Angesichts der anhaltenden Verlagerung von Marketing-Budgets in die Online- und Social-Media-Kommunikation ist es schon erstaunlich, dass ein Fünftel der Umfrageteilnehmer gleichsam im Blindflug unterwegs ist“, wundert sich Talkwalker-Gründer Christophe Folschette.
Dabei sei Social-Media-Monitoring aus seiner Sicht immer noch ein absolutes Schlüsselthema, etwa wenn es um das Reputationsmanagement oder die Auswertung des Erfolgs von Social-Media-Kommunikation gehe. 40 Prozent derjenigen, die Social-Media-Monitoring-Tools verwenden, haben zudem Zweifel, dass ein Tool umfassend genug überwache. 27 Prozent nutzen daher mehr als ein Tool, um ihren Bedarf zu decken. Gefragt nach den Gründen für den Einsatz solcher Tools gaben 69 Prozent an, damit Präsentationen vorbereiten zu wollen, 67,4 Prozent wollen wichtige Meinungsführer im Social Web ausfindig machen. 65,1 Prozent der Befragten ist es wichtig, den Erfolg von Kommunikationskampagnen zu dokumentieren; 62,8 Prozent hoffen darauf, kritische Themen rechtzeitig zu erkennen. Die meisten Anwender nutzen ihre Werkzeuge regelmäßig: 36 Prozent täglich, weitere 40,5 Prozent mehrmals pro Woche. 3,5 Prozent greifen dagegen nur einmal im Monat oder seltener darauf zurück.
Eine große Herausforderung für Monitoring-Anbieter ist überdies die Bedienbarkeit. So sind die Umfrageteilnehmer in großer Übereinstimmung der Ansicht, viele Tools seien zu kompliziert zu bedienen: 55 Prozent gaben an, man müsse ein Experte sein, um die Vorteile von Social-Media-Monitoring auszuschöpfen. Auch die Ergebnisberichte, die als Entscheidungsgrundlage für die Steuerung von Social-Media-Kampagnen dienen, halten 34 Prozent für nicht nachvollziehbar.
Das Monopol der PMG wackelt
Viel spannender als die Fragen rund um Social Media empfindet Covento-Chef Maassen die Zukunft von Print im Kontext der Medienbeobachtung. „Da Verlage stärker auf PDFs setzen, ist es viel einfacher geworden, schnell an Printinhalte zu kommen. In Zukunft werden die Medienbeobachter direkt mit den Verlagen sprechen. Damit könnte die PMG ihr Monopol verlieren.“ Die Presse Monitor GmbH mit Sitz in Berlin wurde im Jahr 2000 von führenden deutschen Zeitungsverlagen gegründet, um die umfangreichste tagesaktuelle Pressedatenbank bereitzustellen. Die PMG verwaltet also quasi die Lizenzrechte für die Vielzahl der deutschen Printverlage.
Wenn nun die einstigen Hauptabnehmer der PMG-Clippings und -Pressespiegel diese umgehen und etwaige Versorgungslücken aus dem Angebot anderer Datenbankanbieter wie etwa Genios schließen, „dann wäre der Damm gebrochen“, vermutet Maassen. Landau-Media-Mann Mommert hält dem entgegen: „Bei Genios finden sich für ein umfassendes Medienmonitoring noch zu wenig Printmedien.“ Niemand außer der PMG besitze zudem das Pressespiegel-Recht. Allerdings sei das Verhältnis zur wichtigen Instanz PMG „kein monolithischer Block“, wie Ausschnitt-Managerin Moorkens betont. Es werde für Kunden jedoch erst aber einer gewissen Abnahme-Menge interessant, direkt mit den Verlagen Verträge zu schließen. „Es hängt an den Verlagen, wie sie letztlich die Lizenzierung ihres eigenen Content bereit stellen.“
Mit einem interaktiven Portal will Ausschnitt nun im März neue Standards für die Kunden setzen. Eine intuitive Benutzeroberfläche mit eigenen Gestaltungsmöglichkeiten soll den Auftraggebern helfen, sich ihre Pressespiegel individuell zusammen zu stellen. Echtzeit-Monitoring und Sentiment-Analyse runden das Angebot ab, das mit einer starken Nutzer-Administration hohe Aussteuerbarkeit bieten will. „Bei unseren Analysen unterscheiden wir zunehmend in Earned Media, Owned Media und Paid Media“, erläutert Ingrid Moorkens – und spielt damit auf die Unterschiede an zwischen Inhalten, die entweder von Konsumenten ohne einen direkten Auftrag des Unternehmens (also „earned“) erstellt und verbreitet werden, oder aus Corporate-Publishing-Medien stammen, die ein Unternehmen selbst betreut („owned“) oder wiederum durch bezahlte Werbung („paid“) in die Medien gelangt sind.
Kommunikationsabteilungen sollen mit dem neuen Ausschnitt-Portal ein nachvollziehbar strukturiertes und schön einfach gestaltetes Tool an der Hand haben, um ihren Chefetagen schnell zu zeigen: „Das war gestern über uns los.“
Studie: PR-Erfolgsmessung gewinnt an Bedeutung
Erfolgsmessung wird immer wichtiger für die PR-Arbeit, und verbesserte Methoden finden zunehmend Einsatz für die Optimierung von PR-Kampagnen. Trotz der steigenden Bedeutung von Messmethoden verlangt die Kundenseite allerdings häufig eher eine Angabe der Werbeäquivalenzwerte der PR-Ergebnisse. Dies zeigt die EMEA-weite Studie über Erfolgsmessung von PR-Arbeit von Worldcom.
Qualitative Methoden dominieren noch: 95 Prozent der Befragten evaluieren qualitative Aspekte ihrer Arbeit, während 73 Prozent quantitative Methoden nutzen. So erfassen 95 Prozent der Befragten die Tonalität der Berichterstattung und mehr als zwei Drittel (68 Prozent) untersuchen die Beziehung zwischen Ergebnissen ihrer PR-Arbeit und Geschäftszielen.
Hinzu kommt, dass 27 Prozent der Worldcom-Partner zusätzlich zu ihren Pauschalen erfolgsbezogene Prämien für hohe Reichweiten und Wirkungen bekommen, die im Zusammenhang mit bestimmten Kampagnen stehen.
Trotz der steigenden Bedeutung von Messmethoden, die sich am Geschäftserfolg orientieren, wünschen 61% der Kunden weiterhin eine Angabe der Werbeäquivalenzwerte der PR-Ergebnisse. Worldcom-Chairman Patrik Schober betont hierzu, dass es an der Zeit sei, „treffendere Ergebnisse wie Umsatzsteigerungen oder die Verbreitung von Information in den Mittelpunkt zu stellen“.
Auch die Commission on Public Relations Measurement and Evaluation des Institute for Public Relations Gainesville, Florida spricht sich laut der Worldcom-Umfrage gegen das Konzept der Werbeäquivalenz als Kennzahl für das Kommunikations-Controlling aus. Die Measurement Commission argumentiere, dass gekaufter Werbeplatz dem Werbetreibenden vollständige Kontrolle über Inhalt, Platzierung und Häufigkeit seiner Botschaften biete sowie fast immer positiv sei. Im Gegensatz zur Werbung sei „earned media“ aber nur halb-steuerbar, Journalisten würden sich für oder gegen PR-induzierte Meldungen entscheiden, und diese in ihrer Tonalität positiv, neutral oder negativ färben. Zudem könnten durch den Werbeäquvivalenzwert weder Wirkungen noch Effektivität von PR-Maßnahmen bestimmt werden, kritisiere die Measurement Commission.