"Die Grenzen liegen bei der Angemessenheit"
Das PR-Instrument Pressereisen hat in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit und bei den Medien einen Imagewechsel erfahren. Wie gehen große Konzerne heute mit dem Thema Pressereisen um? Robin Zimmermann erläutert ThyssenKrupps Richtlinien.
Wikipedia definiert Pressereisen als Journalistenrabatt, "eine spezielle Vergünstigung für Journalisten". Dabei würden Unternehmen seit jeher Vergünstigung in engem Zusammenhang mit der journalistischen Tätigkeit auch über kostenlose Pressereisen anbieten. Welche Definition hat ThyssenKrupp für Pressereisen?
Robin Zimmermann: Pressereisen im Sinne unserer eigenen Richtlinie sind "Reisen jeder Art im In- und Ausland, die von ThyssenKrupp unter Beteiligung von ThyssenKrupp Vorstandsmitgliedern oder anderen Mitarbeitern gemeinsam mit Journalisten oder anderen Medienvertretern als Teilnehmer organisiert und veranstaltet werden. Sie dienen entweder dem Ziel einer konkreten Berichterstattung oder der Vermittlung von Hintergrundinformationen."
Generell gefragt: Wo liegen Nutzen und Grenzen einer Pressereise?
Pressereisen sind bei ThyssenKrupp - wie bei vielen anderen Unternehmen auch - ein Element der Medienarbeit. Sie dienen in unserem Fall dazu, die technologische Vielseitigkeit und die breite geographische Präsenz des Konzerns transparent zu machen und vor Ort einen intensiven Austausch zwischen Management und Medienvertretern zu ermöglichen. Die Grenzen liegen bei der Angemessenheit. Flüge in der 1. Klasse und ein überdimensioniertes touristisches Rahmenprogramm beispielsweise sind unangemessen.
Welche Rolle spielt das PR-Instrument Pressereisen im Unternehmenskommunikation-Mix eines Konzerns wie ThyssenKrupp konkret?
Für uns als global agierendes B2B-Unternehmen ist es eines von mehreren Instrumenten im Kommunikationsmix. Industrie auf dem Papier zu erklären ist das eine. Vor Ort in den Fabriken, Forschungszentren und Großanlagen lässt sich unsere Ingenieurkunst deutlich leichter und besser veranschaulichen. Der Mehrzahl unserer Mitarbeiter arbeitet im Ausland, wo wir rund 70 Prozent unseres Umsatzes erwirtschaften. ThyssenKrupp als Synonym für Stahl stimmt nicht mehr. Auf unsere Industriegüter, sprich Aufzug-, Anlagenbau- und Automobilzuliefer-Geschäft, entfallen 70 Prozent des Umsatzes. Wir sind also ein diversifizierter Industriekonzern. Das müssen wir mit unserer Kommunikation verdeutlichen.
Wie sehen die wichtigsten ThyssenKrupp-Richtlinien für Pressereisen aus und welche Rolle spielen Ihre Compliance Kollegen dabei?
Unsere Richtlinie umfasst insgesamt 10 Punkte. Unter anderem müssen Pressereisen vorab durch einen Compliance Officer geprüft und durch eine Compliance Stellungnahme bewertet werden. Der dienstliche Zweck der Reise muss eindeutig im Vordergrund stehen. Im Falle einer Kostenübernahme durch ThyssenKrupp muss vor Beginn der Reise die Zustimmung des Verlages bzw. Vorgesetzten des Journalisten auf Basis des Reiseprogramms und der möglicherweise durch uns übernommenen Kosten eingeholt werden.
Ziffer 15, Richtlinie 15.1 des Pressekodex besagt unter anderem: "Wenn Journalisten über Pressereisen berichten, zu denen sie eingeladen wurden, machen sie diese Finanzierung kenntlich." Wie wird diese "Kennzeichnungspflicht" inzwischen Ihrer Meinung nach von Medien eingesetzt und was hat es imagemäßig dem PR-Instrument Pressereise gebracht?
Meine ganz persönliche Wahrnehmung ist: Nach der Einführung von Ethikregeln bei einigen Verlagen gab es sehr viele gekennzeichnete Artikeln. Das galt vor allem im Reise- und Autoteil der Tageszeitungen. Inzwischen finde ich das immer seltener. Außerdem muss die Frage erlaubt sein, welchen Wert eine Kennzeichnung hat, wenn die Verlage Artikel freier Autoren bewusst von der Selbstverpflichtung ausnehmen. Wir sind der Meinung, es sollte einheitliche und transparente Regeln für alle Beteiligten geben; für Unternehmen, Medien und Standesorganisationen. Solange es die nicht gibt, bleibt das Thema in einer Grauzone, die immer wieder zu Diskussionen führen kann.
Mindern konkrete Pressereisen-Redaktionshinweise wie zum Beispiel "besprochene Produkte wurden der Redaktion von den Unternehmen zu Testzwecken zur Verfügung gestellt oder auf Reisen, zu denen Journalisten eingeladen, präsentiert" nicht auch den Wert der Berichterstattung für Leser?
Meine subjektive Meinung ist: Es hilft mir als Leser bei der Einschätzung des Artikels. Wenn die Fakten für mich nachvollziehbar oder im Falle von Tests etwa Kriterien und Methodik transparent sind, mindert es die journalistische Leistung nicht. Wenn die Kriterien nicht klar sind, die Kennzeichnung aber ein Sponsoring ergibt - kann ich das als Leser besser einschätzen.
Nicht nur Unternehmen müssen bei Pressereisen Compliance-Regeln definieren und befolgen, sondern auch Redaktionen, meint Prof. Dr. Jürgen Marten, stellvertretender Vorsitzender von Transparency International Deutschland. Haben Sie mehr Absagen von Medien für Pressereisen in den letzten beiden Jahren erhalten als früher?
Grundsätzlich spüren wie ein hohes Interesse von den Journalisten, den Konzern noch besser verstehen zu wollen. Wachstum findet zurzeit tendenziell nun mal nicht in Deutschland und Europa statt, sondern in unserem Fall in China, Brasilien und anderen aufstrebenden Märkten. Wir wollen zeigen, wie sich ThyssenKrupp dort aufstellt.
In Zeiten des Massenmediums Internet und immer niedriger Budgets für Redakteure werden persönliche Kontakte zu Journalisten immer wertvoller. Ist dies bei einer Pressereise nicht schon ein gleichbedeutendes Ziel neben der Informationsvermittlung?
In der Tat und deshalb haben wir es in unserer Richtlinie ja auch als ein Ziel von Pressereisen definiert. Der Produktionsdruck im Tagesgeschäft wird für viele Journalisten immer brutaler: Twittern, Video-Interview, Online-Artikel, Kommentar und Bericht - und alles von einem Autor. Wo bleibt da noch Zeit für einen intensiven Dialog. Im Rahmen von Pressekonferenzen jedenfalls kaum noch. Deshalb muss man andere Formen der Begegnung zwischen Medium und Unternehmen schaffen.
Welche Rolle spielen Online-Journalisten und Blogger neben den klassischen Medien im Bereich Pressereisen bei ThyssenKrupp? Gehen diese anders an das Thema heran als ihre Print-, TV- und Radiokollegen?
Wir sind gerade erst dabei, diese Zielgruppe für uns zu entdecken. Da haben wir noch reichlich Luft nach oben. Künftig werden wir online stärker in den Fokus unserer Arbeit rücken. Aber ja, gerade Blogger haben oft einen sehr erfrischenden Ansatz, die Dinge zu beschreiben.
Wo sehen Sie das Instrument Pressereisen in 10 Jahren im PR-Mix?
Wir glauben an die Zukunft von Qualitätsjournalismus, der in die Tiefe geht und ausgewogenen und ausführlich berichtet. Pressereisen werden deshalb auch weiter einen festen Platz im Kommunikationsmix haben. Und weil sich alle Beteiligten auf einheitliche, transparente Regeln geeinigt haben, gibt es auch keine Grauzone mehr.
Robin Zimmermann leitet die Media Relations bei der ThyssenKrupp AG
Interview: Oliver Hein-Behrens