Marken müssen die Unterhaltungs- und Informationsbedürfnisse des Konsumenten befriedigen, bevor diese virulent sind. Entscheidend hierfür ist eine neue Sendelogik, die Brand Content und User-Bedürfnisse perfekt verbindet, sagen Lars Lehne und Conrad Fritzsch.
Schön war es, als sich das Marketing in seinen Elfenbeinturm einschließen konnte und der einzige Kontakt zu den Käufern der Marktforschung vorbehalten war. Heute kommt der Konsument dem faustschen Geist nah, den das Marketing rief und nun nicht mehr los wird. Permanent und ungefragt äußern sich Konsumenten und tauschen sich aus. "Unterhalte mich! Befriedige meine Bedürfnisse!", lautet die implizite Aufforderung des Konsumenten an die Marke, die ein ständiger Begleiter und Freund sein soll, jemand auf den man sich verlassen kann.
Unendlich viele AngeboteDer permanente Austausch zwischen Unternehmen und Usern ist keine kurzfristige Erscheinung, sondern ist gekommen, um zu bleiben. Er befriedigt Grundbedürfnisse wie Neugierde, Voyeurismus, Selbstdarstellung und Schadenfreude. Auch verändert das Internet die Landschaft des Entstehens, Sendens und Konsumierens von Content signifikant - weg von einigen wenigen linearen Sendern hin zu unendlich vielen, jederzeit verfügbaren Angeboten. Früher waren es einige wenige Medienmacher und Meinungsführer, die quasi exklusiv kommuniziert und Content vertrieben haben. Heute hingegen leben wir in einer Gesellschaft, in der faktisch jeder zum Editor wird.
Das Angebot an verfügbarem Content steigt damit unablässig: Informationen und Content sind heute in Sekundenschnelle online und damit global verfügbar. Nicht mehr die Produktkosten sind der limitierende Faktor, sondern die Aufmerksamkeit des Publikums, die auf natürliche Weise begrenzt ist. Im Internet wird das Anklicken und Anschauen von werblichen Inhalten zudem zu einer bewussten Entscheidung. Es braucht deshalb attraktiven Content, der dem User im richtigen Moment zur Verfügung gestellt wird, um dann millionenfach verbreitet, geteilt und kommentiert zu werden.
Finden, ohne zu suchenAngesichts der Vielzahl an Content-Angeboten und Channels im Netz stehen Marketer vor einer besonderen Herausforderung: Es fehlt - anders als im Fernsehen - eine Programmübersicht. Schlimmer noch: Viele Konsumenten wissen noch nicht einmal, was sie eigentlich suchen. Marketer müssen also Fragen beantworten, bevor sie gestellt werden und Unterhaltungs- und Interaktionsbedürfnisse befriedigen, bevor sich der User diesen bewusst ist. Die Zukunft des Publishings besteht aus Content, der den User findet - und nicht umgekehrt. Das perfekte Entertainment-Package muss so geschnürt sein, das es dem User automatisch in jeder Situation das perfekte Angebot macht.
Nicht anders funktioniert Beziehungspflege unter Freunden. Zu fragen was der Andere als große Überraschung zum Geburtstag will, war noch nie eine gute Idee. Aber das Falsche zu schenken, ist eine noch schlechtere. Was machen wir also? Wir denken mit. Wir "taggen" das Verhalten, die Wünsche, die Sehnsüchte, machen uns Notizen, setzen also in gewisser Weise permanent Cookies. Finden unsere Freunde und Partner das schlecht? Nein, im Gegenteil. Sie finden es sogar wunderbar. Wir machen uns so zu den liebevollsten und einfühlsamsten Menschen.
Und im Netz? Nun, da sind die finanziellen Interessen stets im Vordergrund (heißt es), und deshalb gilt ein entsprechendes Verhalten als bösartig. Das Vertrauen fehlt, es menschelt nicht. Sich dieses Vertrauen zu verdienen, ist für Onlinemacher und Unternehmen eine große und kontinuierliche Aufgabe. Deshalb haben soziale Netzwerke, die uns vertraute Gesichter aus dem realen Leben in die digitale Welt geholt haben, so viel Erfolg und sind so wichtig. Es geht um Vertrauen und Relevanz.
Den Alltag entlastenContent is king, packaging is god. Mit anderen Worten: Was in Zukunft zählt und über den Erfolg von Content entscheidet, ist eine intelligente Sendelogik, also Content, der den Konsumenten automatisch im richtigen Moment "pusht". Nicht allein der Inhalt entscheidet über die Qualität des Content, sondern dessen passgenaue Integration in den Tagesverlauf des Nutzers und dessen Medienverwendung. Das Motto vieler Konsumenten lautet: "Ich will mich nicht damit beschäftigen müssen, was ich will, sondern einfach immer das bekommen, was mich hier und jetzt gut unterhält." Im Idealfall kann diese neue Sendelogik dem User helfen, den Alltag zu entschleunigen. Zumindest hat der User nicht mehr permanent das Gefühl, etwas zu verpassen. Denn er bekommt zu jeder Zeit genau das, was ihm gerade gefällt oder wichtig ist.
Damit Content Marketing gelingen kann, müssen Unternehmen lernen, zu antizipieren, was die Menschen wirklich wollen. Sie müssen sich hierfür das Vertrauen der Menschen erarbeiten, mit Gesichtern, die Vertrauen schaffen und mit einer vorselektierten Auswahl an wirklich relevanten Inhalten. So bekommen die User wertvolle Inhalte, die sie ansonsten niemals gefunden hätten, und das Unternehmen aufmerksame und begeisterte Kunden.
Lars Lehne leitet als Country Director das Agenturgeschäft von Google Germany, Conrad Fritzsch ist Gründer und CEO des Online-Musiksenders tape.tv
Weitere Infos zu zur neuen Sendelogik des Content Marketing liefern Lars Lehne und Conrad Fritzsch in ihrem Beitrag zum
Handbuch Brand Content, herausgegeben von Andreas Baetzgen und Jörg Tropp.