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News / Lärmende Stille
28.01.2014   News
Lärmende Stille
 
Die Energiepolitik der neu formierten Regierung setzt den wirtschaftsfreundlichen Kurs ihrer Vorgängerin fort. Neben der massiven Einflussnahme durch Lobbyisten kritisieren Experten vor allem die mangelnde Kommunikation rund um die Energiewende. Von Bijan Peymani

Die lakonische Replik aus dem SPD-geführten Bundesministerium für Wirtschaft und Energie ist symptomatisch: Sie „bedauere sehr, (…) dass es mit der Beantwortung Ihrer Fragen leider nicht klappt“, ließ Sprecherin Chantal Klarner knapp wissen. Hintergrund war eine Recherche des PR Report zu Stand und Perspektiven der Energiewende, zum Umgang mit Lobbyismus und zur Schwerpunktsetzung der neuen Regierung in der energiepolitischen Kommunikation. Die Große Koalition offenbart bei grundlegenden Themen vor allem eines: Sprachlosigkeit.

Schon wittert die Opposition Verrat an Bürgern und Umwelt: „Union und SPD haben sich auf ein schmutziges Geschäft zulasten der Energiewende eingelassen“, schimpft Oliver Krischer, stellvertretender Fraktionschef von Bündnis 90/Die Grünen. Mit ihrer nach seiner Auffassung „rückwärtsgewandten Energiepolitik“ habe sich die Große Koalition offenbar „den mächtigen Konzernen und deren Lobbyisten gebeugt“. Es gibt durchaus Indizen, die eine Einflussnahme der Zunft erkennen lassen. Der Neuzuschnitt des Wirtschaftsressorts ebnet den Weg erst recht.

Bereits im Oktober 2008 war Staatsministerin Hildegard Müller aus dem Kanzleramt an die Spitze des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Berlin gewechselt. Wer es böse mit ihr meint, erzählt hinter vorgehaltener Hand, Angela Merkel habe ihre enge Vertraute dort bewusst platziert. Fakt ist, dass Müller in der Hauptstadt als Cheflobbyistin der Energiekonzerne wirkt. Wenn sie jetzt das „klare Bekenntnis zu fossilen Kraftwerken im Koalitionsvertrag“ lobt, bleibt ein Beigeschmack. Gemeint ist vor allem die Braunkohle.

Dass auch diese Regierung an dem so billigen wie umweltschädlichen Brennstoff festhalte, dafür habe er höchstpersönlich gesorgt, brüstet sich Ulrich Freese, Gewerkschaftsvertreter im Vattenfall-Aufsichtsrat mit SPD-Parteibuch und laut „Spiegel“ der „bissigste Lobbyist für die Braunkohle“. Dies tat er ganz im Sinne von Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke; Braunkohle ist die Lebensader der Lausitz und mit einem dortigen Fördervolumen von 62,4 Millionen Tonnen in 2012 unverzichtbar für Vattenfall. Es geht um angeblich gut 33.000 Jobs.


Das Mutterland der Kohle
Auch in Nordrhein-Westfalen ist Kohle ein Lebenselixier – und dort residieren mit E.on und RWE zwei der vier großen Versorger. Was Wunder, dass sich Ministerpräsidentin Hannelore Kraft für einen Erhalt einsetzt. Mit Blick auf die Energiewende umso bemerkenswerter, dass ausgerechnet Kraft in den Koalitionsverhandlungen mit der Union die SPD-Arbeitsgruppe Energie leitete. Ihr Credo: Die Energiewende dürfe keine Arbeitsplätze kosten. Denn das, weiß jeder Politiker, wäre schlecht für die nächste Wahl. Da muss der Klimaschutz weichen.

Es überrascht nicht, dass die in Berlin ansässige staatliche Energie-Agentur dena in all dem nichts Ehrenrühriges sehen kann: „Politik ist stets eine Abwägung verschiedener Interessen“, erklärt Stephan Kohler, Vorsitzender der dena-Geschäftsführung, „wichtig ist, dass es dabei transparent zugeht.“ Da hat er Recht. Die Beteiligten geben sich wenig Mühe, ihre Interessen und Abhängigkeiten zu verschleiern. Auch den neuen Zuschnitt des Wirtschaftsministeriums findet Kohler in Ordnung: Er ziele auf die „effiziente Umsetzung der Energiewende“.

Genau diese nicht auszubremsen, das aber mahnt Energieökonomin Claudia Kemfert bei den Großkoalitionären an (siehe unten). Tatsächlich fallen die jüngst formulierten Ziele, etwa für den Ausbau der Erneuerbaren, noch hinter das zurück, was sich die schwarz-gelbe Koalition 2010 (und damit vor Fukushima) vorgenommen hatte. Doch nicht einmal der kärgliche Rest zukunftsgewandter Energiepolitik wird überzeugend erklärt und verständlich kommuniziert. Die diesbezügliche PR-Leistung der Regierung ist ein Desaster.

Gegen islamistische Radikalisierung oder Kindesmissbrauch, für Inklusion, mehr Fachkräfte und Organspenden – viele Themen haben Merkels Getreue mit aufwändigen Kampagnen begleitet. Von einer solchen zum Thema Energiewende ist bisher nichts bekannt. Selbst er als Kommunikationsprofi habe „bis heute nur sehr unterschwellig wahrgenommen“, dass die Politik ernsthaft versuche, den Bürgern ihr energiepolitisches Handeln und die damit verbundenen Ziele plausibel zu machen, sagt Noch-Meta-Chef Michael Maillinger.

Er bezweifle, dass es einen der Wichtigkeit und Schwierigkeit des Themas angemessenen Etatansatz dafür gibt, so Maillinger, der im März vom Berliner Monitoring-Dienstleister zu Kantar Media nach Hamburg wechselt. Ungeachtet dessen könne aber auch gute Kommunikation „nur begrenzt Fehler im System korrigieren“. Der Widerstand gegen dieses System zentraler Verantwortung bei Politik und Konzernen wächst, etwa mittels der Kampagne „Die Wende – Energie in Bürgerhand“, initiiert vom BUND und mehreren Stiftungen.

Ihr Ziel: den Umbau von unten bewirken – dezentral, demokratisch, bürgernah. Doch nach zwischenzeitlicher Medienpräsenz im Vorfeld der Bundestagswahl ist es sehr ruhig geworden, um das Grüppchen aufrichtiger Demokraten. Auch, weil sie keine echte Alternative aufbieten können, wie die stetig steigenden Stromkosten für Privatkunden zu stoppen wären. Für Maillinger liegt hierin die Crux für die Politik: „Mit seiner Abschlagszahlung bekommt der Verbraucher Monat für Monat ein Argument gegen die Energiewende auf den Tisch.“


„Die Energiewende hat ein Image-Problem“
Über die Energiewende sind viele Mythen im Umlauf, beklagt Prof. Dr. Claudia Kemfert. Ihrer Ansicht nach sollten deren Chancen stärker betont werden.

Die alte Bundesregierung hat bei Thema Energiewende manches bewegt, aber auch eklatante Fehler gemacht. Wo muss aus Ihrer Sicht konzeptionell korrigiert werden?
Die erneuerbaren Energien müssen stärker im Fokus stehen und mehr Systemverantwortung übernehmen. Parallel dazu gilt es, den übrigen Kraftwerkspark so umzubauen, dass er flexibel genug ist, um mit den volatilen erneuerbaren Energien kombiniert werden zu können. Für die gewollte Umsteuerung von Kohle auf Gas sind deutlich höhere Preise für CO2-Zertifikate unabdingbar. Ein kluges Management der Energiewende muss all dies leisten.

Wie bewerten Sie in diesem Kontext den Neuzuschnitt des Wirtschaftsministeriums – ist dies der Sache dienlich oder sind damit nicht neue Probleme programmiert?

Es besteht die Gefahr, dass ein Wirtschaftsministerium, welches nun allein für die Energiewende zuständig ist, die Belange der herkömmlichen Energiewirtschaft zu sehr berücksichtigt und so die Energiewende eher ausbremst. Es geht bei diesem Thema ja nicht nur um Wirtschaftsinteressen, sondern auch und vor allem um Umwelt-, Klimaschutz-, Verkehrs- und Bauinteressen.

In der politischen Kommunikation wurde die Energiewende gegenüber den Bürgern bisher schlecht verkauft. Worauf muss es für mehr Akzeptanz konkret ankommen?
Die Energiewende hat in der Tat ein Image-Problem. Niemand redet über deren Vorzüge, es werden zumeist nur Negativeffekte thematisiert. Die Bürger erfahren wenig von der Wertschöpfung und den Arbeitsplätzen, welche durch die Energiewende entstehen, über die gesunkenen Börsenpreise oder aber die steigenden Einnahmen aus dem Stromverkauf. Anstatt die Energiewende permanent schlecht zu reden und Mythen zu verbreiten, sollten wahrnehmbarer die Chancen in den Vordergrund gerückt werden.

Prof. Dr. Claudia Kemfert leitet die Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)

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