Vor mehr als zwei Jahren hat Daniel Florian (Foto) in Berlin einen deutschen Standort für die internationale Beratungsgsellschaft g+ europe eröffnet. Im kurzen Interview spricht Florian über das schwierige Image des Lobbyisten und darüber, welche Rolle er für sich auf EU-Ebene sieht - vor allem in Brüssel, aber auch in Berlin.
Herr Florian, in Berlin wird Ihr Beruf gemeinhin mit "Strippenzieher" und "Einflüsterer" übersetzt. Welches Verständnis haben Sie selbst von sich als Lobbying-Experte?
Heute zeichnet sich Interessenvertretung vor allen Dingen durch effektives Netzwerken aus. Dabei geht es nicht um intransparente Mauscheleien. Was zählt ist das Argument. Die Rolle des Lobbyisten ist es, seinen Mandanten dabei zu helfen, durch das Dickicht der Politik zu navigieren, Argumente relevant zu machen und an die richtigen Entscheider zu bringen.
Politische Entscheidungsprozesse werden heute durch so viele verschiedene Stakeholder beeinflusst - Politik, Medien, NGOs, Verbraucher, Investoren -, dass Public-Affairs-Manager heute eher mit Community-Managern als mit sinistren "Strippenziehern" verglichenen werden können. Neue Transparenzrichtlinien und Berichtspflichten sorgen dafür, dass Lobbying heute viel öffentlicher ist als früher – auch deswegen gibt es heute viel weniger "Graue Eminenzen". Und schließlich wird heute auch immer gefragt: was bringt mir Public Affairs? Ein genaues Verständnis wie Public Affairs zur Erreichung der Unternehmensziele beiträgt ist deswegen wichtig.
Wie sehen das die Politiker und Bürokraten in Brüssel? Was können Sie denen als Agenturmann bieten?
In Brüssel ist seriöses Lobbying ein wichtiger Teil des politischen Prozesses, der den EU-Institutionen hilft, auf der Basis bestmöglicher Information durch alle Seiten einen Gesetzesvorschlag zu machen. Der Begriff 'Public Affairs' zeigt ja bereits, dass unsere Arbeit auf gegenseitigem Interesse beruht: Unternehmen und Verbände haben das Interesse, dass die Politik keine Hürden für unternehmerische Tätigkeit aufbaut und damit wirtschaftliches Wachstum fördert, Umweltlobbys haben andere Prioritäten.
Umgekehrt sind Politik und Verwaltung bei der Planung und Implementierung in vielerlei Hinsicht auf die Mitwirkung der Unternehmen angewiesen. In Deutschland wird Lobbying oft auf die Vertretung von Partikularinteressen reduziert. Wem es allerdings nicht gelingt, auch die gesellschaftliche und volkswirtschaftliche Relevanz seines Anliegens zu vermitteln, der wird auch bei Politikern und Beamten kaum auf offene Ohren stoßen.
Sie haben jüngst das Berliner Büro von g+ aufgebaut. Außerdem ist Ihre Brüsseler Agentur auch in London und Paris vertreten. Warum eigentlich? Reicht eine Brüssel-Präsenz nicht?
Die EU ist mehr als Brüssel - die Mitgliedsstaaten und insbesondere Deutschland haben ein gewichtiges Wort mitzureden. Und die Position der deutschen Bundesregierung wird natürlich maßgeblich - wenn auch nicht ausschließlich - in Berlin gemacht. Dazu kommt, dass wir mit unseren Büros in den wichtigen EU-Mitgliedsstaaten näher an den Kunden unserer Mandanten sind. Unser Wachstum in den EU-Mitgliedsstaaten ist also nicht zuletzt auch von unseren Mandanten getrieben, die wissen, dass für die politische Kommunikation beides wichtig ist: die Nähe zu den Regulierern und die Nähe zum Markt und zu den Verbrauchern.
Diese Internationalität ist für Ihre Agentur als Tochter der Omnicom-Gruppe ein Vorteil. Sehen Sie auch Nachteile gegenüber inhabergeführten Agenturen und Einzelberatern in Brüssel?
In Brüssel ist Größe ein nicht zu unterschätzender Faktor. Mit 28 Mitgliedsstaaten, ebenso vielen Kommissaren und über 750 Parlamentariern ist die EU ein äußerst komplexes Gebilde und einen Kompromiss zwischen den vielen unterschiedlichen Interessen zu finden gleicht oft einem Drahtseilakt. g+ befindet sich in der komfortablen Situation, Mitarbeiter aus mehr als einem Dutzend Mitgliedsstaaten zu beschäftigen die fast 20 verschiedene Sprachen sprechen. Diese Internationalität kann in Brüssel viele Türen öffnen. Einzelberater und kleinere Agenturen sind hier naturgemäß im Nachteil - auch wenn die genannten Aspekte natürlich nicht in jedem Projekt gleichermaßen zum Tragen kommen.
Wie können sich Unternehmens- und Agenturlobbying sinnvoll ergänzen?
Gute Berater sind Katalysatoren und Übersetzer, die sicherstellen, dass die Politik und die Wirtschaft eine Sprache sprechen, die beide verstehen. Sie wirken also in zwei Richtungen: nach Innen, indem sie die Public-Affairs-Verantwortlichen dabei unterstützen, innerhalb eines Unternehmens ein Bewusstsein für politische Risiken - und natürlich den Umgang mit diesen Risiken – zu schaffen und nach Außen, indem sie die regulatorischen und politischen Anliegen eines Unternehmens in einen breiteren gesellschaftlichen Diskurs einbinden.
Dabei greifen Agenturen natürlich auf den gesamten Instrumentenbaukasten zurück: klassische Gesprächsprogramme und Medienarbeit genauso wie neue Kommunikationsformen wie Digital Public Affairs und Story Telling. So verbinden Unternehmens- und Agenturlobbying Substanz mit Innovation und Reichweite.
Daniel Florian arbeitet seit 2011 als Account Director für die Beratungsgesellschaft
g+ europe, mit Sitz in Berlin. Interview: Uwe Förster