Fehlende soziale Kompetenz und mangelhafte Ausbildung für den Einstieg in eine PR-Agentur – Vorwürfe des GPRA Präsidenten, mit denen sich der PR-Nachwuchs in den letzten Wochen konfrontiert sah. Ende November diskutierte Uwe Kohrs bei seinem Besuch bei den LPRS – Leipziger Public Relations Studenten e.V. über seine Thesen.
Im Interview stellte Kohrs klar, welche Forderungen er wirklich an den Nachwuchs stellt, welche Ziele sein Verband in Bezug auf die PR-Ausbildung sowie Stan-dardisierung verfolgt und wie die GPRA den Veränderungen innerhalb der Agenturbranche zukünftig begegnen will.
Herr Kohrs, Sie haben heute mit dem PR-Nachwuchs diskutiert, den Sie in den letzten Wochen doch stark kritisiert haben. Wie ist Ihr erster Eindruck vom Leipziger PR-Nachwuchs nach der heutigen Veranstaltung?
Uwe Kohrs: Zunächst muss man einen wichtigen Punkt hervorheben: Wir haben nicht den PR-Nachwuchs kritisiert, sondern mahnen aus Agenturperspektive eine Diskussion mit den Ausbildern an. Wir sind der Meinung, dass die Inhalte der PR-Ausbildung – egal ob in Universitäten oder anderen Bereichen – Schritt halten müssen mit den Veränderungen, die am Markt stattfinden. Dass Universitäten und Professoren dies teilweise anders sehen, ist uns bewusst. Das Mindeste, was wir tun können und müssen, ist uns gemeinsam über diese Problematik auseinanderzusetzen. Der Nachwuchs steht dabei aber nicht im Fokus unserer Kritik.
Waren Sie überrascht von den vielen direkten Reaktionen auf Ihr Statement in der November-Ausgabe des prmagazins, oder war das Statement die erste Maßnahme Ihrer PR-Kampagne für die PR-Branche?
Ich würde den angesprochenen Beitrag nicht als PR für die PR-Branche bezeichnen. Natürlich war es von vornherein unser Ziel im Rahmen dieser Kampagne, einen Anstoß zu geben. Dass unser Statement letztlich so kontrovers gesehen wird, damit müssen wir jetzt leben. Ehrlich gesagt bin ich aber durchaus froh, dass sich mittlerweile so viele Leute in die Diskussion einbringen – auch mit teilweise ganz unterschiedlichen Meinungen. Ich denke, es ist schon lange her, dass so etwas möglich war. Wir sollten, wie ich finde, innerhalb der PR-Branche viel mehr und häufiger miteinander diskutieren.
Letztlich wollen wir doch alle dasselbe: die Ausbildungsbedingungen für den Nachwuchs verbessern. Wie fördern Ihre Agentur Impact und Sie persönlich derzeit den PR-Nachwuchs?
Zum einen bemühen wir uns, aus den eingehenden Bewerbungen qualifizierte Talente herauszufiltern. Zum anderen übernehmen wir die Verantwortung für die Entwicklung dieser Talente und bieten ihnen eine Perspektive in der Agentur – sowohl finanziell als auch inhaltlich. Ich denke, dass ich als Chef des Ladens ein Stück weit auch Verantwortung für die berufliche Entwicklung meiner Mitarbeiter trage. Insofern ist das ein Thema, das mich natürlich bewegt. Konkret bieten wir in unserer Agentur Volontariate und Traineeships an. Teilweise werden als Einstieg auch Praktika absolviert, die bei uns stets auf drei Monate begrenzt sind und natürlich vergütet werden. Volontariate dauern maximal zwölf Monate. Wir sind der Meinung, dass niemand, der eine vernünftige Vorausbildung mitbringt, zusätzlich zwei Jahre Volontariatszeit absolvieren muss.
Sie attestieren dem Nachwuchs fehlende soziale Kompetenz – ein schwerer Vorwurf an junge Menschen, die neben dem Studium zahlreiche Praktika absolvieren, ins Ausland gehen und sich außeruniversitär engagieren. Was hat Sie zu dieser Aussage bewegt?
Soziale Kompetenz wird in Zukunft eine immer größere Rolle spielen. Für die Tätigkeit als Berater ist sie besonders bedeutend und das ist genau das, worum es uns geht: die Fähigkeit Berater zu sein. Beratung bedeutet auch immer ein Stück weit, Talent zu haben, eine bestimmte Persönlichkeit zu besitzen. Ich denke, hierbei kann man schon in der Grundausbildung einige Dinge fördern und initiieren. Das ist es, was wir uns wünschen. Wir wollen niemandem soziale Kompetenz absprechen – der Knackpunkt ist, soziale Kompetenz als Bestandteil eines Berufs- und Ausbildungsprofils fest zu verankern. Dass Förderungsbedarf speziell bei dieser Kompetenz besteht, schließen wir aus dem Feedback, das uns aus den Reihen unserer Mitgliedsagenturen entgegenkommt. Die angesprochenen Qualifizierungen müssen hier zum Teil durch die Agenturen nachgeschult werden, zum Teil sind sie aber auch schlichtweg nicht vorhanden.
Weg von der sozialen Kompetenz – welche Fähigkeiten sind es darüber hinaus, die eine PR-Nachwuchskraft nach Ansicht der GPRA mitbringen muss um für den Agenturalltag gewappnet zu sein?
Wie bereits bekannt ist, haben wir intern ein Anforderungsprofil erarbeitet, das sich aus veränderten Marktbedingungen ergibt. Erforderliche Kompetenzen, die sich daraus ergeben, sind zum Beispiel das Potenzial für Menschen- und Themenführung, die Fähigkeit zu motivieren und andere zu selbstständigem Handeln anzuleiten, interkulturelle Kompetenzen durch internationale Erfahrungen und unternehmerisches Denken. Das sind einzelne Punkte aus dem Gesamtkatalog. Aber auch hiermit adressieren wir nicht unmittelbar den Nachwuchs selbst, denn das Anforderungsprofil soll in erster Linie als Grundlage für die Diskussion mit den Ausbildern dienen. Es ist nicht so, dass wir unseren Katalog dem Nachwuchs vorlegen und sagen „Nun macht mal und seht, wo ihr bleibt!“ – vielmehr sollte die Diskussion, aus unserer Sicht, an anderer Stelle geführt werden.
Blicken wir nun in die Zukunft. Wie will die GPRA künftig dem Nachwuchsproblem entgegenwirken und zur Förderung der zuvor genannten Kompetenzen beitragen?
Im Prinzip umfasst unser Engagement zwei wesentliche Schwerpunkte: Das eine ist der Dialog mit den Ausbildern, den wir jetzt begonnen haben. Wir wollen darüber sprechen, welche der Anforderungen, in die Ausbildung integriert werden können. Ich persönlich bin der Meinung, dass einige Elemente durchaus ohne allzu große Schwierigkeit in Ausbildungsprogramme aufgenommen werden könnten. Das betrifft zum Beispiel unternehmerisches Denken, das man durch die Vermittlung von Grund-kenntnissen in Betriebswirtschaft fördern könnte. Das gleiche gilt auch für Marketing. Hier bedarf es lediglich eines zusätzlichen Seminarangebots. Wir müssen an dieser Stelle auf den Dialog und die Einsicht der Ausbilder setzen. Und der zweite Schwerpunkt: Wir wollen versuchen, Talente und Leute in der Ausbildung davon zu überzeugen, dass der Berufsweg in einer Agentur durchaus ein spannender und guter ist. Ich selbst bin ein überzeugter Agenturfritze und würde immer dafür werben, die Freiheit, welche in der Agenturarbeit liegt, zu nutzen. Dafür muss man aber auch der Typ sein.
Sie bezeichnen den Berufseinstieg in einer Agentur als „spannend und gut“. Welche Gründe sind es denn, die Ihrer Meinung nach für eine Agentur sprechen, auch im Ge-gensatz zum Berufsstart in einem Unternehmen?
In der Agentur bietet sich die Möglichkeit thematisch sehr vielfältig zu arbeiten. Die Hierarchien sind flach, so dass Einsteiger sehr früh selbst Verantwortung innerhalb des Teams übernehmen können. Alles in allem ist man in einer Agentur einfach freier – frei bei Neugeschäftspitches seine Ideen einzubringen, frei mit Kollegen zusammen etwas Neues zu entwickeln. In der Tätigkeit als Berater kann man den Kommunikationsberuf wirklich unmittelbar ausüben. In Unternehmen mit mehreren Hierarchiestufen dauert das alles länger. Da muss man schon ein bisschen Geduld mitbringen. Man hat es mit stärker strukturierten Abläufen zu tun. Auch die Nachweispflicht ist hier, aus meiner Sicht, deutlich höher als in Agenturen.
In den vergangenen Wochen wurden nicht nur die Kompetenzen auf Nachwuchsseite bemängelt, sondern auch fehlende Standards bei Inhalt, Bezahlung und Dauer von Traineeships und Volontariaten auf Agenturseite kritisiert. Sie selbst haben angekündigt, Verbesserungen anzustoßen – ein Anliegen, das auch uns als Nachwuchs am Herzen liegt. Wie können wir an dieser Stelle zusammenarbeiten?
Ich denke, es gibt eine ganz einfache Möglichkeit, das zu tun: mehr miteinander über gegenseitige Erwartungen zu sprechen. Wir als Agenturen haben die Pflicht, innerhalb des Verbandes die Diskussion – mitunter auch kritisch – weiterzuführen. Gleichzeitig finde ich es durchaus auch zielführend mit Ihnen, dem studentischen Nachwuchs, aber auch mit Newcomern aus anderen Ausbildungsbereichen, zu diskutieren. Die zentrale Herausforderung in der nahen Zukunft wird es aber erst einmal sein, auf die Ausbildungsinstitutionen zuzugehen – auch um hier keine Zweigleisigkeit entstehen zu lassen. Da das Thema selbst erst einmal wieder stärker in der öffentlichen Agenda platziert werden muss, bin ich nicht unzufrieden über die derzeitige öffentliche Welle. Ich bedauere nur eins: dass Absolventen unseren Anstoß dahingehend interpretiert haben, als würden sie selbst eine Verantwortung für die aktuellen Probleme tragen. Das trifft absolut nicht zu. Wir in der GPRA kämpfen dafür, dass der Nachwuchs eine Branche vorfindet, die eine Struktur hat, auf die man sich verlassen kann. Dass wir dafür noch eine Menge an Hausaufgaben zu erledigen haben, wissen wir. Das ist als würdest du auf hoher See dein Schiff streichen, während du parallel volle Fahrt für Kunden arbeitest.
Abseits der vieldiskutierten Nachwuchsdebatte – welche Themen und Projekte haben Sie sich für Ihre Zeit an der Spitze der GPRA noch vorgenommen?
Da kommt wahnsinnig viel auf mich zu. Unser oberstes Gebot lautet Qualität – alle Agenturen durchlaufen bei uns einen Audit, das heißt jedes Mitglied muss nach drei Jahren beweisen, dass es die Standards weiterhin erfüllt. Dazu gehört zum Beispiel auch, Kodizes umzusetzen, vernünftige Mitarbeiterverträge zu haben, Volontariate anzubieten, die den Namen wirklich verdienen. Es ist ein Schwerpunkt unserer Arbeit, die Qualität innerhalb der Organisation, aber auch außerhalb, voranzutreiben. Das bedeutet, dass wir uns auch in die Branche übergreifende Diskussionen einmischen – von Standards bei der Kundenbetreuung bis zum Thema angemessene Honorare für Kommunikationsdienstleistungen. Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt ist die Gewinnung neuer Mitglieder. Hier sind wir auf einem guten Weg. Gleichzeitig werden wir uns auch von Mitgliedern trennen, die die qualitativen Anforderungen nicht mehr erfüllen. Dabei, würde ich sagen, sind wir ein vergleichsweise pragmatisches Präsidium. Mich interessieren vor allem Dinge, die wir tun. Gelabert wird schon genug in der Branche – diskutieren ja, aber dann muss man auch handeln. „Rock´n´Roll“ heißt für uns, Dinge im Interesse der Branche anzupacken und die GPRA wieder stärker in eine Position zu bringen, in der wir Einfluss auf die Entwicklung der Gesamtbranche nehmen können.
Interview: Nadja Enke
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