Michael Rossa kümmert sich bei Siemens nicht nur allgemein um digitale und soziale Medien sowie um die weltweite Ausrichtung der Kommunikation auf Kunden - im Interview erläutert er, wie sich Siemens mit dem Projekt "Future Influencers" auf künftige Entscheidungsträger und Meinungsführer bemüht.
Herzlichen Glückwunsch, Sie haben in der Kategorie Verantwortungskommunikation und Corporate Social Responsibility mit "Future Influencers - A virtual think tank community initiated by Siemens" den Internationalen Deutschen PR-Preis 2013 erhalten. Können Sie uns bitte in Kurzform das Projekt skizzieren?
Michael Rossa: Die "Future Influencers" sind eine Gruppe von 180 jungen Professionals aus unterschiedlichen Disziplinen. Die meisten von ihnen sind 30 Jahre alt oder jünger und zeichnen sich durch ihr hohes Engagement im Bereich Nachhaltigkeit aus, sie sind überdurchschnittlich gut vernetzt und üben durch Kommentare oder Artikel in den digitalen Medien bereits heute Einfluss aus. Gemeinsam entwickeln sie Ideen und Konzepte für drängende Fragen unserer Zeit. Harvard Business Review (HBR) und das World Resources Institute (WRI) unterstützen die "Future Influencers" als offizielle Partner und Mentoren.
Siemens ist bei diesem Projekt Initiator und Moderator, wir sind sehr darauf bedacht, die Diskussion nicht zu beeinflussen. Und wir freuen uns über den Erfolg: In den vergangenen drei Jahren hat die Community über 65 Ideen entwickelt, die wichtigsten werden ausgearbeitet und mit dem Siemens Management diskutiert - zum Beispiel im Bereich nachhaltige Stadtentwicklung.
Was verstehen Sie beziehungsweise Siemens unter Influencer Relations allgemein und welchen Stellenwert hat Influencer Relations im Kommunikations- und PR-Mix?
Experten auf der ganzen Welt sprechen über Herausforderungen, auf die wir mit unseren Produkten und Lösungen Antworten geben. Wir nehmen an diesen Gesprächen teil und tragen zur Meinungsbildung bei. Mit den "Future Influencers" stehen zukünftige Entscheider und Meinungsführer im Zentrum unserer Aufmerksamkeit, das ist neu. Wir setzen damit auf langfristige Beziehungen. Und wir nutzen Kanäle, in denen sich Influencer von heute ganz natürlich bewegen: Digitale und soziale Medien.
Könnte man sagen, dass Influencer die natürliche Erweiterung von klassischen PR-Multiplikatoren durch das Medium Internet geworden sind?
Influencer kommentieren und bewerten mit ihrem Fachwissen Entwicklungen in den Märkten. Im Internet erreichen sie Entscheider-Zielgruppen und sind in dieser Rolle Multiplikatoren für unsere Themen, beispielsweise die Zukunft des Energiemarkts oder die Digitalisierung der Produktion. Im Bereich des Nachrichtenjournalismus sehen wir weiterhin eine wichtige Rolle der etablierten Medien bei der Bewertung und Verbreitung von Neuigkeiten. Auch etablierte Medien adressieren ja zunehmend ein Zielpublikum, das Information über digitale und soziale Medien sucht.
Wer kümmert sich bei Siemens um Influencer Relations? PR, Marketing oder ein gemischtes Team?
Die "Future Influencers" werden als globale Community von Corporate Communications betreut. In den Projekten finden sich Teams aus unterschiedlichen Funktionen zusammen, von der Technologie- und Innovationsseite bis zu HR. Eine Ansprechpartnerin im digitalen Marketing ist speziell für die "Future Influencers" da. Sie ist die zentrale Schnittstelle, wenn es darum geht, Aktionen zu koordinieren, und sie ist als Moderator der Community persönlich involviert.
Welche Chancen bieten Blogs im Bereich der Influencer Relations und wo liegen die natürlichen Grenzen?
Blogs sind Meinungsinstrumente und können offizielle Unternehmens-Kanäle gut ergänzen. Der Autor und seine Sicht auf das Thema stehen im Vordergrund, Blogs bieten die Möglichkeit, Inhalte zu vertiefen und mit Stakeholdern ins Gespräch zu kommen. Blogs haben Grenzen, wo die zeitliche Abfolge der Beiträge als Ordnungsprinzip nicht trägt, die klassische Corporate Website werden sie nicht ersetzen. Siemens betreibt seit 2006 die eigene Blog Plattform
blogs.siemens.com.
Wie wichtig sind externe Blogs für Influencer Relations und wie geht man mit externen Bloggern von Unternehmensseite her um?
Blogger sind Teil der Entstehung von Kommunikation. Unternehmen sollten Blogger nicht als Meinungsmittler betrachten, die sie einseitig mit Informationen versorgen und die diese dann weitertragen. Blogger können Partner für die Erarbeitung von Themenfeldern sein. Mit den "Future Influencers" setzen wir auf partnerschaftliche Zusammenarbeit und die Möglichkeit des Austausches.
58 Prozent der befragten Blogger in der Studie "Technorati Media's 2013 Digital Influence Report" kritisieren, dass Unternehmen nicht offen für Ideen seien, die bei den Lesern ihrer Blogs wirken würden. Was sollte sich Ihrer Meinung nach in der Kommunikation zwischen Unternehmen und Bloggern ändern?
Aus unserer Erfahrung sind es vor allem zwei Dinge, die Unternehmen für Blogger relevant machen: Aktuelle Inhalte, die nicht alltägliche Fakten und Perspektiven zu einer Konversation beitragen. Und Experten und Meinungsführer auf Unternehmensseite, mit denen sich Blogger vernetzen können. Blogger profitieren von Diskussionen und Positionen des Unternehmens in Echtzeit und erhalten damit Relevanz für ihre Leser. Unternehmen müssen diese "Schnittstellen" zur Verfügung stellen. Auf der Basis von Pressemeldungen ist eine Vernetzung nicht denkbar.
Es gibt in Deutschland wenige Blogs mit hoher Reichweite und viele Blogs mit geringer Reichweite. Droht generell die Gefahr eines "Hauens und Stechens" um diese Top-Blogger, wenn das Thema Influencer Relations erst einmal richtig salonfähig ist?
Für B2B-Unternehmen wie Siemens ist es entscheidend, mit den branchenspezifischen Entscheider-Zielgruppen zu sprechen. In diesem Austausch ist Reichweite weniger wichtig. Relevanz und die richtige Adressierung stehen im Vordergrund.
Wie sieht Ihre Prognose für die nächsten drei Jahre aus? Wird die Bedeutung von Digital Influencern auf die Kaufentscheidung von Produkten und Dienstleistungen und damit auch die Bedeutung von Influencer Relations steigen?
Wir beobachten einen Wandel bei der Informationsbeschaffung in der Frühphase von Investitionsentscheidungen: Im B2B-Geschäft spielen Branchenkontakte eine wichtige Rolle. Heute sind es zunehmend Influencer in digitalen Medien, die als Quelle für branchenspezifische Informationen indirekt auf Entscheidungsprozesse einwirken. Diese Influencer bedienen sich der Inhalte, die sie über die unterschiedlichen digitalen Kanäle des Unternehmens erhalten: Blogs, Beiträge in den Sozialen Medien, Suchergebnisse und Websites. Digital Influencer Relations sind deshalb aus unserer Sicht ein unverzichtbarer Bestandteil der Kommunikation mit unseren Märkten.
Interview: Oliver Hein-Behrens