Ihre Finger wischen über Tablet und Smartphone, ihr Netzwerk ist groß - und nützlich: Die Jugend von heute hat moderne Kommunikationstechnologien mit der Muttermilch aufgesogen. Wer sie erreichen will, muss ihre Sprache sprechen und ihre Kanäle bedienen. Philipp Riederle, 19 Jahre jung, Unternehmensberater in Sachen neue Medien und Produzent des Podcasts "Mein iPhone und ich" stellt in seinem Buch "Wer wir sind und was wir wollen" die Generation der Digital Natives. Schnodderig im Ton, gelegentlich ein wenig trivial, insgesamt aber unterhaltsam und inspirierend.
Von "wir" und "ihr" spricht Philipp Riederle. "Wir", das ist die Jugend von heute, das sind die Digital Natives. Mit "ihr" spricht der gerade-mal-Abiturient seine Leser an - die "Erwachsenen", wie er sie auch bezeichnet. Im besten Fall sind das Digital Immigrants - im schlechteren Fall Gesinnungsgenossen von Neurowissenschaftler und Buchautor Manfred Spitzer, die der Jugend "digitale Demenz" vorwerfen. Philipp Riederle ist angetreten, seine Generation zu verteidigen.
Zusammengefasst klingt das dann so: Die Digital Natives sind besser vernetzt als jede Generation vor ihnen. Sie nutzen die Vorteile der Community. Sie tauschen sich aus. Sie fordern Transparenz. Sie informieren sich. Sie sind neugierig, engagiert und aktiv. Und das alles digital.
Riederles Wertewandel-These
Weil es die neuen Medien gibt - so Riederle - gelten für die Jugend von heute auch andere Werte. Statussymbole zählen nicht mehr, die junge Generation fordert Substanz statt schönen Schein. Autos spielen keine Rolle mehr. Digital Natives nutzen Carsharing Angebote im Internet oder fahren gleich mit der Bahn - da kann man während der Fahrt mailen, shoppen oder twittern und muss am Ziel keinen Parkplatz suchen. Auch Fernsehen ist für die Generation der Digital Natives megaout. Geschaut wird maximal online - gezielt ausgesucht und gestreamt. Gearbeitet wird hochmotiviert, unabhängig von Ort und Tageszeit, mit möglichst viel Sinn und Selbsterfüllung und nach dem Prinzip 24/7, also in ständiger Bereitschaft, aber bitteschön mit genug Zeit für Hobbies, Freunde und Familie.
Youtube, Twitter, Facebook, Online-Spiele, virtuelles Lernen, Plattformen für Privatunterkünfte oder Geschäftsideen - Riederle spricht alles an, was irgendwie Bestandteil der digitalen Welt ist. Wirklich neu ist das, abgesehen von dem ein oder anderen Link, zumindest für den Digital Immigrant eher nicht.
Neu ist der Ton: Provozierend und selbstbewusst, manchmal arrogant und ziemlich neunmalklug, zeugt er von einer Generation, die es scheinbar leid ist, von den ewig Gestrigen kritisiert zu werden.
Alles im Lot
Müssen wir Erwachsenen uns nun Sorgen machen, um diese Generation, die moderne Medien und ihre Möglichkeiten vollständig in ihr Leben integriert hat? Über Selbstversuche von Journalisten, eine Zeit lang offline zu gehen, das Handy abzuschalten und dann darüber zu berichten, kann Philipp Riederle nur müde lächeln: Seine Generation habe längst gelernt, die Grenzen zwischen Online- und Offline Leben klar zu setzen. Erwachsene hingegen würden das gerne vermischen, so dass er auch schon mal seine Mutter beim Essen bitten müsse: Mama, leg das Smartphone weg!
Wer den Ausführungen von Philipp Riederle folgt, kann am Ende nur zu einem Urteil kommen: Sollten seine Beschreibungen wirklich aussagekräftig für den Großteil und nicht nur eine Elite seiner Generation sein, können Leute wie Manfred Spitzer getrost aufhören, sich um die Jugend von heute Sorgen zu machen.
A propos Spitzer. Der könne, so erwähnt Riederle, sein Großvater sein. Aber nur was das Geburtsjahr betrifft. Denn: Gewidmet hat Philipp Riederle sein Buch seinem Opa, der ihn lehrte, die Welt zu begreifen...
Rezension: Ansgar Vaut
Philipp Riederle: Wer wir sind und was wir wollen. 2013. Knaur TB, 272 Seiten, Taschenbuch 12,99 Euro/eBook 10,99 Euro. ISBN: 978-342678611-6/978-3-426-41991-5