Rund drei Viertel aller Regierungen und Staatsoberhäupter sind mittlerweile bei Twitter angekommen. Gut zwei Drittel nutzen den Weg gar, um Kontakt zu ihren Amtskollegen aufzunehmen, wie die jüngste Ausgabe der Burson-Marsteller-Erhebung "Twiplomacy" zeigt. Abräumer, ganz erwartungsgemäß: US-Präsident Barack Obama.
Großes Gefolge, aber wenig InteraktionAuch wenn weltweit nicht alles Gold ist, was in dieser Studie glänzt: Über viele Accounts gehen nur Verlautbarungen oder es werden nur selten überhaupt Tweets abgesetzt - geschweige denn ein Austausch gepflegt. Von 227 Spitzenpolitiker weltweit, die einen persönlichen Account haben, twittern nur 76 höchstselbst, ermittelt die Studie.
Zwar hängt Obama mit seinem
Kampagnen-Account derzeit (34,5 Mio Follower) alle anderen ab und hat seine Reichweite gegenüber dem Vorjahr etwa verdoppelt. Allerdings schwächelt der Account nach wie vor bei der Vernetzung. Während das Gros der Weltpolitik ihm folgt, folgt Obama selbst nur dem norwegischen Ministerpräsident
Jens Stoltenberg und
Dmitry Medvedev, Premier in Russland. Austausch mit anderen Staatenlenkern findet nicht statt.
Ähnliches gilt für den Account
@WhiteHouse - mittlerweile weltweit auf Rang 2, der im vergangenen Jahr noch von dem inzwischen verstorbenen venezuelanischen Präsidenten
Hugo Chavez besetzt wurde (der offiziell auch immer noch mehr Follower hat).
Unter den "World Leadern", die die Studie indentifiziert, rangiert der Papst (
@Pontifex) mit gut sieben Mio Followern, verteilt auf neun Accounts, als zweiter hinter Obama. Spanische Tweets werden rund 11.000 mal retweetet im Durschschnitt. Bei Obama sind es gut 2.300 mal. Dennoch: Auch die Tweets des Papstes erinnern an eher an Mini-Gebete als dass sie Gesprächsangebot sind.
"Die Menschen nutzen Twitter, um mit ihren Spitzenpolitikern in Kontakt zu treten", sagt
Matthias Lüfkens, Leiter der Digital Practice bei Burson-Marsteller's Digital EMEA und Autor der Studie. "Es ist dennoch erstaunlich zu sehen, dass die Accounts mit der größten Followerzahl diejenigen sind, die am wenigsten mit anderen Twitter-Nutzern interagieren."
Deutsche üben sich in ZurückhaltungDie defensive Zurückhaltung der deutschen Spitzenpolitik ist auffällig: Unter den 50 größten Accounts findet sich kein deutscher Politiker. Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck haben als einzige unter den G8-Kollegen keine eigenen Twitter-Auftritte. Stattdessen legt sich Regierungssprecher Steffen Seibert (
@regsprecher) ins Zeug: Er twittert durchschnittlich fünfmal am Tag und steht für virtuelle Fragestunden parat - folgt selbst aber kaum zurück.
Außenminister Guido Westerwelle lässt andere twittern, nämlich das Auswärtige Amt unter
@AuswaertigesAmt und dem englischsprachigen
@GermanyDiplo. Anders etwa der schwedische Amtskollege Carl Bildt, der in der Studie als bei Twitter best vernetzer Politiker gilt - 44 Kollegen folgen ihm, denen er auch zurückfolgt. "Es wird Zeit, dass der Bundespräsident und die Bundeskanzlerin Twitter für die Kommunikation mit Bürgern und anderen Regierungen nutzen. Denn die Bedeutung von Twitter in der politischen Kommunikation wird eher steigen als sinken", kommentiert der BM-Berlinchef Christian Thams, selbst unter
@cthams erreichbar.
Auf den Rängen hinter Obama und dem Papst platzierten sich im Übrigen die beiden türkischen Politiker
Recep Tayyip Erdoğan (3,7 Mio Follower) und
Abdullah Gül (3,4 Mio), die zwar bereits im vergangenen Jahr mit je mehr als einer Mio Follower vorne dabei waren - jüngst aber einen Push durch die Vorkommnisse in ihrem Land erlebt haben dürften (oder diesen zumindest befördert haben). Allein Güls Account legte in den vergangenen Monaten um eine halbe Mio Follower zu.
Alle europäischen Regierungen nutzen TwitterAlle 45 europäischen Regierungen sind inzwischen offiziell bei Twitter vertreten (rund drei Viertel im Vorjahr). In Südamerika alle mit der Ausnahme von Surinam. Ansonsten: Nordamerika: 79 Prozent, Asien 74 Prozent, Afrika 71 Prozent.
Die Daten wurden im Juli 2013 erhoben, zugrunde liegen Accounts von 505 Staatsoberhäuptern und Regierungen, Außenministern und deren Institutionen in 153 Ländern weltweit. Für die Analyse der Twitter-Beziehungen zwischen den Staatsoberhäuptern nutzte Burson-Marsteller
Doesfollow.
Alle Ergebnisse der Studie sind unter
twiplomacy.com abrufbar. Eine Infografik zum Thema gibt es
hier.
Mehr zum Thema im Netz
#mediawandel: "Frau Merkel, twittern Sie!"