Auf der Bremse
Autojournalismus Die kathartische Medienbeichte des Ex-Pressechefs von Mazda Europe, Franz Danner, schien der oft problematischen Wechselbeziehung zwischen PR-Profis und Journalisten ein Gesicht zu geben. Tatsächlich jedoch ist systematische Korruption auch im PS- Gewerbe längst passé. Einflussnahme erfolgt heute subtiler. Von Bijan Peymani
Da genoss er noch einmal den großen Auftritt: Um sich abseits seiner kriminellen Handlungen vor allem als Opfer eines korrupten Systems zu inszenieren, gab Franz Danner aus der Untersuchungshaft heraus den Kronzeugen für die vermeintlichen Machenschaften seiner Zunft. Das Geflecht zwischen Automobil-PR und -Journalismus sei geprägt von Manipulation und willfähriger Käuflichkeit, offenbarte der Ex-Mazda-Europa-Pressechef, kurz bevor ihm in Köln der Prozess gemacht werden sollte. Ein Urteil wird für September erwartet.
Danner, drei Jahrzehnte im PR-Geschirr mehrerer Hersteller – darunter Alfa Romeo und Kia –, hat nach eigener Aussage als Vice President Public Relations bei Mazda betrogen, gelogen und hinterzogen, als gäbe es kein Morgen. Gemeinsam mit zwei Komplizen soll er über Scheinrechnungen mehr als 40 Millionen Euro aus dem Firmenvermögen veruntreut haben. Einem Journalisten verriet Danner den Grund: weil’s so einfach war. Mit „einfach“ meint der 63-Jährige die Rahmenbedingungen, unter denen er seinen PR-Job in der Europa-Zentrale von Mazda in Leverkusen zu verrichten hatte. Kolportierte 15 Millionen Jahresbudget, freie Hand, eine Losung: die Journaille „mit allen Mitteln“ bei Laune zu halten. So gab es Danner zu Protokoll. Die in der Chefetage „eingeübte Kultur des Wegschauens“ bezog sich nicht nur auf die Mittel; auch von seinen Geschäften auf eigene Rechnung habe lange niemand Notiz nehmen wollen. Hauptsache, die Presse stimmte.
Um es erneut zu sagen: Danner trieb eine kriminelle Energie, die durch nichts zu relativieren ist. Problematische Wechselbeziehungen zwischen PR und Journalismus gab es aber stets. Gerade bei Automobil- und Reisethemen seien die Medienflüsterer „geneigt, die Eitelkeit von Journalisten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren“, sagt Michael Ramstetter, Chefkommunikator des ADAC in München (siehe Interview).
Dass selbst Compliance-Regeln und -Strukturen nicht für „saubere“ Arbeit bürgen, belegte zuletzt der Fall Thyssen Krupp (PR Report Mai 2013). Doch von systematischer Landschaftspflege zu sprechen, wäre verfehlt. Gleichwohl muss etlichen Journalisten die Neigung abgesprochen werden, ihren Auftrag zu erfüllen: Orientierung bieten, Sicherheiten testen, Haltungen hinterfragen. Stattdessen kleiden sie Interessen in Sprache, kleben PR-Schnipsel zu PR-Collagen.
Gerade Freelancer scheinen dafür aus Sicht der Auto-PR-Leute willkommen, glaubt man einem Insider: „Der Einfluss einzelner Hersteller insbesondere auf freie Autoren ist gewaltig und wächst!“ Thomas Geiger, der in der Automobilszene als bestens vernetzt gilt, bestätigt: „Plumpe Bestechungsversuche kenne ich allerdings nur vom Hörensagen aus grauer Vorzeit. Dabei geht es nicht um Geld. Vielmehr versuchen die Hersteller bisweilen, mit Gastgeschenken Einfluss zu nehmen.“ Deren Wert und Häufigkeit seien aber deutlich zurückgegangen. Ein Buch zum Auto, eine Flasche Wein aus der Region der Testfahrten oder ein Modellfahrzeug – „das sind inzwischen, wenn überhaupt, die Give-Aways bei den Präsentationen“, sagt Geiger.
„Der Versuch der Einflussnahme erfolgt auch durch den technischen Wandel der Arbeit heute eher im Nachgang zu der Berichterstattung, indem etwa versucht wird, den Tenor von Online-Beiträgen zu korrigieren.“ Druck werde durch eindringliche Kommunikation statt durch materielle Korruption aufgebaut, illustriert Geiger und nennt Anrufe und E-Mails. Letztere seien jedoch nicht nur für den jeweiligen Empfänger gedacht, sondern vor allem „für den auf CC gesetzten Personenkreis. Damit wollen die PR-Stäbe nach innen dokumentieren, dass sie ihrer Pflicht der Journalistenführung nachgekommen sind“. Außerdem soll es passieren, dass Hersteller der Anzeigenabteilung eines Mediums kurz einmal ihr Folterbesteck zeigen.
Es soll sogar Fälle geben, wo Freie den Redaktionen Artikel über Modellpräsentationen oder Testberichte kostenlos zur Verfügung stellen und ihr „Honorar“ von den Herstellern beziehen. „Davon haben wir auch schon gehört“, kommentiert lapidar Stefan Braunschweig, gelernter Journalist und heute Leiter Unternehmenskommunikation des Verlags Motor Presse Stuttgart.
Er schiebt nach, man sei „gut beraten, das ganze Thema nicht größer zu machen als es ist“. Die Auto-Journalisten jedenfalls, die er kenne, arbeiteten „generell organisatorisch, nicht inhaltlich, eng mit den Herstellern zusammen“. Andere verorten den Verdacht systematischer Korruption gar im Reich der „Verschwörungstheorien“. Dennoch funktioniert der derzeitige Automobiljournalismus nicht ohne die massive Unterstützung der Hersteller. Das öffnet Tür und Tor für Freundlichkeiten.
Waren es früher teure Weine, edle Devotionalien aus der Modellkollektion oder dauerhaft gestellte Testwagen, so sollen heute die exotischen Destinationen für eine positive Grundstimmung unter den eingeladenen Journalisten sorgen. Weil die Abnehmer der PR-Pakete international sind – und es auch hier um Eitelkeiten geht – wird mancher Pressechef vom eigenen Vorstand gedrängt, als Location statt Berlin, Stuttgart oder München doch bitte Barcelona, Shanghai oder Miami zu buchen. Auch sachliche Gründe werden ins Feld geführt.
So müssen etwa Cabrio-Modelle im Frühjahr präsentiert werden, damit rechtzeitig vor dem Sommer die Marketingwelle anrollen kann. Gutes Wetter, warmes Licht – in Deutschland um diese Zeit die Ausnahme. Für die Journalisten birgt dies eher Stresspotenzial: 36 Stunden An- und Abreise für vier Stunden Autotest, dann noch den Text abfassen, das geht an die Kondition. Stellvertretend für alle Kollegen sagt Motor-Presse-Chef Braunschweig: „Aus unserer Sicht haben Fahrzeugvorstellungen keinen Charakter von Lustreisen.“
Und aus Sicht der Hersteller rein gar nichts von einem Kompromittierungsversuch. Aufgabe sei es vielmehr, für „möglichst optimale Arbeitsbedingungen“ zu sorgen, wie Pietro Zollino, Leiter Produktkommunikation Marke bei Volkswagen in Wolfsburg erklärt. Offenbar hat der Konzern aus der Vergangenheit gelernt, als man gut zwei Dutzend handverlesene Journalisten zu den Olympischen Spielen 2008 nach Peking einlud. Derlei Zuwendungen sind passé.
Offiziell verneinen alle Seiten, man könne sich gute Berichterstattung erkaufen. Als Alternative zu solchen Umarmungsversuchen spendet etwa Daimler „bei jeder Fahrveranstaltung 30 Euro pro teilnehmenden Journalisten für einen guten Zweck“, erklärt Sprecher Jörg Howe. Allein guten Medienpartnern schenken die Stuttgarter weiter ihre „Jahresbox“ mit Miniatur-Modellen. Die Originale stellen alle Hersteller nur noch für eng abgesteckte Testzwecke bereit. Auch für die Bloggerszene, für die Automobil-PR schon unverzichtbar.
Alles also in bester Ordnung? Wenn Günter Bentele als Vorsitzender des Deutschen Rates für Public Relations (DRPR) bilanziert, der Fall Danner sei „sicher nicht die Regel“, so kann dem zugestimmt werden. Richtig ist aber auch, dass die Realität „häufig anders aussieht als die Norm“. Verfehlungen würde es nicht mehr geben, wenn sich alle an Gesetze und Standesregeln hielten. „Zur Bestechung gehören immer zwei“, betont Bentele.
„Es verschieben sich zweifellos Grenzen, darüber müssen sich alle Beteiligten klar sein“
Michael Ramstetter, Chefkommunikator des ADAC in München
Angeblich versuchen die PR-Kräfte im Automobilsektor, auf die Redaktionen gewaltig Einfluss zu nehmen, Tendenz steigend – infamer Vorwurf oder Fakt?
Es ist zentrale Aufgabe jedes PR-Verantwortlichen, seine Produktpalette möglichst prominent und glaubwürdig an die Öffentlichkeit zu bringen. PR-Abteilungen sind keine journalistischen Edelfedern, sondern die wichtigsten Verkäufer der Konzerne. Gerade beim Thema Automobil, vielleicht noch mehr beim Thema Reise, sind PR-Profis geneigt, die Eitelkeit von Journalisten für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.
Es soll sogar vorkommen, dass freie Journalisten den Redaktionen ihre Artikel gratis zur Verfügung stellen und ihr „Honorar“ von den Herstellern entgegennehmen...
Bereits heute steht in manch mittelständischem Verlag für Autothemen kaum noch oder gar kein Etat mehr zur Verfügung. In solchen Fällen liegt es nahe, dass kostenlos angebotene, gute Texte auch abgedruckt werden. Wenn die Kollegen Absender und Auftraggeber in der Berichterstattung klar benennen, ist dagegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Mit seriösem Journalismus hat dies jedoch nicht mehr viel zu tun.
Sie sind innerhalb des ADAC in Personalunion Chefredakteur der „Motorwelt“ und des „Reisemagazins“. Wie schützen Sie Ihr Team vor Einflussnahme von außen?
Die ADAC-Redaktionen nehmen grundsätzlich keine Einladungsreisen an. Wir lassen uns im Vorfeld eines Events prinzipiell vom Hersteller und seinen Partnern alle anfallenden Kosten nennen und bestehen immer auf einer Rechnung. Erst bei Bestätigung wird gereist. Kommt keine Rechnung, ist die ADAC-Redaktion beim nächsten Mal nicht mehr dabei. Nur so bleiben wir unabhängig und haben immer den Rücken frei, was wir schreiben, vorstellen, loben – oder auch kritisieren.
Nun sind Sie auch Chefkommunikator des Clubs und stehen unter dem gleichen Druck wie die PR-Kollegen, Ihre Aufgabe bestmöglich zu erfüllen. Ist das nicht schizophren?
Nein, das ist kein Problem. Da meine Doppelfunktion sowohl in der Öffentlichkeit als auch intern bekannt ist, kann ich offensiv damit umgehen. Bei mir weiß jeder, woran er ist.
Die Automobilbranche steht mit dem Verdacht „gekaufter“ Berichterstattung nicht allein. Sind die Öffentlichkeitsarbeiter letztlich „nur“ Opfer eines Systems?
Öffentlichkeitsarbeit ist immer auch PR- und Kommunikationsarbeit, bei der sich zweifellos die Grenzen verschieben und Schnittmengen verändern. Darüber müssen sich alle Beteiligten klar sein – dies- und jenseits des Schreibtischs.