Es ist Bundestagswahlkampf und daher kaum überraschend, wie heftig die Reaktionen auf den
angekündigten Wechsel von Staatsminister Eckart von Klaeden aus dem Bundeskanzleramt zu Daimler ausfielen. Das Thema ist allerdings keine Petitesse, sondern Teil einer größeren Debatte über Rahmenbedingungen im Verhältnis von Politik und Wirtschaft. Im Raum stehen der Vorwurf von Interessenverquickungen sowie Forderungen nach Übergangszeiten und Ausschlusskriterien für den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft. Es ist Zeit für eine Versachlichung der Diskussion, denn die bisherige Art des Umgangs mit diesem Thema ist unglücklich und schadet allen Beteiligten.
Leitplanken sind nötig
Eines vorausgeschickt: ich bin für mehr Durchlässigkeit im Wechsel von einer politischen Laufbahn in andere berufliche Entwicklungswege - und auch wieder zurück. Immer wieder taucht das Argument auf, die Drehtür drehe sich immer schneller. Meine Erfahrung ist, sie dreht sich immer noch sehr langsam, nicht zuletzt, weil die ständig wiedergekaute Berichterstattung über dieselben Politiker, die den Wechsel versucht oder vollzogen haben, nicht unbedingt dazu anregt, diesen Schritt zu tun. Wir brauchen Leitplanken für mehr Durchlässigkeit, die auf gesellschaftliche Diskurse Bezug nehmen und Orientierungshilfe bieten. Es geht dabei nicht nur um Reaktionen auf die Vertrauenskrise der Politik, die unter anderem aus dem Gefühl mangelnder Transparenz resultiert. Der eigentliche Kern der Forderung nach Karenzzeiten ist die Frage nach der fairen Verteilung der "Ressource Politik". Das ist letztlich eine klassische Machtfrage, in der sich die Zivilgesellschaft gegenüber der Wirtschaft strukturell benachteiligt sieht. Wer besitzt welche Mittel, um sich Zugang zu Entscheidungsträgern, Netzwerken, Informationen und Insiderwissen zu verschaffen? Die Wirtschaft steht hier natürlich immer unter Generalverdacht, sich in Politik "einzukaufen". Auch die strengste Transparenzregulierung wird nicht qualifiziert sein, dieses Vorurteil aufzuheben.
Deswegen braucht es im vernünftigen Maße einen Konsens zwischen Gesellschaft, Wirtschaft und Politik, der den Nutzen des Austauschs zwischen diesen Sphären anerkennt und gleichzeitig definiert, unter welchen Voraussetzungen bereits der Verdachtsmoment eine strikte berufliche Trennung von Beratungsmandat und einem aktuellen oder vorangegangenen politischen Amt erfordert. Die Entscheidungsfindung wird jedenfalls nicht qualitativ verbessert, wenn der Austausch von Politik und Wirtschaft eingeschränkt wird. Im Gegenteil, der Austausch müsste unter Einbeziehung der Zivilgesellschaft eher weiter intensiviert werden.
Grauzonen machen Regelung schwierig
Transparency International hat nun eine unabhängige Expertenkommission zur Einzelfallbewertung vorgeschlagen. Über diesen Ansatz lässt sich reden. Es wäre zumindest eine Alternative zu einer komplexen und verfassungsrechtlich schwierigen gesetzlichen Regelung. Ist es allerdings wirklich wünschenswert, dass die Überprüfung der Zukunftsplanung scheidender Amtsträger zur Standardprozedur wird? Und was wären die Maßstäbe und Kriterien, die ein solches Prüfverfahren beinhaltet? Inhaltlich findet man da noch am ehesten klare Trennlinien. Der Aufgabenbereich "Bürokratieabbau" von Staatsminister von Klaeden lässt nämlich zunächst mal keine größeren Verdachtsmomente hinsichtlich seiner künftigen Tätigkeit für die Automobilindustrie aufkommen. Anders sieht es aber schon bei der Frage nach Netzwerken und Kontakten aus. Hier entstehen Grauzonen für die Regelbarkeit, welche dann eine Durchleuchtung des beruflichen und privaten Lebens von Einzelpersonen voraussetzen würde. Transparenz als Instrument derart weitgehender Kontrolle? Politiker in vermeintlich reinigender Quarantäne? Kein Kriterienkatalog, keine Karenzzeit und keine Expertenkommission wird den Prozess verbessern, wenn wir nicht auch auf das moralische Korsett der Beteiligten setzen.
Interessant ist, dass die Personalie des aktuellen "Vorgängers" von Eckart von Klaeden bei Daimler in der bisherigen Diskussion fast gänzlich unter den Tisch fällt. Martin Jäger, ehemals Sprecher des Auswärtigen Amts und seit fünf Jahren bei Daimler, wird nun deutscher Botschafter in Afghanistan und tritt damit wieder ein in die Dienste der Bundesrepublik Deutschland. Genau dieses Beispiel sollte Schule machen, denn es beschreibt den Zugewinn an Erfahrung, Möglichkeiten, Reife und Qualifikation, den alle Beteiligten - Wirtschaft, Politik und natürlich Martin Jäger - durch diese Durchlässigkeit erhalten. Mehr davon, bitte!
Dialog als nächster Schritt
Es wird also kein leichtes Unterfangen sein, aber den Dialog über diese Fragen müssen wir intensivieren. Ob Selbstverpflichtungen von Unternehmen, Expertengremien oder doch eine gesetzliche Regelung - die Deutsche Gesellschaft für Politikberatung (de'ge'pol) ist als Verband der Interessenvertretung in Deutschland für gemeinsame Überlegungen mit Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft offen. Im Falle von Klaeden hat sie sich für eine zeitnahe Freistellung von seinen Ämtern ausgesprochen. Im Verhaltenskodex für Politikberater verankert sie die Trennung von Beratungsmandat und politischem Amt als Grundprinzip. An Eckart von Klaedens Integrität bestehen dabei keine Zweifel. Klare Leitplanken hätten geholfen, diese Tatsache hervorzuheben. Ohne diese ist der Raum für Spekulationen und mangelnde Sensibilität hingegen grenzenlos. Die Würde der Person und des Amts zu schützen, dafür tragen alle Beteiligten eine Verantwortung. Es ist Bundestagswahlkampf und hoffentlich erkennt die Politik danach den Handlungsbedarf in dieser Sache. Ganz im Sinne des Wettbewerbs um die besten Köpfe.
Cornelius Winter arbeitet seit über fünfzehn Jahren in leitenden Positionen der Public-/ Corporate-Affairs-Beratung sowie an politischen Schnittstellen in Brüssel und Berlin. Er ist Gründungsmitglied und Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung e.V. (de'ge'pol).