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News / Frau Merkels graue Eminenz
Twittern tun andere: Merkels Top-Beraterin macht sich in der Öffentlichkeit rar. Umso größer ist ihr Einfluss im kleinen, verschwiegenen Zirkel um die Kanzlerin./Foto: Imago
28.05.2013   News
Frau Merkels graue Eminenz
 
Sie berät die Kanzlerin in Medienfragen Eva Christiansen, Leiterin des Stabs „Politische Planung, Grundsatzfragen, Sonderaufgaben“ im Bundeskanzleramt, begleitet Angela Merkel seit über einem Jahrzehnt. Jetzt geht die 43-jährige gebürtige Rheinländerin mit der Kanzlerin in den Bundestagswahlkampf. Durch ihren Erfolg ist sie mächtig geworden, auch gegenüber den Kampagnenmachern in der Union. Von Harald Schiller

Sie meidet den öffentlichen Auftritt und gibt keine Interviews in eigener Sache. Niemand im Berliner Politikbetrieb weiß genau, welcher Spin auf das Konto von Eva Christiansen geht. Mit Journalisten spreche sie nicht, heißt es. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Denn sie ist bestens vernetzt. Und trifft Journalisten, Lobbyisten und PR Leute, wenn diese ihrer Chefin nutzen. Manche sogar beim Tee im Hotel Adlon.

„Von den Berliner Medienleuten wird Eva Christiansen mit Sympathie und Respekt als graue Eminenz wahrgenommen“, berichtet MSL Germany-Chairman Axel Wallrabenstein, „die Aufgabenverteilung zwischen ihr und dem viel stärker in der Öffentlichkeit stehenden Regierungssprecher Steffen Seibert funktioniert bestens. Sie beherrscht ihren Job, der extrem tricky ist.“ Will sagen: Die Botschaft soll rüberkommen, die Quelle nicht.

Im Organigramm des Bundeskanzleramts taucht die gebürtige Rheinländerin weit oben auf. Eva Christiansen gehört, neben Büroleiterin Beate Baumann, zum engsten Kreis um die CDU-Chefin. „Girls Camp“ hieß diese Gruppe mal, ein Bild, dass früher gerne von konservativen Männerbündnissen verwendet wurde, oft mit hämischem Unterton. Doch Merz, Röttgen, Koch & Co ist das Lachen schon lange vergangen.

Nach einem VWL-Studium in Bonn arbeitete Christiansen ab 1994 ein paar Jahre in kleineren Unternehmen im Rheinland. 1997 trat sie in die CDU ein, noch in den letzten Tagen der Regierungszeit von Helmut Kohl startete sie in der Pressestelle der Partei in Bonn. 1998 übernahm Merkel als Generalsekretärin die stellvertretende CDU-Sprecherin vom Vorgänger Peter Hintze. Merkel machte Christiansen zur Partei-, und 2002 schließlich zur CDU-Fraktionssprecherin. Angekommen im Berliner Kanzleramt, schuf Merkel 2005 extra für Christiansen das Referat „Medienberatung“. Kurz darauf legte Christiansen eine Babypause ein – zumal die vorgezogenen Neuwahlen nicht geplant waren. Christiansen zog für knapp zwei Jahre zurück nach Köln zu ihrem Ehemann Gordon, einem Strafverteidiger. 2007 kehrte sie nach Berlin zurück, samt Töchterchen, die nun einen Kita-Platz in der Hauptstadt fand.


„Sie sieht so harmlos aus!“
Beobachter aus dieser Zeit berichten, wie unerbittlich Christiansen im Bundeskanzleramt alles stehen ließ, um Sophie-Leonor rechtzeitig von der Kita abholen zu können. Das trug ihr Respekt auch bei der Chefin ein – und 2010 die Abteilung „Politische Planung, Grundsatzfragen, Sonderaufgaben“.

Christiansen trifft Absprachen, wer wann, wo und worüber mit der Kanzlerin sprechen darf. Sie erarbeitet Exposés für die Redenschreiber. Und sie berät Merkel bei der Garderobe, damit diese bei TV-Auftritten oder Opernbesuchen Bella Figura macht. „Sie sieht so harmlos aus. Und ist so schmal,“ war in der „Zeit“ über Christiansen zu lesen – umso energischer arrangiert sie unauffällig die Fototermine ihrer Chefin und entscheidet, wer mit aufs Bild darf. Eva Christiansen hat sich nach Einschätzung von „Welt“-Korrespondent Ansgar Graw „gegen eine hierarchisch organisierte Position im Regierungsgefüge“ entschieden und es vorgezogen, „durch ihre ausgesprochene Nähe zur Bundeskanzlerin, die ihr offenkundig sehr vertraut, im Zentrum der Macht und damit durchaus in der ersten Reihe zu wirken“. Der langjährige Parlamentskorrespondent in Berlin, der heute für das Blatt aus Washington D.C. berichtet, erinnert sich, Christiansen habe ihn während seiner Berliner Zeit „nach einigen wenigen Artikeln“ angerufen, „um mir bei bestimmten Punkten die Sichtweise von Frau Merkel zu erläutern. Wenn Frau Merkel mit einzelnen Passagen nicht glücklich war, hat sie die Gründe benannt. Ging es um unterschiedliche Einschätzungen, argumentierte sie sachkundig und engagiert. Ließ man sich von ihrer Sichtweise nicht überzeugen, hat darunter die weitere Zusammenarbeit aber nicht gelitten. Christiansen ist auch in dieser Beziehung ein Profi.“


Machiavelli lässt grüßen
Die Rheinländerin mit katholischem Hintergrund hält Abstand, „sie kennt den Bonner Politikbetrieb aus eigener Erfahrung. Dies dürfte wesentlich zu ihrer Haltung beigetragen haben, sich nicht allzu tief auf den fiebrigen Berliner Politikbetrieb einzulassen“, meint der Bonner Journalist und Kommunikationsberater Ralf Siepmann, „produktive Distanz ist keine schlechte Basis für Beobachtung und Beratung.“ Wie wird sie außerhalb der Berliner Aufgeregtheiten wahrgenommen? „Sie macht sich öffentlich rar, ist nicht ständig auf Twitter & Co. unterwegs. So entsteht Glaubwürdigkeit, wenn sie schon mal – wie 2011 – die Beschleunigungsdynamik der Online-Medien mit ihren problematischen Folgen für das politische Tagesgeschäft hinterfragt.“ Siepmann erlebte Christiansen auf einem ihrer seltenen öffentlichen Auftritte, dem 23. Medienforum NRW 2011 in Köln, Motto „Von Medien, Macht und Menschen“. Christiansen, die über das Abhängigkeitsverhältnis von Politikern und Journalisten referierte, war als Top Act angekündigt, in einer Reihe mit Mediensuperstar Margot Käßmann. Doch da sich Deutschlands wichtigste Politikerin mit nur wenigen Vertrauten umgibt, die über alles, was hinter verschlossenen Türen besprochen wird, eisern schweigen, war aus dem Nähkästchen nicht viel zu erfahren.

Während Ex-ZDF-Mann Steffen Seibert als Regierungssprecher für die Außendarstellung der Merkelschen Politik zuständig ist, soll Christiansen dafür sorgen, dass das Wahlvolk den Menschen Angela Merkel mag. Sie gebietet mit über Themen und den „Look and Feel“. Weil nichts aus den Sitzungen Angela Merkels mit ihren engsten Vertrauten nach außen gelangt, weiß niemand, wie hoch Christiansens Anteil ist. Dies gilt auch bei zwei besonders schlagzeilenträchtigen Vorgängen. Da war zum einen der Namensartikel, mit dem Angela Merkel 1999 während der CDU-Spendenaffäre in der FAZ den Neubeginn ohne Helmut Kohl forderte. Und auch ihr Auftritt in Oslo 2008, als sie anlässlich der Opernhauseröffnung in einem dekolletierten Abendkleid anderen Gästen die Schau stahl, ist legendär. Gerd Langguth, jüngst verstorbener Publizist und Merkel-Biograph, schrieb: „Stärker als alle ihre Vorgänger“ setze Merkel auf die Wirkungsmacht der Medien, „schon als stellvertretende Regierungssprecherin der letzten DDR-Regierung hat sie gelernt, dass nur derjenige die öffentliche Meinung gewinnt, der auch die Veröffentlicher von Meinung überzeugen kann.“ Bei Merkel gäbe es nichts, was sie ohne Kalkül täte. Das gelte auch für den Auftritt in Oslo, „das war ganz gezielt eingesetzt“.

Wie sich „Kohls Mädchen“ Merkel mit einer eingeschworenen Truppe im Verlaufe der CDU-Spendenaffäre von ihrem früheren Förderer Kohl absetzte, die Männerdominanz in der Partei brach, sich den Vorsitz sicherte und auch Gerhard Schröder schließlich fassungslos war und die Kirche nicht mehr im Dorf lassen durfte, als er das Kanzleramt an sie verlor, das sind strategische Meisterleistungen, Niccolò Machiavelli lässt grüßen.


Moderieren verringert die Angriffsfläche
Eva Christiansen ist eine der erfolgreichsten Medienberaterinnen der letzten Jahrzehnte, die herausragenden Umfragewerte der Kanzlerin beweisen das. Wie auch immer die heiße Phase des Wahlkampfs aussehen wird, ihr Urteil wird bei Angela Merkel Gewicht haben. In der Partei und bei den beteiligten Agenturen wird das nicht allen gefallen. „Eine Positionierung in offensiver Art und Weise vermag ich noch nicht zu erkennen, “ erklärt Medienberater Ralf Siepmann, „vielmehr die ohnehin waltende Strategie der geschickten Vermeidung von Angreifbarkeit beim Up and Down flüchtiger Berliner Themen, die zumeist nicht einmal mehr die ‚Tagesthemen‘ des folgenden Tages erreichen. Eine auch im Wahlkampf moderierende, moderate Kanzlerin, die der Konfliktscheu vieler Bundesbürger entgegenkommt, macht einen Teil des Einflusses von Christiansen auf Merkel aus, ganz sicher nicht den kleinsten.“
 

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