Reset auf "Sede Vacante": Mit dem Rücktritt des Papstes Ende Februar wurde auch dessen Twitter-Account @pontifex auf Null gesetzt. Seit Mitte Dezember hatte Monsignore Paul Tighe, 55, Social Media für Benedikt XVI. gemacht. Tighe ist Sekretär im Päpstlichen Rat für soziale Kommunikationsmittel - einer Art päpstliches Medienhaus - und dort zweiter Mann hinter Erzbischof Claudio Maria Celli. Das Team besteht aus einer Handvoll Leuten, die sich allerdings neben den Social-Media-Aktivitäten, wie etwa dem neuen Papst-Profil
@pontifex, auch anderen Aufgaben und Medien widmen.
Papst Benedikt XVI. hatte Tighe nach Stationen als Moraltheologe und Kommunikationschef im Erzbistum von Dublin 2007 nach Rom. Trotz des Aufruhrs um den Rücktritt des Papstes - Tighes Server gingen am 11. Februar in die Knie - ruft Tighe Mitte Februar pünktlich zum Interviewtermin an, gibt sich entspannt und offen, lacht häufig. Er freue sich aufs Treffen bei der
PR Report-Konferenz am 16. April in Düsseldorf, sagt er und schließt scherzend: "Drücken Sie mir die Daumen, dass ich dann noch einen Job habe."
Monsignore Tighe, der Papst tritt zurück. Getwittert hat er das aber nicht.
Paul Tighe: Der Schritt kam sehr überraschend, selbst für uns. Wir sind ein kleines Team. Priorität war, die Presse zu informieren. Auf die Schnelle noch einen Tweet mit dem Papst abzustimmen, wäre sehr schwierig gewesen.
Wir ahnten es. Der Papst twittert nicht höchstpersönlich?
Tighe: Jeder Tweet stammt von ihm - auch wenn er die Mitteilungen nicht eigenhändig eintippt. Wir ziehen die Botschaften aus seinen Reden und Schriften, und er bekommt die Tweets zu Gesicht, bevor sie live gehen. Das könnte Papst Benedikt XVI. für ein eigenes Facebook-Profil nicht leisten. Unser Nachrichtenportal News.va ist auf Facebook präsent und hat auch ein eigenes Twitter-Profil.
Ihren Twitter-Account haben wir nicht gefunden. Haben Sie selbst etwa keinen?
Tighe: Nein. Twitter nutze ich regelmäßig, allerdings nur passiv. Es wäre etwas zu kompliziert, zwischen der Privatperson Paul und dem vatikanischen Beauftragten Monsignore Tighe zu trennen. Aber ich bin aufmerksamer Follower verschiedener Twitter-Accounts, von Journalisten und von Geistlichen. Und ich nutze Youtube.
Youtube? Was sehen Sie da, mal abgesehen von den Papst-Audienzen?
Tighe: Da in unseren Büros die Computer permanent an sind, höre ich mir auf Youtube gern Musik an, vorzugsweise Rock und Punk aus den späten Siebzigern, frühen Achtzigern.
Teufel auch! Punk? Doch nicht etwa die Sex Pistols?
Tighe: Die nicht. Ich bin Ire und habe ein Faible für irische Bands: die Undertones, die Boomtown Rats. Auch Tom Pettys Musik schätze ich. Darüber hinaus schaue ich gern den
"The Onion"-Channel, einen satirischen Nachrichtenkanal. Das ist der Humor, der mir gefällt.
Was hat denn die Kirche veranlasst, ins Digitale zu gehen?
Tighe: Diese Frage haben sich wohl auch einige User gestellt. Manche Kommentare auf @pontifex lesen sich so verärgert und verbittert, als ginge es ihnen darum, uns aus den Sozialen Netzwerken zu vertreiben. Aber wir bleiben. Papst Benedikt XVI. hat schon 2009, zum Start des Vatikan-Channels auf Youtube, die Notwendigkeit unterstrichen, Präsenz zu zeigen in der digitalen Arena und den digitalen Kontinent zu evangelisieren. Ein Rückzug wäre das falsche Signal. Und kommt für mich ohnehin nicht in Frage. Ich bin Ire, ich bin stur.
Gilt das Engagement auch für den neuen Papst, der bald gewählt wird?
Tighe: Es ist natürlich die Entscheidung des neuen Papstes und damit stark abhängig davon, wer am Ende gewählt wird. Aber wir werden es dem Nachfolger Benedikts XVI. empfehlen. Bis Ende Februar wird er den Kanal weiter nutzen, unsere Priorität hat aber News.va, über das wir Social-Media-Nutzer schnell informieren wollen - etwa auch mit ‧einem Livestream von der Papstwahl.
Auf welchen anderen digitalen Projekten liegt Ihr Augenmerk?
Tighe: In nächster Zeit beschäftigen wir uns verstärkt mit der Papst-App, die es seit kurzem für iPhone und iPad gibt. Geplant ist eine Android-Version, die bis Ende des Monats fertig sein soll. Auch an der Aufbereitung der Inhalte arbeiten wir. Die Reden des Papstes sind wichtig und gehaltvoll, aber lang. Im Social Web braucht es knappere Formate.
Es braucht vor allem Dialog, die Kirche aber predigt ja bekanntlich gerne.
Tighe: Zugegeben, Predigten sind ein wichtiger Bestandteil des kirchlichen Alltags. Aber vergessen Sie nicht: Zur Seelsorge gehört im selben Maße der Austausch mit den Gemeindemitgliedern. Dialog ist in der katholischen Kirche also keineswegs ein Fremdwort. Social Media verlangt eine eigene Sprache, einen anderen Stil der Kommunikation - weniger Worte, mehr Bilder. Künftig wollen wir unsere Tweets da flexibler gestalten.
Hat Sie die Schärfe manch kritischer Stimmen überrascht?
Tighe: Teil des Geschehens in Social Media sind kritische, oft auch überzogene Kommentare. Das ist die Realität, leider. Und die darf einen nicht schrecken. Viel wichtiger sind die positiven Auswirkungen. Rund um den Globus folgen Bischöfe dem Beispiel des Papstes und fangen an zu twittern. Gläubige finden im Internet zusammen zum gemeinsamen Gebet. Katholiken in aller Welt, nicht zuletzt in Regionen, in denen sie nur eine Minderheit darstellen, treten in Kontakt zur weltweiten Gemeinde und entkommen so ihrer Isolation.
Interview: Martin Bell / Nico Kunkel