Die Mär von der Partnerschaft zwischen PR und Journalismus
"Wir sitzen doch im selben Boot", "Ich kann Sie ja verstehen, wissen Sie, ich bin ja auch Journalist", es vergeht kaum ein längeres Telefonat zwischen Pressesprechern und Journalisten, in dem nicht nach ein paar Minuten solche oder ähnliche Sätze fallen. Doch ist das so? Es gibt Formen des Journalismus, bei denen das tatsächlich sein kann. Plant eine überregionale Zeitung eine große Reportage über den Boom von Kreuzfahrten etwa, dann ist die Geschichte im Interesse der Reederei. Und beide, Journalist und Pressesprecher, haben ein gemeinsames Interesse, eine spannende Reise für den Zeitungskollegen zu organisieren, die ihn die Faszination solcher Reisen erlebbar macht. Nur: Mit investigativen Journalismus hat das nichts zu tun. Man könnte darüber streiten, ob es überhaupt etwas mit Journalismus zu tun hat.
Völlig andere Interessen
Pressesprecher müssen, wenn sie es mit investigativem Journalismus zu tun haben, leider damit rechnen, dass sich der recherchierende Journalist am Ende als so gar nicht "kollegial" erweist. Dass er rücksichtslos mit den Interessen seines Gegenübers umgeht und sich schon gar nicht darum schert, ob seine Berichterstattung der Karriere des "Kollegen" schadet oder nutzt. Pressesprecher sind dann gerne persönlich beleidigt, wenn ihre Umarmungsstrategie nicht zum gewünschten Erfolg geführt hat.
Aber wie kommt man überhaupt auf die Idee vom gemeinsamen Boot? Natürlich gibt es eine große Anzahl von Sprechern, die einst selbst Journalist waren oder zumindest das Handwerk des Journalismus gelernt haben. Inzwischen arbeiten in Deutschland mehr Menschen publizistisch im PR-Bereich als im Journalismus. Oberflächlich betrachtet ist der Abstand zwischen beiden Professionen geschrumpft: Die PR-Branche hat sich in den vergangenen Jahren professionalisiert, ist deutlich kreativer und selbstbewusster geworden. Deutlich wurde das zuletzt an der Kampagne von "Wiesenhof", die sich nicht darauf beschränkte, zu versuchen die kritische Berichterstattung von Report Mainz zu verhindern, sondern gleichzeitig versuchte, die Öffentlichkeit für ihre Sicht der Dinge zu gewinnen - eigener YouTube-Channel inklusive. Nur: Wer Texte verfasst, publiziert, Filme produziert, ist - selbst wenn er sein Handwerk beherrscht - noch lange kein Journalist.
PR und Journalismus sind keine Partner und waren es nie. Zu behaupten man sitze in "einem Boot" ist ungefähr so, wie wenn man behaupten würde, Staatsanwälte und Strafverteidiger sitzen in einem Boot, nur weil beide sich des juristischen Handwerks bedienen. Sie vertreten grundsätzlich entgegenlaufende Interessen. Die Rolle des Richters nimmt dabei die Öffentlichkeit ein.
Pressesprecher und PR-Agenturen werden dafür bezahlt, die Interessen des Unternehmens zu vertreten, das sie bezahlt. Sie sind dabei letztlich nicht einmal der Wahrheit verpflichtet. Wahrheit kann nützlich sein - muss sie aber nicht. Für das Unternehmen unbequeme Wahrheiten zu verschweigen ist vollkommen legitim - Lügen nicht grundsätzlich verboten, es sei denn das Risiko ist zu hoch, erwischt zu werden.
Journalisten sind unabhängig. Dieser Satz sorgt bei Pressesprechern oft für ein höhnisches Gelächter. "Und die Rundfunkräte?" "Und erst die großen Anzeigenkunden!" Also doch alle im selben Boot? Klar ist: Auch die Arbeit von Journalisten ist bedingt. Zuallererst natürlich vom Interesse seines Publikums. Und natürlich gibt es ein wirtschaftliches Interesse des Medienunternehmens, das den Journalisten beschäftigt, bestimmte Quoten oder Auflagen zu erreichen. Und dennoch sind Journalisten inhaltlich unabhängig: Wenn sich ein Journalist mit einem Unternehmen beschäftigt, dann tut er das in der Hoffnung, eine interessante Geschichte zu recherchieren und eben nicht weil er von seinem Redakteur dazu beauftragt ist, einem bestimmten Wirtschaftsunternehmen oder einer Branche wirtschaftlich zu schaden oder zu nutzen. Wenn sich Report Mainz mit Wiesenhof, der Deutschen Bank oder Amazon beschäftigt, dann deshalb, weil es einen hinreichenden Anfangsverdacht für ein Fehlverhalten gibt. Es könnten genauso gut andere Firmennamen sein - die Entscheidung, wer Gegenstand eines Berichtes wird, ist nicht nur in der Theorie sondern auch in der Praxis frei von wirtschaftlichen Interessen.
Bedeutung für die Praxis
Die Erwartung von "Solidarität unter Kollegen" ist im professionellen Verhältnis zwischen Journalisten und Pressesprechern fehl am Platz. Beide Seiten sind zuallererst ihrem Auftrag verpflichtet. Wer als Pressesprecher erwartet, von den "Kollegen" geschont zu werden, geht von einem falschen Rollenverständnis aus. Dies gilt übrigens gleichermaßen für Journalisten, die glauben, Pressesprecher vertreten neben den Interessen ihres Auftraggebers journalistische Ideale. Das bedeutet nicht, dass man nicht fair miteinander umgehen kann. Im Gegenteil: Ein klarer und von falschen Erwartungen unverstellter Blick auf die Rolle des anderen macht gegenseitigen Respekt erst möglich. Beleidigtsein hingegen ist unprofessionell.
Adrian Peter ist CvD bei der SWR-Sendung Report Mainz. Seine neun weiteren Thesen stellen wir in loser Reihe vor und freuen uns über Kommentare! #petersthesen