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News / Ethik im Schatten – Ein Streitgespräch
12.06.2007   News
Ethik im Schatten – Ein Streitgespräch
 
Zwei Jahrzehnte Deutscher Rat für PR – na und? Der Vorsitzende Horst Avenarius im Gespräch mit Patrick Hacker, Absolvent des PR-Studienganges an der Uni Leipzig. Über Ethik, Zeiftenster und
Patrick Hacker: Herr Dr. Avenarius, herzlichen Glückwunsch zum 20. Geburtstag des Deutschen Rats für Public Relations.Horst Avenarius: Danke, Herr Hacker. Hätten Sie uns vor einem Jahr nicht auf das Jubiläum aufmerksam gemacht, wäre es wahrscheinlich übersehen worden.Hacker: Nun, das hätte ins Bild ge­passt, das sich mir als Berufseinsteiger heute aufdrängt: Die ersten zehn Jahre des DRPR wurden verschlafen, und noch heute weiß man in der Branche zu wenig über den Rat. Klar scheint jedenfalls: Der Impuls zur Gründung einer Instanz zur Selbstkontrolle kam nicht, wie in anderen Branchen, durch ein drohendes Regulierungsgesetz. Mir scheint vielmehr, es ging in den 80-er Jahren eher darum, die Position von PR in Wirtschaft und Politik zu finden und sich deutlich von der Werbebranche abzugrenzen. In einer Pressemitteilung vom 21. April 1987 heißt es: "DPRG und GPRA hoffen, dass durch die Arbeit des Deutschen Rats für Public Relations das Ansehen der Öffentlichkeitsarbeit in unserem Lande gestärkt wird." Avenarius: Noch ein Jahr später, bei der Mitgliederversammlung der DPRG 1988, spielte der Rat überhaupt keine Rolle, war fast nicht existent. Der Vorsitzende Friedrich von Friedeburg hat nicht sehr viel Aufhebens von dem Rat gemacht, weil er annahm, Ratsfälle würden das Ansehen der Zunft beschädigen. Heute wissen wir: Das Gegenteil ist der Fall. Kritisch für das Ansehen der Zunft sind einige Ehrenratsfälle unseres Verbandes gewesen, nicht jedoch die Spruchpraxis und die Richtlinienarbeit des DRPR.Hacker: Mitte der 90-er wurde der Rat reanimiert. Es wurden Rügen aus­gesprochen. Aber ich frage mich wirklich: Wen hat das ernsthaft je  interessiert? Die Rügen werden offenbar von Journalisten kaum beachtet und quittiert.Avenarius: Doch. Es wird von Anfang an darüber berichtet, wie über Presseratsrügen oder Werberatsrügen berichtet wird, nämlich ziemlich sachlich und ohne einen Schlenker, der uns in einem schlechten Licht erscheinen ließe. Das hatte ich auch immer so erwartet. Wenn innerhalb einer Zunft Selbstkontrolle zu Selbstreinigung führt, kann das nur gut sein.Hacker: Dann frage ich mich, warum es gerade in jüngerer Zeit zu mehreren größeren Artikeln gekommen ist - ich habe konkret den "Spiegel" oder die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" im Kopf -, die PR-Leute als Propagandisten, Wahrheitsverdreher und mysteriöse Strippenzieher darstellen. Da hat sich der DRPR in der Wahrnehmung der Journalisten doch kein bisschen durchgesetzt.Avenarius: Es stimmt, dass wir uns gegenüber den Journalisten nicht durchgesetzt haben. Viele von ihnen hegen alte Vorurteile, das führt zum Teil zu solchen Artikeln. Es ist typisch, dass dann Uraltfälle ausgegraben werden. Es gibt immer mal wieder einen solchen Rundumschlag gegen die PR-Branche. Das ist anscheinend nicht zu vermeiden.Hacker: Kann es denn sein, dass die Ratsarbeit so wenig beachtet wird, weil die Entscheidungen so spät fallen, Rügen und Richtlinien mit Verzögerung veröffentlicht werden? Die Geschwindigkeit hinkt der Medienlogik hinterher. Das Zeitfenster der öffentlichen Aufmerksamkeit wird in der Regel nicht genutzt, die branchenkritischen Anlässe sind längst vom Tisch, wenn sie vom DRPR wieder aufgewärmt werden.Avenarius: So arbeiten die anderen Räte auch, leider zwangsläufig. Ich habe im Herbst 2006 gemeinsam mit einem Vertreter des Presserats auf einem Podium in Berlin gesessen. Er wurde - wie ich - wegen der späten Spruchpraxis kritisiert. Und er sagte das gleiche wie ich: Wir müssen sorgfältig prüfen. Ich kann es mir gar nicht leisten, eine vage Beurteilung oder ein vages Statement herauszugeben. Nein, eine gewissenhafte Prüfung ist wichtiger als ein Zeitfenster. Das ist schon so in Ordnung.Hacker: Ich sehe ein Problem darin, dass der Zugang zur PR frei ist und die Branche in Deutschland einen sehr niedrigen Organisationsgrad hat. Die meisten, die in der PR ar­beiten, zeigen sich indifferent oder desinteressiert gegenüber allem "Ständischen", auch gegenüber dem PR-Rat.Avenarius: Bis sie an den Hammelbeinen herangezogen werden. Es gibt  etliche, die da frei herumstrampeln und sich möglicherweise da und dort daneben benehmen. Aber wenn sie auffällig werden, wenn wir sie vor den Rat zitieren können, beziehungsweise uns damit befassen können, dann beginnen sie - und das habe ich schon hin und wieder erlebt - sich doch nach den Normen unseres Berufsstandes zu richten.Hacker: Ich bestreite das nicht in Einzelfällen, aber in der Masse. Ich glaube, dass ein Teil der - nennen wir es - Unsicherheit in Bezug auf Ethik daher rührt, dass dieses Thema mangelhaft bis gar nicht in die PR-Ausbildung integriert ist. Von einer "Profession" Public Relations kann meiner Meinung nach nur gesprochen werden, wenn Ethik, wissenschaftliche PR-Reflexion und universitäre PR-Ausbildung als normal angesehen werden, nicht als exotische Besonderheiten.Avenarius: Wenn Sie darauf abheben, ob der Nachwuchs für ethische Probleme sensibilisiert wird: Das hat sich in den letzten zehn Jahren gewaltig verbessert. Die Lehrstühle bei Ihnen  in Leipzig gehören dazu. Ich selbst habe dort Blockseminare über Ethik gehalten.Hacker: Ja, kein Leipziger PR-Absolvent kommt an den Standesregeln vorbei. Aber unabhängig von einem Mangel anderswo in der Fläche sehe ich ein großes Problem: Es gibt so viele verschiedene Kodizes, die kann doch kein Mensch komplett im Kopf haben.Avenarius: Doch, mit den sieben Selbstverpflichtungen (zu beziehen über die DRPR-Website, Anm. d. Red.) -  da steht alles drin. Das alles kann man auf die unterschiedlichen individuellen Fälle runterbrechen. Der Rat hat ergänzend im Laufe der Jahre spezifische Verhaltensrichtlinien vorgelegt, beispielsweise zur Erfolgshonorierung, zu Lobbyarbeit, Ad-hoc-Publizität, Placement und Schleichwerbung.Hacker: Ich bleibe dabei: Es gibt viele Kodizes. Es gibt den deutschen Pressekodex. Warum gibt es nicht den deutschen PR-Kodex, den jeder PR-Praktiker als Booklet in seinem Schreibtisch haben kann?Avenarius: Wissen Sie, wie umfangreich, wie wortreich der Pressekodex ist? Außerdem haben die Journalis­ten noch den Code de Bordeaux. Muss ich das alles im Kopf haben? Nein! Genauso wenig wie man das Bürgerliche Gesetzbuch im Kopf hat. Es gibt ja auch eine Form des mora­lischen Gewissens in jedem Berufsstand, wo man im Grunde genau weiß, was man machen darf und was nicht. Im Zweifelsfall sollte man nachschauen. Und genau dafür sind diese Normentexte geeignet.Hacker: Ich glaube aber immer noch an die Wirkung des Einfachen, des einen deutschen PR-Kodex als unmissverständliches Regelwerk. Das könnte ja aus einem Normen- und  einem Erklärungsteil bestehen. Dann wäre alles unter Dach und Fach. Der Erklärungsteil könnte situationsbezogen ergänzt, erweitert oder sonstwie verändert werden. Avenarius: Die große Wirkung möchte ich anzweifeln. Und über die genannten Kodizes hinaus gibt es ja auch noch Kodizes einzelner Unternehmen oder PR-Agenturen. Hacker: Mein Fazit: Ich finde es schade, dass die Spruchpraxis des Rates, ja seine Existenz in der Fachöffentlichkeit nicht die Beachtung findet, die Ihrer Arbeit und der Ihrer Ratskollegen gebührt. Als junger Mensch in diesem Berufsfeld sage ich: Danke für die vielen Stunden, die Sie dem Ansehen der PR-Zunft widmen.Avenarius: Und ich sage: Danke für das Interesse an unserer Arbeit.

Hintergrund: Deutscher Rat für Public Relations (DRPR)
Das 1987 gegründete Gremium wird getragen von der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), der Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA), dem Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) sowie - seit Mitte Mai 2007 - der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (degepol). Er hat kommunikatives Fehlverhalten gegenüber Öffentlichkeiten zu ahnden und ist laut <media 73 - download>Selbstdarstellung</media> eine dem Presserat und dem Werberat vergleichbare Institution der freiwilligen Selbstkontrolle. Wie die anderen Räte spricht er öffentliche Rügen und Mahnungen aus, erlässt Verhaltensrichtlinien und nimmt "zu kommunikativen Fehlentwicklungen in der Öffentlichkeit Stellung".

Mitglieder: Dr. Horst Avenarius (Vorsitzender) , Jürgen Pitzer (Stv.), Matthias Rosenthal (Stv.), Dietrich Schulze van Loon, Ulrich Nies, Lars Großkurth, Prof. Dr. Günter Bentele, Dr. Michael Reuter, Dr. Thomas Gauly, Stephan M. Cremer, Manfred Piwinger, Monika Prött, Thomas Ellerbeck, Klaus-Peter Johanssen, Heiko Kretschmer, Josef Leis, Hans-Peter Maier, Helmut v. Stackelberg, Heike Zirden.


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