Neues von der Pitch-Front
Die GPRA versucht sich an einem heiklen Dauerbrenner
Sie ist eine meiner Lieblingsgeschichten aus der PR-Szene – insofern Sorry an alle, die sie schon mal gehört oder gelesen haben; ich mach’s auch ganz kurz. Es war einmal ein bajuwarischer Agenturinhaber auf der Suche nach Kunden. Weil Wettbewerbspräsentationen für Agenturen mit viel Aufwand und unsicherem Ausgang verbunden sind, ergänzte er seine Verkaufsbemühungen um einen weitere Methode: Er legte sich einen Draht zu jemandem bei einer bekannten Fluggesellschaft und mietete sich gezielt in der Business Class neben dem Vorstandschef eines Unternehmens ein, das gerade einen Pitch ausgeschrieben hatte. Mit dem CEO kam der Berater über den Wolken dann natürlich rein zufällig jovial ins Gespräch. Nach der Landung verspürte der Unternehmenslenker ein unstillbares Bedürfnis, mit genau dieser Agentur zusammenzuarbeiten – der Pitch geriet zur Makulatur, übrigens auch zur Verwunderung des Kommunikationsmanagers der Firma, der eine ganz andere Agentur favorisierte.
Ich weiß nicht, ob die Story genau so stimmt, aber sie könnte durchaus wahr sein. Noch immer entscheiden häufig Vitamin B oder die persönlichen Präferenzen von Geschäftsführern oder PR-Chefs im Clubsessel über die Auswahl der „richtigen“ Kommunikationsberatung. Mindestens ebenso verbreitet ist die Unsitte, Wettbewerbspräsentationen nicht zu vergüten, und sei es auch nur symbolisch. Zwar beteuern etliche Agenturchefs, sie machten in solchen Fällen aus Prinzip nicht mit, aber die Dunkelziffer ist hoch.
Powerpoint vor schlafendem Publikum
Auch formalisierte Vergabeverfahren garantieren nicht, dass alles rund läuft. Welcher Berater erinnert sich nicht schmerzlich an Powerpoint-Karaoke vor einem überdimensionierten, mutmaßlich unqualifizierten und sichtbar tief schlafenden Entscheidergremium, das sich am Fließband einen Bewerber nach dem anderen reinzieht!
Schlimm für die beteiligten Dienstleister, die Zeit und Geld in Wettbewerbspräsentationen investieren, ist es zum Beispiel, wenn der Kunde nicht weiß, was er will – und in welcher Form. Neulich in Hamburg: Ausschreibung der Nachbarschaftszeitung eines großen Unternehmens. Man wolle explizit ein neues Konzept für das Blättchen, hieß es. Am Start: eine durchaus professionelle, transparent und fair agierende Einkaufsabteilung (Ja, auch das gibt es; dies sei der Agenturseite an dieser Stelle zugerufen!). Nach dem knapp terminierten Einsendeschluss wochenlange Funkstille. Aus heiterem Himmel wurden dann einige Bewerber aufgefordert, ihre Einreichung binnen 48 Stunden entlang eines komplexen Fragenkatalogs noch einmal aufzudröseln. Auf den Hinweis, das Raster hätte man ja auch von vornherein vorgeben können, bekam ein Aspirant zu hören: Stimmt, man sei jetzt auch schlauer… Am Ende bekam übrigens der jahrelange Alt-Etathalter den Job.
Richtig so: sachliche Aufklärung
Das Lamento der Agenturszene über Charakter und Verlauf von Pitches ist so alt wie die Branche. Immerhin: Seit ein paar Wochen wedelt der Agenturverband GPRA mit einem „Wegweiser“ für werdende Kunden, die einen Kommunikationsauftrag zu vergeben haben. Der 28-Seiter ist unverschnörkelt und sachlich geschrieben und enthält, neben einem Seitenhieb auf „Pitchberater“, eine Menge nützlicher Hinweise zu Auswahlverfahren, Agenturgesprächen und Bewertungskriterien. Die Verfasser tun gut daran, der Kundenseite nicht etwa Überheblichkeit oder die Absicht des Ideenklaus zu unterstellen sondern schlicht fehlende Erfahrung im Umgang mit (PR-)Agenturen.
Natürlich wird auch in Zukunft so mancher PR-Auftrag in der Business Class oder auf dem Golfplatz seinen Inhaber wechseln. Aber eine Fibel, die sich vor allem an Mittelständler richtet, war überfällig – so basal und eigentlich selbstverständlich die dort genannten Stichpunkte auch klingen mögen. Die Initiative ist nicht der Kampf einiger naiver Aufrechter im Markt, sondern kann ein Baustein sein für die weitere Professionalisierung des PR-Geschäfts und die Entzauberung tradierter Klischees von ahnungslosen Einkäufern, planlosen Entscheidern und windigen Akquisiteuren.
Sebastian Vesper ist Editorial Director von Haymarket Deutschland. Von 1997 bis 2009 war er Chefredakteur beim PR Report.