Mitte Oktober, kurz nach Ende der Semesterferien, bereiste Mario Köpers (Foto), Leiter Unternehmenskommunikation Tui Europa Mitte, Leipzig und eröffnete die
LPRS-Veranstaltungsreihe WissenschafftPraxis. Als Thema im Gepäck: "160 Stunden Krisenkommunikation - wie Tui die größte Rückholaktion der Konzerngeschichte kommunizierte". Im Kurz-Interview spricht Köpers darüber, wie ihm damals, im April 2010, der isländische Vulkan Eyjafjallajökull beinahe den Schlaf raubte.
Herr Köpers, wie wir uns alle erinnern können, sorgte der Vulkanausbruch und die damit entstandene Aschewolke für einen kompletten Stillstand des Flugverkehrs in Europa. Inwieweit waren Sie und Ihre Abteilung der Unternehmenskommunikation von dieser Naturkatastrophe betroffen?
Mario Köpers: Wir waren natürlich unmittelbar betroffen, da die Öffentlichkeit ein starkes Interesse daran hatte, zu erfahren, was die Tui für ihre gestrandeten Kunden tut. Das Ausmaß des öffentlichen Interesses lässt sich ganz gut in Zahlen darstellen. Innerhalb von drei Tagen trafen in der Pressestelle 300 Medienanfragen ein, es wurden 50 Radio- und TV-Interviews organisiert und 19 Presseinformationen herausgegeben.
Welche Strategie sind Sie gefahren, um die Krise kommunikativ zu bewältigen? Gab es eine Art Leitfaden für derartige Krisen?
Köpers: Grundsätzlich gibt es bei uns einen Krisenstab, der unmittelbar zusammengerufen wird, wenn eine Krise im Entstehen ist. Darüber hinaus
verfügen wir über ein Krisenhandbuch, in dem jeder Krise ein entsprechender
Farbcode und damit verbundene Maßnahmen zugeordnet sind. Der Leiter des
Krisenstabs ist mit einem großen Entscheidungs- und Handlungsspielraum
ausgestattet. Anders ist es auch nicht möglich, auf die sich mitunter stündlich
ändernde Sachlage zu reagieren. Es wird deutlich, dass alle Mitglieder in
diesem Stab großes Vertrauen von Vorstandsseite genießen. Eine der
wichtigsten Botschaften, die wir als Pressestelle platzierten, war: "Tui ist
kulant und stellt das Wohlbefinden ihrer Gäste über alles". Strategisch galt es
schnell, offen, transparent und aus einer Hand zu kommunizieren.
Also konnten Sie auch bei dieser Krise auf das Krisenhandbuch zurückgreifen?
Köpers: Nein, nicht wirklich. Das Drehbuch für diese Krise war bis dato noch nicht geschrieben. Ich habe unseren Krisenstab noch nie so ratlos erlebt, wie in
diesem Moment. In den vorherigen Krisen konnte man immer irgendwie
reagieren. Bei der Aschewolke war das anders, es ging einfach nichts. Der
Flugverkehr stand komplett still und wir brauchten dringend einen Plan, um
unsere Kunden trotzdem zurück nach Deutschland zu holen.
"Die größte Rückholaktion der Konzerngeschichte". Wie konnte das funktionieren?
Köpers: Durch maximale Kulanz, Übernahme aller Hotelkosten, eine Luftbrücke von Mallorca nach Barcelona, Buskonvois nach Deutschland und einen
kontrollierten Sichtflug – nur einige Beispiele dafür, wie wir das meistern
konnten.
Haben Sie in den drei Tagen geschlafen? Wie stark beeinflusst eine derartige Krise das Privatleben?
Köpers: Der Schlaf reduziert sich ehrlich gesagt auf wenige Stunden. Es ist natürlich nicht leicht, herunterzufahren und abzuschalten. Ein paar Tage hält man das durch, aber hätte die Krise länger gedauert, wäre es schon problematisch geworden. Aus diesem Grund habe ich mich dann auch relativ zeitig entschieden, einen Schichtbetrieb einzuplanen. Man muss auch sehr stark auf banale Dinge wie Essen und Trinken achten.
Was haben Sie aus der Krise gelernt?
Köpers: Wir haben gelernt, dass soziale Netzwerke in solchen Krisensituationen Gold wert sein können. Wir waren zu dem Zeitpunkt leider noch nicht in der Lage, sie zu bespielen. Eines unserer Ziele ist es daher auch, unser Social-Media-Team weiter auszubauen und Prozesse zu etablieren, damit weite Teile von Tui "social" werden. Das wird auf jeden Fall in den nächsten Jahren passieren.
Was macht Sie zu einem krisenrobusten Kommunikator, zu einem sinnbildlichen Fels in der Brandung?
Köpers: Grundsätzlich ist es sicher sinnvoll, wenn man ein ausgeglichener, ruhiger Typ ist. Cholerische Menschen tun sich damit sicherlich deutlich schwerer. Zum Ausgleich mache ich viel Sport wie Joggen, Fahrradfahren, Skifahren, Tennis und Tischtennis. Das hat auch nicht nur was mit Krisen zu tun. Der Job als Pressesprecher ist ja grundsätzlich eher ein stressiger Beruf.
Rückblickend auf ihre bisherige Karriere: Was war die größte Herausforderung, die Sie meistern mussten?
Köpers: Die größte Herausforderung war für mich der Terroranschlag auf Djerba, da Tui damals ja exklusiv davon betroffen war, und auch die Tsunamikatastrophe in Südostasien aufgrund ihrer verheerenden Dimension.
Vielen Dank, dass Sie Gast des LPRS waren und uns Rede und Antwort
standen. Wie hat Ihnen Ihr Besuch in Leipzig und bei den PR-Studenten gefallen?
Köpers: Da mir der Verein bereits aus einschlägigen Branchenmedien bekannt war und der Fachbereich sowie die Vereinigung einen exzellenten Ruf haben,
freute ich mich sehr auf die Veranstaltung. Zudem war ich sehr begeistert über
die Professionalität, mit der Sie arbeiten. Mein Eindruck vor Ort hat sich nur
bestätigt.
Interview: Franziska Brachvogel, Studentin Master Communication Management, Universität Leipzig