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01.10.2012   News
"Transparenz statt Herrschaftswissen"
 
Der Social-Intranet-Berater Lutz Hirsch hat für die Studie "Social Intranet 2012" Kommunikationsprofis zum Thema Social Intranets befragt. Im Interview berichtet er, welche Vorteile diese Kommunikations-Infrastruktur haben kann, welche Vorbehalte aber bei mittelgroßen Unternehmen noch bestehen.

Herr Hirsch, in der Studie "Social Intranet 2012" haben Sie erstmals 289 Presseverantwortliche in deutschen Unternehmen über Intranet-Einsatzformen befragt und welche Bedeutung dabei soziale Funktionen haben. Welche Bedeutung haben Social Intranets für sie persönlich heute und morgen für die interne Kommunikation?

Lutz Hirsch: Aus meiner Sicht eine ganz entscheidende. Sie schlagen die Brücke zum neuen eher auf Kommunikationsschnipseln und Interaktion basiertem Kommunikationsverhalten der digitalen Generation. Noch nie war die Schere zwischen eingeführten Medien wie zum Beispiel der Mitarbeiterzeitung und den neuen gelernten Intranet-Standards wie Facebook und Twitter so groß wie heute. Das Social Intranet hilft hier, diese Zielgruppe nicht zu verlieren. Die Bedeutung wächst mit dem anstehenden Generationenwechsel und dem Einstieg der heutigen Absolventen in die Unternehmen.

Im Gegensatz zu großen und kleinen Unternehmen spielt das Intranet in Unternehmen mit 2.500 bis 10.000 Mitarbeitern laut Ihrer Studie aber noch eine unterproportional kleine Rolle. Was können die Gründe hierfür sein?
Hirsch: Ja, das ist ein interessanter Befund. Man vermutet ja, dass gerade diese Unternehmen die wirtschaftliche und personelle Kraft haben, digitale Innovationen zu nutzen und durch flache Hierarchien viel schneller umzusetzen als große Konzerne. Aber das Gegenteil scheint der Fall zu sein. Das Intranet wird nicht als geschäftsstützende Plattform gesehen und daher vernachlässigt. Hier überwiegt eben der Anspruch: Die Mitarbeiter sollen arbeiten und nicht surfen!

Etwa ein Drittel der Befragten nutzt bereits soziale Funktionen in ihrem Intranet wie zum Beispiel Foren, Umfragen oder Kommentarfunktionen. Wie beurteilen Sie dieses Ergebnis?
Hirsch: Erst einmal sehr positiv, da 'social' in den Unternehmen für die interne Kommunikation angekommen zu sein scheint. Differenziert man nach den einzelnen Funktionen führt mit über 40 Prozent klar die Kommentarfunktion. Die "High End"-Funktionen Microblogging, Networking und Rating sind hier noch mit maximal 20 Prozent eher in den Startlöchern. Unternehmen scheinen sich vorsichtig dem Thema zu nähern und wollen die Mitarbeiter nicht mit Funktionen überfordern.

Collaboration Management, also die Verbesserung der Teamarbeit und des Wissenstransfers, steht ganz oben auf der Liste der Zielsetzung von Social Intranets bei Unternehmen. Worin bestehen hier die konkreten Vorteile aus kommunikativer Sicht?
Hirsch: Hier beobachten wir in unseren Projekten zwei Strömungen. Zum einen arbeiten die Mitarbeiter in Unternehmen mehr und mehr projektorientiert und fordern eine adäquate virtuelle Arbeitsumgebung ein. Viele kennen aus dem Studium und dem privaten Umfeld Google Docs, Skype und diverse Plattformen für das Projektmanagement. Ähnliche Lösungen werden auch im Unternehmen erwartet. Wir stellen fest, dass Projekte mit diesen Tools viel effizienter arbeiten und schwierige Situationen gerade auch durch die neuen transparenten Kommunikationsmittel viel besser bewältigt werden. Wichtige Informationen landen nicht mehr per Mails in persönlichen und damit für andere unerreichbaren Postfächern, sondern werden auf Messaging Boards gepostet und für alle sichtbar und nachvollziehbar hinterlassen. Transparenz statt Herrschaftswissen, Problemlösung statt Taktieren - das ist die Art der Offenheit, mit dem auch die Unternehmenskommunikation umgehen muss.

Die zweite Strömung betrifft die Erkenntnis, dass Wissen nicht formalisiert über Dokumente verbreitet werden kann, sondern immer zwischen Menschen ausgetauscht wird. Virtuelles Networking analog zu Xing oder Facebook hilft, Wissensträger schneller zu finden und Erfahrungen auszutauschen. Wir kennen Beispiele, da haben Mitarbeiter über Monate vergeblich versucht auf klassischem Weg mit Kollegen in Kontakt zu treten und sind dann über eine einfache Statusmeldung 'Bin morgen im Zug nach Essen' spontan von dem gesuchten Experten ins Bordbistro eingeladen worden. Besser geht’s doch nicht!

Nutzer von Social Intranets sind laut Ihrer Umfrage potenziell zufriedener als Nutzer eines klassischen Intranets. Was sind die Hauptgründe dafür?
Hirsch: Das liegt klar an der einfacheren und intuitiveren Oberfläche dieser Lösungen. Die Technologie orientiert sich an den gelernten Internet-Standards und trifft so auf eine deutliche höhere Akzeptanz. Es macht einfach mehr Spaß, mit diesen Plattformen zu arbeiten. Mitarbeiter lieben es auch, sich endlich kommunikativ einbringen zu können und fühlen sich mehr geschätzt.

Das Thema Change Management wird immer wieder im Zusammenhang mit einer erfolgreichen Einführung von Social Intranets genannt. Warum?
Hirsch: Oh, ein ganz, ganz wichtiger Punkt. Die Begleitung von Veränderungen wird leider immer wieder vernachlässigt. Mit dem Social Intranet ergeben sich ganz neue Optionen, wie mit Informationen, Dateien und Kommunikation umgegangen werden kann. Schicke ich jetzt die Datei als Anhang, oder doch lieber den Link auf die Datei in der virtuellen Ablage? Schreibe ich jetzt eine Statusmeldung oder informiere ich mein Team über den klassischen Mail-Verteiler? Das sind ganz einfache Beispiele, die aber zeigen, dass Mitarbeiter immer wieder in den neuen Möglichkeiten gecoacht werden müssen. Passiert das nicht, werden einfach alte Kanäle weiter genutzt. Das Social Intranet ist dann nur noch ein weiterer Baustein zur Informationsüberflutung. Und die will man ja vermeiden.

Immerhin 24 Prozent der Führungskräfte steuern laut Ihrer Umfrage überhaupt keine Inhalte zum Intranet bei. Wie beurteilen Sie das?
Hirsch: Meiner Erfahrung nach haben die heutigen Führungskräfte einfach ein völlig anderes Arbeitsprofil. Sie reisen, sitzen in Besprechungen und auf Podiumsdiskussionen und lassen sich von Ihren Assistenten alle nötigen Informationen mundgerecht aufbereiten und ausdrucken. Da ist keine Zeit und auch kein Bedarf selbst in den digitalen Kommunikationsstrom einzutauchen. Das wird sich aber ändern. Der Nachwuchs hat gelernt, wie man mit den neuen Medien sich informiert und auch Führungsaufgaben erfüllen kann. Man ist über ein Social Intranet ja viel enger am Team und seinen Mitarbeitern. Einer unserer Kunden hat das auch als eines der Projektziele definiert: Die Führungskräfte durch das Social Intranet näher an die Mitarbeiter zu bringen!

Die Kosten für die Einführung eines Social Intranets werden in ihrer Studie auf bis zu 100.000 Euro bei mittleren Unternehmen und bis zu einer Million bei Konzernen beziffert. Welche Faktoren setzen Sie für eine Amortisationsrechnung ein und ab wann oder für wen lohnt sich eine solche Investition?
Hirsch: Eine sehr heikle Frage, da ein Social Intranet immer auch eine Kommunikations-Infrastruktur ist und als solche eher zu den Allgemein-Kosten zugeschlagen wird. Man kann gerade bei der Unterstützung der Projektarbeit Effizienzen rechnen und hier zum Beispiel schnellere Projektlaufzeiten und verminderten Kommunikationsaufwand nachweisen. Anders betrachtet muss man auch analysieren, was passiert, wenn ich kein Social Intranet einführe. Kann ich dann die High Potentials im Unternehmen halten? Ist der Arbeitsplatz dann überhaupt noch attraktiv? Hier liegen viele indirekte Kosten versteckt, die viele Unternehmen mittlerweile auch erkannt haben und in solche Rechnungen einbeziehen.

Lutz Hirsch ist Namensgeber und Executive Partner der Hamburger Agentur Hirschtec mit dem Schwerpunkt Social Intranet. Mit einem zehnköpfigen Team betreut er Kunden wie Beiersdorf, E.ON oder die Otto Group. Die von Hirschtech und der Berliner School for Communication and Management (SCM) gemeinsam erstellte Studie "Social Intranet 2012" kann hier kostenpflichtig bestellt werden. Interview: Oliver Hein-Behrens
 

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