Snipe: Der verbuddelte Schuh
Projekt: Kommunikative Vorbereitung des Produktlaunchs des kompostierbaren Schuhs „Snipe 100“
Aufgabe: Maximalen PR-Effekt erzielen
Kunde: Gabor Footwear, Rosenheim
Agentur: Karkalis PR, Düsseldorf
Die zu Gabor Footwear gehörende Marke Snipe ist eine der wenigen nachhaltigen Schuhmarken. Wir produzieren in Europa, um die Transportwege kurz zu halten. Wir verwenden bei der Produktion so wenig Schadstoffe wie möglich. Und alle Werbemittel lassen wir aus recycelten Materialien herstellen.
Aber wir und speziell Ernesto Segarra, der Gründer der Marke Snipe, wollten noch einen Schritt weiter gehen. Wir wollten einen Schuh entwickeln, aus dem – nachdem er getragen wurde – mehr wird als nur Müll. Deshalb kooperierten wir mit der Universität im spanischen Vigo, und hatten Erfolg: Gemeinsam haben wir es geschafft, den ersten vollkompostierbaren Schuh traditioneller Herstellungsart zu entwickeln.
Die Idee hinter der PR für den Launch des Schuhes war, das Produkt vorab niemandem zu zeigen und gerade deshalb viel Beachtung zu erhalten. Dass dies gelungen ist, zeigten sowohl das mediale Interesse als auch die Verkaufszahlen des Schuhhandels.
Aufgabenstellung
Durch die neue Machart des Schuhs standen wir vor der Aufgabe, den Produktlaunch so zu zelebrieren, dass ein maximaler PR-Effekt entsteht.
„Kompostiert der auch am Fuß?“, wurden wir anfangs sehr oft gefragt. Deshalb entschieden wir uns dafür, den Schuh „Snipe 100“ zu nennen, mit direktem Bezug zum Claim: „100 % haltbar – 100 % kompostierbar“. Der Claim stammt, genau wie das Branding und die Visuals, von unserer Hamburger Designagentur Mutabor. Er soll verdeutlichen, dass der Schuh genauso haltbar ist wie jeder konventionelle Lederschuh. Allerdings mit dem ökologischen Vorteil, rückstandlos kompostierbar zu sein.
Nachdem das Kind einen Namen hatte, entstand intern die Idee, den Schuh nicht wie üblich über Musterschuhe dem Handeln zu präsentieren, sondern den Spannungsbogen maximal auszureizen – indem wir den Schuh niemandem zeigten. Nicht unserem Vertriebsteam, nicht der Presse und schon gar nicht unseren Kunden. Stattdessen sollte der Schuhhandel den Snipe 100 einzig aufgrund seiner Idee kaufen und erst am Tag der Premiere sehen, am 5. September 2012 auf der Schuhmesse GDS in Düsseldorf oder im eigenen Geschäft. Denn der Snipe 100 wurde zeitgleich zum Messeauftritt auch ausgeliefert, so dass er am gleichen Tag am Point of Sale erhältlich war.
Entsprechend wichtig war es, die Händler für den „Blindkauf“ von unserer Idee zu begeistern – durch PR.
Umsetzung
Um die Zielgruppen mit dem richtigen Timing – zuerst den Handel, dann die Verbraucher – zu erreichen, konzipierten wir gemeinsam mit den Fashion PR-Experten von Karkalis PR aus Düsseldorf eine Medien-Dramaturgie in vier Akten:
Akte eins und zwei, Product in use: Am 23. Januar 2012 informierten wir mit einem Presse-Event die Schuhfachpresse über unser Snipe 100-Konzept. Der Schuh wurde – ohne dass jemand ihn sehen konnte – von Ernesto Segarra in einem Komposthaufen vergraben. Die Redakteure erhielten entsprechende Informationen zum Konzept und eine Einladung für den 23. Juli 2012 – dem Termin der Ausgrabung. Diese zweite Fachpresse-Konferenz fand in Hamburg bei Tim Mälzer statt, den wir zwischenzeitlich für das Finale auf der GDS Schuhmesse gebucht hatten. Für das Ausgraben der Schuhreste erhielten wir Zugang zu den heiligen Hallen des TV-Kochs, seinem Fernsehstudio. Die Journalisten waren live dabei, als wir den Komposthaufen umgegraben und in ein Gemüsebeet verwandelt haben und erhielten so den Beweis, dass der Schuh tatsächlich verschwunden ist. Aus dem Kompost entstand ein Gemüsebeet, auf dem wir Tomaten pflanzten, damit Tim Mälzer am 5. September auf der GDS daraus eine Köstlichkeit zaubern konnte. Das Kochen mit den Tomaten sollte den Kreislauf verdeutlichen: Aus dem Snipe 100 wird am Ende nicht (wie üblich) Müll, sondern es entsteht neues Leben. Eine tolle Story, mit der wir auf der GDS Fernsehsender und Tagespresse begeistern können. Bei Printmedien mit Vorlaufzeiten würde dies hingegen nicht funktionieren. Da der Schuh am Tag der Premiere auch im Handel ausgeliefert wird, ist die News für Modemagazine veraltet.
Der dritte Akt, die exklusive Vorpremiere. Deshalb veranstaltete unsere PR-Agentur eine Sneak Preview für Publikums-Magazine, bei denen die Redakteure den Snipe 100 exklusiv als erste sehen durften. Wie bei der Fachpresse luden wir in Tim Mälzers Fernsehstudio ein. Da die Journalisten, anders als die Fachpresse, die Snipe 100 Idee von den vorangegangenen Aktionen noch nicht kannten, nutzen wir verschiedene Videoeinspielungen, um unsere Idee zu verdeutlichen. Die Redakteure erhielten entsprechendes Pressematerial mit Bildern des Snipe 100 und einem Sperrvermerk bis zum Launchtermin.
Der vierte Akt, das große Finale auf der Messe: Zur GDS kommen jede Saison fast 25.000 Besucher, um die Schuhtrends des nächsten Jahres zu sehen und zu ordern. Die Düsseldorfer Messe ist außerdem die einzige Schuhmesse, die sich eine eigene Fashion Shows leistet. Diese Bühne nutzten wir im doppelten Sinne. Als langjähriger Aussteller erhielten wir die Chance, direkt nach der Eröffnungsmodenschau am ersten Tag der Messe um 12 Uhr den Snipe 100 auf dem Catwalk zu präsentieren – zur besten Pressezeit. Das Publikum war gemischt: Neben Journalisten waren auch viele Händler gekommen, um bei der Premiere des Schuhs dabei zu sein. Konzept und Umsetzung der Show übernahm unsere PR-Agentur und für die Moderation konnten wir RTL2-News-Moderatorin Sandra Schneiders gewinnen. Um den Gästen einen tieferen Einblick in die Materie zu geben, erklärte unser Produktexperte Rudy Haslbeck gemeinsam mit Ramón Plana von der Universität in Vigo das Konzept und den Prozess der Kompostierung, während gleichzeitig passende Videoeinspielungen liefen. In den Filmen war der Schuh selbstverständlich nicht zu erkennen. Nach der Theorie folgte die Präsentation des Schuhs. Dieser war am Ende des Catwalks auf einer Säule befestigt und wurde dann von TV-Koch Tim Mälzer enthüllt. Danach folgte eine kurze Modenschau, bei der der Schuh an Models präsentiert wurde. Zum Schluss kochte Tim Mälzer für das Publikum – mit den Tomaten, die wir auf dem Gemüsebeet angepflanzt hatten.
Ergebnisse
Der Snipe 100-Launch war aus verschiedenen Gründen ein Erfolg. Der Handel hat noch positiver reagiert als erhofft: Der Snipe 100 lag am Ende der Saison auf Platz 3 der meistverkauften Schuhmodelle unserer Kollektion. Und das obwohl er als einziger „blind“ eingekauft werden musste. Einen Teil dazu beigetragen haben sicher auch unsere Fachpressekonferenzen. Es gab kein relevantes Medium, das nicht über die Novität eines kompostierbaren Schuhs berichtet hätte, teilweise sogar seitenweise.
Besonders erfreulich verlief auch unsere Pressekonferenz in Hamburg, bei der 19 bundesweite Titel vertreten waren. Darunter „Brigitte“, „Petra“ oder „Men’s Health“. Auch der Modechef der „Cosmopolitan“ folgte unserer Einladung und reiste aus München an.
Das absolute Highlight folgte dann bei der offiziellen Premiere auf der GDS. Neben Berichten in den wichtigsten regionalen Tageszeitungen in NRW wurde der Snipe 100 allein in ARD und ZDF in vier verschiedenen Formaten gezeigt. Ein weiterer Beitrag lief auf RTL 2. Das „Handelsblatt“ berichtete ebenso wie „Die Welt“. Der Jugendsender des Westdeutschen Rundfunks „1Live“ führte ein ausführliches Interview mit Tim Mälzer über den Schuh. Außerdem griff die Fachpresse das Thema in ihrer Messe-Nachberichterstattung auf und „Galileo“ arbeitet derzeit an einer Reportage über die Kompostierung unseres Schuhs.
Der Autor
Heiner Terbuyken leitet seit Mai 2000 Gabor Footwear in Rosenheim als Geschäftsführer. Zuvor war er in der gleichen Funktion für Rieker Schuhe in Tuttlingen und das Schuhhaus Dielmann in Darmstadt tätig.