Vor gut zwei Jahren entdeckte der Hamburger Otto-Versand die Sozialen Netzwerke als Kanal für den Kundenservice. Social-Media-Managerin Kristin Hentschel erzählt, wie es der Konzern schaffen will, jede Anfrage innerhalb von 30 Minuten zu beantworten und warum Otto eine Facebook-unabhängige Service-Community vorbereitet, die spätestens Anfang 2013 an den Start gehen soll.
Frau Hentschel, dürfen wir Sie als Veteranin des Kundenservice bezeichnen?
Kristin Hentschel: Sie dürfen, aber charmanter wäre: bewandert, erfahren, zu Hause im Kundenservice oder was immer das Lexikon für sinn- und sachverwandte Wörter hergibt. Tatsächlich arbeite ich, seit ich vor zwölf Jahren bei Otto anfing, im Kundenservice, bei meinem Einstieg als Teamleitung, seit 2010 als Projektleiterin Social Media.
Wie kommt es, dass Sie sich im Internet bewandert, erfahren, zu Hause fühlen?
Hentschel: Eine Digital Native bin ich nicht, das ist wahr. Aber bevor ich zu Otto ging, war ich im Bereich Online-Marketing tätig. Das verschafft eine gewisse Nähe zum Medium. Ein Xing-Profil habe ich seit 2008, auf Facebook bin ich seit Ende 2009 vertreten. Man könnte also fast sagen: Ich bin eine Social-Media-Veteranin.
Aber es klänge uncharmant.
Hentschel: Nicht wahr?
Schubsen musste Otto Sie demnach nicht in die Projektleitung Social Media Service & Customer Care?
Hentschel: Ganz und gar nicht! Wir haben 2010 systematisches Monitoring eingeführt und parallel begonnen, Facebook und Twitter als Servicekanäle einzusetzen. Aus Sicht des Kundenservice sind Soziale Netzwerke ein spannendes Terrain. Liegt jüngeren Zielgruppen etwas am Herzen, nutzen sie eher Facebook & Co., als dass sie eine Hotline anrufen. Ein Unternehmen wie Otto, für das Kundennähe an erster Stelle rangiert, hat sich dieser Entwicklung zu stellen.
Wie ist das Service-Team für die Herausforderung Social Media aufgestellt?
Hentschel: Die Kolleginnen und Kollegen kennen das Thema Kundenservice nicht nur vom Hörensagen. Sie kommen aus Ottos größtem Call-Center in Neubrandenburg. 150 Leute nehmen sich dort rund um die Uhr der Wünsche und Beschwerden an, die per Telefon und E-Mail eingehen. Mit 25 von ihnen habe ich im vergangenen Jahr eine Social-Media-Schulung durchgeführt. Unser Anspruch ist, jede Anfrage innerhalb von 30 Minuten zu beantworten.
Ist das ehrgeizig?
Hentschel: Durchaus. Schließlich bedienen die Kollegen auch noch die klassischen Eingangskanäle wie Telefon und E-Mail mit ebenso hohem Qualitätsstandard. Dank einer speziell auf unsere Bedürfnisse zugeschnittenen technischen Lösung gelingt uns das bislang sehr gut. Anfragen aus unterschiedlichsten Kanälen erscheinen zentralisiert auf den Bildschirmen der Call Center-Agenten.
Unterscheidet sich der Kundenkontakt im Social Web von dem übers Telefon oder per Post?
Hentschel: Klar, zum einen duzen wir die Community. Das wird Ihnen in unserer Service-Hotline nicht unterkommen, ist in Sozialen Netzwerken jedoch üblich. "Lol", "Rofl", "Yaw" und dergleichen meiden wir, aber der Umgangston ist schon legerer. Zum anderen fällt auf: Auf Facebook äußern Kunden häufiger Lob als am Telefon oder via E-Mail. Während sich Verbraucher sonst oft nur rühren, um sich zu beschweren, halten sie im Social Web offenbar auch das für erwähnenswert, was ihnen gefällt.
Wie und mit wem stimmen Sie Ihre Arbeit ab?
Hentschel: Mit den Kollegen in Mecklenburg-Vorpommern pflege ich stetigen Austausch. Der dortige Leiter Kundenbetreuung und ich besprechen uns regelmäßig, wenn es um Themen, Probleme und Ergebnisse geht. Ich selbst berichte an den Bereichsleiter Vertrieb, der wiederum dem Vertriebsdirektor Bericht erstattet. Und nicht zuletzt halte ich Kontakt zu den rund zwanzig Social Media Managern in unserer Hamburger Zentrale, die sich neben ihren Aufgaben in verschiedenen Abteilungen mit dem Social Web befassen.
Mehr und mehr Unternehmen entdecken den Charme eigener Communities, die von Facebook unabhängig sind. Gehört Otto dazu?
Hentschel: Eigene Communities erweitern den Spielraum, technisch und inhaltlich neue Wege zum Kunden zu beschreiten. Wir denken durchaus auch in diese Richtung.
Kristin Hentschel, 39, ist seit 2000 im Kundenservice des Hamburger Otto-Versands tätig. Als Projektleiterin Social Media Monitoring/Service & Customer Care verantwortet sie seit 2010 die Betreuung von Otto-Kunden über Soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter. Interview: Martin Bell.
Social-Media-Manager: Was sie können, sollen dürfen - ihr Berufsbild ist noch undefiniert. Bislang erschienen Kurzinterviews mit
Thomas Mickeleit (Microsoft Deutschland) und
Jochen Mai (Yello Strom). Zudem stellt Martin Bell acht Social-Media-Manager in der PR Report-Ausgabe September 2012 vor.