Please wait...
News / Wissmach-Insolvenz: Video schafft Vertrauen
Michael Pluta
25.09.2012   News
Wissmach-Insolvenz: Video schafft Vertrauen
 
Projekt: Kommunikation zur Insolvenz des Modeherstellers Wissmach
Aufgabe: Die Kommunikation soll die Sanierung in der Insolvenz unterstützen.
Kunde: PLUTA Rechtsanwalts GmbH
Agentur: relatio PR, München/Berlin


Eine Insolvenz muss nicht zwangsläufig den Untergang einer Firma bedeuten, sie kann auch eine Chance auf Sanierung und einen Neustart eröffnen. Die Kommunikation spielt in diesem Fall eine wichtige Rolle. Schließlich besteht bei Lieferanten und Kreditgebern die Gefahr, dass deren Vertrauen sehr schnell schwindet. Hinzu kommt, dass Mitarbeiter die Arbeit einstellen könnten oder sich nach neuen Arbeitgebern umsehen. Der Insolvenzverwalter agiert dabei wie ein Notarzt am Unfallort: Zunächst geht es darum, die akuten Probleme zu stoppen und dafür zu sorgen, dass keine Panik ausbricht.


Aufgabenstellung
Vor einer großen Herausforderung in der Kommunikation standen wir im Oktober 2011 bei der Insolvenz des Modeunternehmens Wissmach. Der Hersteller von Damenbekleidung hatte deutschlandweit Filialen an über 200 Standorten. Unser wichtigstes Ziel: alle Läden ohne Unterbrechung weiter zu betreiben. Nur so bestand eine Chance auf Sanierung. Dafür war das Vertrauen von Mitarbeitern, Lieferanten und vor allem der Kunden überlebenswichtig.

Aufgabe der Kommunikation war es, einem potenziellen Vertrauensverlust so schnell wie möglich entgegenzuwirken. Entstehen erst Gerüchte, kann dies die Handlungsfähigkeit des Insolvenzverwalters und des Unternehmens stark einschränken. Wird in solchen Situationen falsch oder gar nicht kommuniziert, sind negative Folgen für den Verlauf des Insolvenzverfahrens programmiert. Um das Unternehmen in der Insolvenz erfolgreich fortzuführen, sollte die Kommunikation zwei Regeln berücksichtigen: Sie muss offen und vertrauensvoll sein.

Für Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten sind klare und eindeutige Botschaften gefragt, die aufzeigen, wie es in der Insolvenz weiter geht. Auch die Schritte einer möglichen Unternehmenssanierung sind zu erklären und zu begründen, damit sie für alle Beteiligten nachvollziehbar sind.

Unsere größte Herausforderung bei Wissmach lag darin, die über ganz Deutschland verstreuten Mitarbeiter und Kunden zu erreichen und bei ihnen Vertrauen aufzubauen.


Umsetzung
Für eine breit gestreute Kommunikation setzten wir gemeinsam mit unserer Agentur relatio PR auf einen Mix von bewährten Kommunikationsmaßnahmen sowie auf innovative Ansätze.

Wie bei allen größeren Insolvenzverfahren verbreiteten wir einen Tag nach Insolvenzanmeldung deutschlandweit eine Pressemitteilung. Die zentrale Botschaft: es besteht eine gute Chance auf Sanierung, die Kunden können weiterhin in den Filialen einkaufen. Möglichst viele Regionalmedien mit Wissmach-Filialen vor Ort sollten diese Botschaft an Kunden weitertragen. Zudem konnte die Meldung in entsprechenden Fachmedien aus der Textilbranche Großkunden und Lieferanten beruhigen.

Ganz besonders wichtig ist es, den offenen Dialog mit den Mitarbeitern zu suchen. Nur wenn die Mitarbeiter in einer Insolvenz mitziehen, hat das Unternehmen eine Chance. Jedoch war bei Wissmach eine Mitarbeiterversammlung unmöglich: mehr als 1.000 Mitarbeiter an rund 230 Standorten. Deshalb haben wir eine telefonische Info-Hotline extra für Mitarbeiter eingerichtet. Dort kümmerten sich geschulte Kollegen um die Fragen und Sorgen der Mitarbeiter: Soll ich weiter zur Arbeit kommen? Bekomme ich mein Gehalt? Wie erhalte ich Insolvenzgeld? Wichtig war uns, dass bei den Mitarbeitern keine Fragen offen blieben.

In der Pressearbeit zeigte sich, in welch großem Umfang für ein Unternehmen mit einem solch weit verzweigten Filialnetz regionale Thematiken zu berücksichtigen sind. Im Verlauf des Insolvenzverfahrens überhäuften uns Anfragen von Regionalmedien, die sich nach dem Fortbestand ihrer Wissmach-Filiale vor Ort erkundigten. Tatsächlich mussten wir im Laufe des Verfahrens einzelne Filialen schließen und dies verantwortungsvoll kommunizieren. Und zwar in folgender Reihenfolge: Zuerst den Mitarbeitern vor Ort, erst danach der Presse.

Angesichts der bundesweiten Ausdehnung von Wissmach beschritten wir in der Kommunikation auch neue Wege – mit unserem eigenen PLUTA-TV: Ein eigenes Video informierte Kunden sowie Mitarbeiter über die Hintergründe der Insolvenz. Wichtiges Signal darin: Die Kunden können Gutscheine weiter einlösen. So etwas schafft Vertrauen.

Auf unserem Video-Kanal unter www.pluta-insolvenz.tv konnten und können sich Internetnutzer zusätzlich über allgemeine Themen rund um eine Insolvenz informieren: Wie fülle ich als Gläubiger eine Forderungsanmeldung aus? Was ist eigentlich eine vorläufige Insolvenz? Unser Ziel ist es, die Perspektiven unserer Tätigkeit auch dem normalen Bürger, sprich dem Nicht-Juristen, verständlich zu machen. Zeitgemäße Insolvenzverwaltung erfordert den Einsatz moderner Kommunikation. Bei Wissmach nutzten wir den Video-Kanal das erste Mal in einem Insolvenzverfahren. Das Image-Video veröffentlichten wir zusätzlich zum PLUTA-Kanal auch auf der Wissmach-Homepage.

Nach erfolgreichen Sanierungsmaßnahmen haben wir Anfang 2012 einen Großteil von Wissmach an das Modeunternehmen Gerry Weber verkauft. Damit konnten wir 850 Arbeitsplätze sichern. In der Phase der intensiven Verkaufsgespräche passten wir unsere Kommunikationsstrategie an. Wir hatten mehrere Interessenten, die wir nicht durch öffentliche Spekulationen verschrecken wollten. Dementsprechend setzten wir in dieser Zeit auf eine eher zurückhaltende Kommunikation.


Ergebnisse
Die gesamte Kommunikation war ein wichtiger Baustein, um das Geschäft von Wissmach zu stabilisieren, die Grundlage für eine erfolgreiche Sanierung. Vor allem die innovative Kommunikation über das eigens produzierte Video schaffte Vertrauen. Nicht nur bei Filial-Kunden und Mitarbeitern, sondern auch bei anderen Firmen. So nahm ein renommierter Versandhändler Wissmach wieder in das Sortiment auf, nachdem er das Video gesehen hatte.

Ein Überblick der Ergebnisse:
Rund 30 der 100 größten Regionalzeitungen sowie zahlreiche Online-Medien berichteten deutschlandweit in den ersten Tagen der Insolvenz; in ausnahmslos jedem der Berichte fand sich die Botschaft, dass Wissmach fortgeführt wird.

Auf der Wissmach-Website wurde das Video zur Fortführung von mehr als 4500 Nutzern abgerufen.

Die Info-Hotline wurde rege genutzt: Zwei Kollegen beantworteten über mehrere Wochen fast durchgehend Fragen von Mitarbeitern; die Kündigungsquote bei Wissmach blieb sehr gering.

Durch gezielte aktive Kommunikation beugten wir Gerüchten vor und verhinderten negative Nachrichten.

Als Instrument – auch für künftige Insolvenzverfahren – bewährte sich vor allem der innovative Weg über unser Insolvenz-TV. Bilder schaffen Vertrauen und zeigen Transparenz. In einem aktuellen Insolvenzverfahren setzen wir daher wieder zusätzlich zur klassischen Öffentlichkeitsarbeit auf das Videoformat: Bei der Energiegenossenschaft EnerGen Süd geht es darum, 45.000 Kunden über das weitere Vorgehen im Insolvenzverfahren zu informieren. Würden wir eine Versammlung einberufen, um mit allen Gläubigern persönlich zu kommunizieren, müssten wir ein Fußballstadion mieten. Die direkte Kommunikation in Form eines Videos ist eine hervorragende Alternative.


Seit März 2012 gilt ein neues Insolvenzrecht, das die Sanierung von Unternehmen noch stärker in den Mittelpunkt rückt. Dieses „Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen“ soll dazu beitragen, dass angeschlagene Firmen leichter fortzuführen sind. Das Gesetz soll, so der hehre Vorsatz, zu einer neuen „Insolvenzkultur“ beitragen. Der Kommunikation kommt also eine weiter steigende Bedeutung zu.

Der Autor
Michael Pluta ist Fachanwalt für Insolvenzrecht und Geschäftsführer einer Sozietät, die seinen Namen trägt. Sie beschäftigt 330 Mitarbeiter, darunter 34 Insolvenzverwalter, in Deutschland, Italien und Spanien.

Magazin & Werkstatt