Please wait...
News / Ein letztes Zucken
25.09.2012   News
Ein letztes Zucken
 
Autistisch beschwört der Opel-Pressestab strategische Chancen und eine Rückkehr zu alter Stärke. Doch alle ahnen: Der Showdown um die Marke hat begonnen. Von Bijan Peymani

Mehrfach in Kalamitäten, zuletzt vor der Pleite, inzwischen die Nummer eins in Deutschland und in der europäischen Spitze etabliert: Borussia Dortmund zählt zu den spannendsten, kreativsten und heute erfolgreichsten Vereinen der Fußball-Bundesliga. Die ab der Saison 2012/2013 ausgehandelte Partnerschaft von Opel mit dem Revierklub ist für den siechen Autobauer aus Rüsselsheim daher mehr als ein guter Sponsoring-Deal. Sie nährt die Hoffnung, die Aura des phönixhaften Aufstiegs werde auf Opel abstrahlen.

Und so hob Opel-Übergangschef Thomas Sedran bei der Bekanntgabe der Vereinbarung Mitte Juli fast beschwörend auf die Gemeinsamkeiten beider Marken ab: „Der BVB ist, wie Opel, in der Mitte der Gesellschaft verwurzelt. Schwarz-Gelb und Schwarz-Gelb, das passt.“ Gerade erst hatte Opel Deals mit den Erstliga-Vereinen aus Düsseldorf, Leverkusen, Freiburg und Mainz verlautbart, ebenfalls ab der neuen Spielzeit. Das Zuckerl beim Abkommen mit Dortmund: Deren Coach Jürgen Klopp wird den Autohersteller künftig als Markenbotschafter vertreten.


Hoffnungsträger „Kloppo“
Kulttrainer „Kloppo“, eben noch Gespiele der VW-Tochter Seat, soll helfen, Opel bei jungen Leuten wieder richtig cool zu machen. Und die Präsenz der Marke mit dem Blitz im Umfeld bedeutender Werke – neben Rüsselsheim vor allem Bochum und Kaiserslautern – gilt als ein Baustein im Standortmarketing. Doch was ist aus Deutschlands Autoikone, was aus Europas einst größtem Sportsponsor geworden? Nur wenige Wochen zuvor hatte Opels Mutterkonzern GM ein fettes Ding mit dem britischen Topverein Manchester United eingefädelt – für die Schwestermarke Chevrolet.


Der Feind im eigenen Haus
Genau solche Details gelten manchem als Fingerzeig. „Chevy“ entwickle sich allmählich zu „Opels Erzfeind“, bilanzierte unlängst die „Financial Times Deutschland“. Die Rüsselsheimer stünden unter „Stubenarrest“ in Europa, müssten aus den Boommärkten in Übersee und Asien leider draußen bleiben. Die Amis dagegen dürften munter im Opel-Revier wildern. Und das in den USA top-verkaufte Kompaktmodell „Cruze“ ist nicht nur im Kern ein „Astra“, sondern darf in Deutschland auch noch zum Kampfpreis gegen das baugleiche Auto antreten.

Schon schwant der Opel-Gemeinde im Blog (www.opel-blog.com), ihre Marke könnte bald dasselbe Schicksal ereilen wie Saab. Letztere hatte GM ausbluten und gegen die Wand fahren lassen. Chevrolet, so der Tenor, dürfe alles und kriege alles. Opel dagegen verkümmert zum Regionalmärkchen, zertrümmert von einem halben Dutzend Vorstandschefs in 14 Jahren.

An den Opel-Fließbändern und in den Kantinen granteln sie vernehmbar, GM verschiebe Manager und Etats seines Europa-Geschäfts zugunsten der US-Billigmarke. Belege dafür fehlen, weil Big Mama die Marketingbudgets nicht nach Brands und Regionen aufschlüsselt. Immerhin dokumentiert die Marktforschung Nielsen, Opel habe seine Bruttospendings hierzulande im ersten Halbjahr 2012 um gut fünf Prozent auf 51,4 Millionen Euro zurückfahren müssen – gegen den Branchentrend.


Geplagt von der europäischen Krise
Auch die Schuldenkrise lässt nach Griechenland auch Italien und Spanien als Absatzmärkte wegbrechen. In Westeuropa stehen die Zeichen ebenso auf Schrumpfung. Die Folge für alle Hersteller sind massive Überkapazitäten. Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive an der FHDW in Bergisch Gladbach, hält „fünf bis acht Fabriken in Europa für überflüssig“, darunter zwei von Opel. Für den einst so kräftigen Blitz reicht es im 150. Jahr des Bestehens hierzulande nur noch für ein Wetterleuchten: Die Marke schlägt nicht mehr ein.

Rechnet man die taktischen Tageszulassungen von Hersteller und Händlern heraus, mit denen Autos anschließend stark rabattiert verkauft werden, schmolz Opels Marktanteil dieses Jahr bis April auf erbärmliche 5,8 Prozent zusammen. Das hat das Center Automotive Research (CAR) an der Universität Duisburg-Essen ermittelt. Noch Mitte der 1970er Jahre waren es in Deutschland über 20 Prozent. Zur Erosion trug zuletzt vor allem das miserable Corporate Image bei. Anders als die Produkt- steht die Unternehmenskommunikation unter der GM-Fuchtel. Personalien, Positionen und Programme werden diktiert, die letztlich Opels öffentlichen Ruf hierzulande begründen.

Von Detroit aus werden Personalien, Positionen und Programme diktiert, die letztlich Opels öffentlichen Ruf hierzulande begründen. Und der ist nicht erst seit dem abrupten Abgang von Ex-Vorstandschef Karl-Friedrich Stracke Mitte Juli unterirdisch. Der Austausch großer Teile des Führungspersonals (siehe Kasten Seite 14) irritiert Experten wie Bratzel: „GM fällt im Umgang mit Opel wieder zurück in den alten, kurzfristig orientierten Managementstil.“ Das Führungschaos spreche dafür, dass der Konzern keine nachhaltige Strategie habe.

Noch im Frühjahr hatte es so ausgesehen, als bekomme die Sache Struktur. Mit dem Belgier Johan Willems erhielt Opel nach acht Jahren wieder einen Kommunikationsvorstand. Doch wirklich aufpolieren vermochte auch er den Ruf der Rüsselsheimer bislang nicht. Willems, angeblich ein ganz GM-Getreuer, sagt fesche Sätze wie „Wir sind froh, dass wir einen starken Mutterkonzern wie General Motors haben“. Er sei sich „sicher, dass sich das Corporate Image von Opel bald wieder erholen wird“. Wie, bleibt allerdings sein gut gehütetes Geheimnis.

CAR-Leiter FerdinandDudenhöffer gibt Opel kaum Chancen. Der Autobauer sei zu lange mit negativen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit. Ständige Verlustmeldungen, stetig neue Sanierungspläne, Diskussionen um Werkschließungen und als vorläufiger Höhepunkt der abrupte Abgang von Ex-Boss Karl-Friedrich Stracke. „Hüh und hott in der Strategie, alle sechs Monate eine neue Richtung – das versteht niemand mehr“, kritisiert Dudenhöffer, „selbst treueste Kunden halten so etwas nicht aus.“ Im Opel-Blog wird der Ruf nach einer Trennung von GM immer lauter.

Die Rüsselsheimer gehören seit 1929 zu General Motors, hinter Toyota weltweit die Nummer zwei. Doch seit zehn Jahren schreibt GM in Europa – vor allem wegen Opel – fast ausschließlich horrende Verluste, in Summe mehr als elf Milliarden Euro.


Zahlreiche Managementfehler
Vor diesem Hintergrund gibt Helmut Becker, Leiter des Instituts für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation (IWK) in München, Opels Interimschef Thomas Sedran keine Chance, das Ruder noch einmal herumreißen zu können. Sedran müsse sinkenden Absatzzahlen hinterher sparen, „diesen Wettlauf hat noch jedes Automobilunternehmen verloren“, erklärte Becker gegenüber dem Nachrichtensender N-TV. Die angekündigte Produktoffensive komme „viel zu spät“. Opel büßt heute für seine Managementfehler: Abschied aus dem Premiumsegment, Positionierung quasi als Billigheimer, biederes Fahrzeugdesign.

Da hilft nicht mal der in Teilen pfiffige, von Opels Zentralagentur Scholz & Friends in deren „Opel Performance Center“ in Hamburg kreierte Werbeauftritt. Unter dem Slogan „Und was kann Ihr Auto?“ werden neben Selbstverständlichkeiten – ergonomische Sitze, Sicherheits- und Komfortpakete – skurrile Innovationen wie ein beheizbares Lenkrad bejubelt. Was kommt als nächstes: beleuchtete Pedale? Im Opel-Blog wird die Kampagne zwar als „Schritt in die richtige Richtung“ gelobt, aber die Produktpolitik heftig kritisiert. Da vermisst etwa einer Benziner mit Automatikgetriebe, ein anderer ärgert sich, dass ihm niemand verbindlich sagen kann, wann eine bestimmte Diesel-Variante des Mokka zu den Händlern rollt. Zudem fehlen Ausstattungsmerkmale, mit denen selbst Schwestermarken glänzen.

„Unsere Produkte sind so gut wie nie zuvor“, tönt Sprecher Hamprecht, „wir werden Segmente erobern, in denen Opel bislang nicht vertreten war.“ Der neue Geschäftsplan seines Hauses werde „uns wieder zu alter Stärke führen“. Da muss Opel aber mehr aufbieten. Alarmierend, wenn selbst treueste Opelfans im Blog Abwanderungsgedanken äußern. So jedenfalls löst man die „Mentalbarriere“ nicht auf, die viele laut Marketingchef Tomás Caetano haben, wenn sie an die Marke denken.


Positive Geschichten gesucht
Fast muss einem die Kommunikationstruppe in Rüsselsheim leidtun. PR braucht positive Geschichten, um glaubwürdige Botschaften zu transportieren. Nach außen hin unerschütterlich optimistisch müht sich der Pressestab, Opel nach vorne zu reden. H. Dieter Dahlhoff, selbst einst Top- Manager bei GM/Opel, sieht die Rüsselsheimer an der Schwelle zwischen Wiederauferstehung und Untergang. Mit dem beinahe komplett erneuerten Vorstand habe Opel eine „letzte Chance“.

Dahlhoff, der an der Uni Kassel den Lehrstuhl Kommunikations- und Medienmanagement im DMCC-Dialog Marketing Competence Center innehat, hält Opels neues Fußball-Engagement für klug. Damit knüpfe der Autobauer an alte Markenbesitzstände an. Gehe es weiter in diese Richtung, dann nutzten die neuen Kommunikations- und Marketingmanager die verbliebene Chance „optimal“. Doch dem Unternehmen bleibt nicht mehr viel Zeit. „Noch mögen die Menschen Opel, noch zehrt die Marke von vielen latent positiven Einstellungen, auch unter Nichtkäufern“, so Dahlhoff.

Schon die Bilanz fürs zweite Quartal dieses Jahres dürfte für Verdruss sorgen. Man müsse in Rüsselsheim endlich „damit aufhören, überoptimistische Ziele zu setzen und unerreichbare Marktanteile einzuplanen“, polterte jüngst GM-Europe-Präsident und Opel-Aufsichtsratschef Steve Girsky. Aufbruch klingt anders. Opel lässt eine überzeugende Wachstumsstory vermissen, Sparen braucht Zeit und vor allem Geld. Beides fehlt.

Noch sehe er eine Zukunft für die Marke, sagt Experte Bratzel, „diesmal muss die Sanierung aber gelingen“. Skeptischer äußert sich Becker. Als selbstständige Marke im GM-Konzern werde es Opel in fünf Jahren „mit Sicherheit nicht mehr“ geben. Und mit Blick auf die PSA-Allianz (siehe Kasten links) ergänzt er: „Das ist für GM der Strohhalm, um sich elegant von Opel zu verabschieden.“ Totgesagte leben länger – in Rüsselsheim indes könnte bald ein großes Stück deutscher Industriegeschichte zu Grabe getragen werden.


Opels Personalkarussell – eine Auswahl
Mai 2012: Harald Hamprecht wird General Director Product & Corporate Communications bei Opel. Er kennt Opel von innen, arbeitete bereits früher dort. Parallel wird Stefan Weinmann General Director Internal & Alliance Communications – zuständig für interne Kommunikation, Social Media und TV.

Juli 2012: Opel-Chef Karl-Friedrich Stracke tritt ab. Thomas Sedran wird für eine Übergangszeit zum Vize-Vorstandschef ernannt. Im selben Monat geht Cheflobbyist Volker Hoff, seit 2010 für die Regierungsbeziehungen verantwortlich.

August 2012: David Lyon wird neuer Vice President Design von GM Europe und damit der künftige Designchef für die Marke Opel.

September 2012: Michael Lohscheller soll als Finanzvorstand auf Mark James folgen, Michael Ableson als Vorstandsmitglied für Forschung und Entwicklung den Posten von Rita Forst übernehmen. Damit verbleiben zwei von neun Vorständen, die noch Ende 2011 im Amt waren: Holger Kimmes (Personal) und Susanna Webber (Einkauf/Logistik).


Hoffnung für Opel?
Von ihrer Ende Februar dieses Jahres vereinbarten strategischen Allianz versprechen sich General Motors und die angeschlagene französische PSA-Gruppe (Peugeot, Citroen) in Europa deutliche Einsparungen und Produktivitätsgewinne. Was zunächst als Logistikpartnerschaft angelegt war, wird aus der Not heraus zur Entwicklung gemeinsamer Fahrzeugplattformen führen. So könnten etwa im Opel-Stammwerk Rüsselsheim künftig der Peugeot 508 und der Citroen C5 montiert werden. Die Produktion wäre ab 2016 möglich, das erhöhte Volumen könnte zumindest den Standort Rüsselsheim sichern. Experte Helmut Becker dämpft aber die Erwartungen. Es habe noch nie funktioniert, dass sich zwei Schwerkranke gemeinsam ins Bett legten und als Gesunde daraus wieder aufstünden – „PSA ist der schwächste Partner, den GM für Opel hätte aussuchen können“.
 

Newsletter

Sie wollen immer auf dem Laufenden sein?

Magazin & Werkstatt