Derzeit weilt
Joachim Klewes (Foto) im Segelurlaub. Kurz vorm Ankerlichten sprach der PR-Grande und Co-Gründer des Ketchum-Pleon-Vorläufer ECC Kohtes Klewes ein Interview über Online-Recruiting in der Branche. Seit dem vergangenen Jahr betreibt Klewes unter dem Namen "
Proofilia" im Netz ein Tool, mit dem Bewerber ihre eigenen Kompetenzen ausloten können. Agenturen rät er:"Entscheidend ist, dass Sie gute Geschichten für Kandidaten zu erzählen haben."
Herr Klewes, Sie sind seit über einem Vierteljahrhundert in der PR-Branche aktiv. Das Handelsblatt nannte Sie den "Großmeister der PR-Branche". Wie lebt es sich mit einem solchen Ruf?
Joachim Klewes: Der letzte "Großmeister" des Templerordens wurde 1318 auf dem Scheiterhaufen verbrannt, das wären nicht so tolle Aussichten. Wenn das Handelsblatt sich aber eher in der Schach-Welt bewegt, kann ich mit dem strategischen Kontext des Begriffs ganz gut leben.
In den letzten Jahren haben Sie sich unter anderem auf das spannende Thema Change Management konzentriert. Was verstehen Sie darunter?
Klewes: Jede Organisation, jedes Unternehmen braucht heute eine viel höhere Flexibilität und Wandelbarkeit als früher. Im Change Management geht es darum, die dafür notwendigen Einstellungen, Kompetenzen und Verhaltensweisen zu fördern, Prozesse und Strukturen darauf einzurichten. Kommunikation ist hierfür unbestritten der wichtigste Faktor, um Mitarbeiter und vor allem Management in diesem Sinn zu bewegen.
Nicht zuletzt durch die jüngeren Generationen, die Digital Natives, muss sich die PR-Branche nun auch verstärkt mit dem "Veränderungsmanagement" beim eigenen Recruiting einstellen. Wo steht sie Ihrer Meinung nach?
Klewes: Die "Digital Natives" sind heute gar nicht mehr so jung. Ich erinnere mich an erste Rekrutierungsprojekte im Internet schon Ende der 90er Jahre. Die PR-Branche, wenn es sie überhaupt so einheitlich gibt, war da immer recht weit vorn. Aus meiner eigenen Headhunter-Erfahrung weiß ich, es braucht immer einen Pluralismus von Instrumenten, Online-Recruiting ist da unverzichtbar.
Das Thema Online-Recuiting - für Kunden und auch in eigener Sache - nimmt bei PR-Agenturen spürbar an Dynamik zu. Welches sind die wichtigsten aktuellen E-Recruitment-Trends aus Agentursicht?
Klewes: Aus PR-Sicht sind alle Instrumente besonders interessant, die stark themengetrieben sind, in denen Inhalte eine große Rolle spielen. Die "Employer Brand" entsteht ja eher durch "earned media", egal auf welchen technischen Plattformen, als durch bezahlten Content. Für eine große Agentur wie z.B. Ketchum Pleon spielt die Website mit eigenem Karriereportal eine große Rolle, aber auch Facebook und Xing bzw. LinkedIn. Darüber hinaus erreicht man die Talente über einen spezifischen Blog.
Welchen Stellenwert hat Social Media und Co. Ihrer Meinung nach dabei heute und in naher Zukunft unter dem Recruiting-Aspekt?
Klewes: Die Bedeutung wird steigen. Das Gespräch über Unternehmen, Positionen, Entwicklungschancen in Unternehmen findet eben in Social Media statt. Besonders interessant ist meiner Meinung nach, dass so mit relativ wenig Aufwand auch internationale Bewerber angesprochen werden können, schließlich gibt es heute ja schon zu wenig exzellente Kandidaten im eigenen Land. Social Media spielt eine große Rolle, vor allem für die Zielgruppe "Generation Y". Sie bewertet die Papierbewerbung als nicht zeitgemäß und altbacken. Ich erwarte mehr und mehr den 100 Prozent digital-interaktiven Lebenslauf, in dem ich direkt auf Referenzen oder Telefonnummern klicken kann, von aus ich direkt mit E-Mail und in soziale Netzwerke kommuniziere. So könnte sogar wieder mehr Dialog in den Rekrutierungsprozess kommen.
Welche strategische Bedeutung hat der Bereich E-Recruitment Ihrer Meinung nach für das Image eines Unternehmens bzw. einer Agentur?
Klewes: E-Recruitment ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Instrumente. Ich denke, ein Unternehmen oder auch eine Agentur muss nicht unbedingt jedes einzelne Instrument bespielen, aber sollte wenigstens auf einer Plattform wirklich gut sein. Zur Imagebildung: Entscheidend ist, dass Sie gute Geschichten für Kandidaten zu erzählen haben. Da hapert es oft. Ich sehe zu viele Fakten und zu wenig Storys.
Wo sehen Sie die Grenzen des Online-Recruitments? Sind beispielsweise Online-Video-Assesments sinnvoll und in der Online-Praxis von Unternehmen oder sogar PR-Agenturen schon gebräuchlich?
Klewes: Top-Positionen bekommen Sie nach wie vor nicht Online besetzt. Aber Instrumente wie Online-Interviews machen schon Sinn, aber eben nur im Kontext anderer Maßnahmen. Oder denken Sie an andere Tools, wie Proofilia, die für Bewerber einen Kompetenzvergleich innerhalb ihrer Altersgruppe oder Qualifikationsstufe möglich machen.
Das Thema der Unternehmenspräsentation für potenzielle Mitarbeiter ist eine Seite der Medaille, das Profil der Bewerber im Internet die andere. Selbst Massenmedien geben inzwischen "wertvolle" Tipps, was man unter dem Aspekt der Eigendarstellung als Privatperson berücksichtigen sollte. Schauen Sie sich eigentlich Online-Profile von Bewerbern an bzw. was ist hier Ihr Ratschlag für Bewerber und Unternehmen/Agenturen?
Klewes: Klar schaue ich mir das an. Aber eben nur als ein Mosaikstein. Der Rat für Bewerber ist einfach: Ich muss auf einen Blick sehen, mit wem ich es zu tun habe. Da erfordert Mut zur Fokussierung, zum Weglassen. Der Rat für Agenturen und Unternehmen ist auch einfach: Es ist dramatisch, dass die erste Sichtung von Profilen oft so weit herunterdelegiert wird, an Anfänger oder Praktikanten. Die Entscheider verlieren so das Gefühl für die Vielfalt, die gerade international geboten wird.
Sie haben beruflich viel mit dem PR-Nachwuchs zu tun. Wo sehen Sie die größten Defizite gegenüber früheren PR-Generationen und wo liegen die Vorteile der Youngsters?
Die Newcomer sind PR-fachlich heute deutlich weiter als früher. Leider fehlt es oft an der soliden Verankerung in einem oder zwei Fächern außerhalb der Kommunikation. Nach wie vor ist die Kompetenz in BWL und Politik zu gering. Ansonsten ist der größte Vorteil der Youngster halt, dass sie jung und frisch sind – und die älteren Kollegen herausfordern. Wie eigentlich immer schon.
Interview: Oliver Hein-Behrens