Erst zuhören, analysieren, Ziele definieren - dann posten
"Sie haben in einem Satz die Worte Facebook und Relevanz benutzt. Empfinden Sie das nicht als zynisch?" Diese eher kritische Frage wurde mir kürzlich nach einem Vortrag gestellt. Ich freue mich über solche Fragen und ich weiß genau, warum sie gestellt werden.
Für viele Skeptiker sozialer Medien - und das sind nicht nur Menschen jenseits der Vierzig - stellt der Paradigmenwechsel im Umgang mit persönlichen Informationen eine große Gefahr dar; mindestens aber eine große Unsicherheit. Nicht zu Unrecht, schließlich will auch der Umgang mit Medien gelernt sein. Das Stichwort Medienkompetenz ist seit Jahren in aller Munde.
Relevanz gegen Informationsinflation
Wie die Eingangsfrage zeigt, wird die Relevanz von öffentlichen Statements in digitalen Sphären mitunter angezweifelt. Sei es der Instagram-Schnappschuss des Mittagessens oder das Status-Update samt Foto der Hauskatze - in der Masse der Informationen verliert die einzelne ihre Bedeutung, man könnte sogar von Informationsinflation sprechen.
Aber wer entscheidet eigentlich über Relevanz? Immer noch der Einzelne, der Interessent. Bedeutsamkeit liegt immer im Auge des Betrachters. Relevanz lässt sich nur schwer verordnen.
Unternehmen und Freunde im Wettbewerb
Hier spannt sich der Bogen zu professioneller Kommunikation: Nutzer sozialer Medien stellen das soziale Umfeld und die in ihm agierenden Unternehmen oder Organisationen in einen direkten Wettbewerb. Per Twitter-Feed bekomme ich Nachrichten der Organisationen und Unternehmen, denen ich folge - gleichberechtigt zu denen meiner Freunde, Kollegen und Bekannten.
So zeigt mir die Timeline meines Facebook-Accounts neben Status-Updates meiner "Freunde" die Updates der Organisationen und Unternehmen die ich "mag". Und in meinem RSS-Feed tummeln sich die Meldungen diverser Unternehmens-Blogs neben denen meiner privaten Blogger-Kontakte.
Interessiert die Nachricht über den neuen Sneaker des Sportartikelherstellers X mehr als das Foto der Mittagspizza eines Bekannten? Hat die Unternehmensmeldung Y eine Chance gegen das süße Babyfoto der Kollegin? Die Antwort: Durchaus, wenn das Unternehmen adäquat kommuniziert.
Erst zuhören, dann reden
Voraussetzung für erfolgreiche Kommunikationskampagnen ist eine belastbare Analyse, die auf die eine passende Content-Strategie aufsetzt. Nur so lassen sich die relevanten Kommunikationsmittel und -kanäle bestimmen. Dabei ist es hilfreich, sich an folgenden Punkten zu orientieren: Wer reden will, muss erst zuhören. Digitale Kommunikation bietet viele direkte Möglichkeiten, seiner Ziel- und Interessengruppe aufmerksam zuzuhören, ob via Social Graph oder mit Hilfe einer Sentiment-Analyse.
Außerdem sollte man wissen, mit wem man da eigentlich redet, wenn man ein gutes Gespräch führen will. Wer ist die anvisierte Ziel- oder Interessengruppe, was bewegt diese Menschen, was lässt sie kalt?
Das Ziel ist das Ziel
Für erfolgreiche Kommunikationskampagnen ist es dabei unverzichtbar, Ziele zu definieren. Nur so können Unternehmen und Organisationen messen, ob ihre Maßnahmen und damit ihre Kommunikation erfolgreich sind.
Zudem brauchen nachhaltige Kampagnen eine fundierte Content-Strategie, also das Wissen, wann ich was sagen möchte und wie viel. Wem schon nach kurzer Zeit die Themen ausgehen oder wer für die ausgewählten Inhalte die falschen Kanäle wählt, verfehlt sein Ziel.
Schlussendlich ist es damit aber nicht getan. Nachhaltige Kommunikation und Dialoge benötigen eine fortlaufende Analyse, eine ständige Optimierung und Anpassung.
Kampagnenführung heißt on- und offline denken
Zeitgemäße Kampagnenführung beschränkt sich dabei nicht aufs Digitale. Dieser Gedanke ist die Basis des modernen Campaignings: Es geht darum, die richtigen Kommunikationsmaßnahmen, offline und online zu bestimmen und eng zu verquicken. Dieser Kommunikationsansatz bedient sich also genau der oben beschriebenen Punkte und justiert dabei flexibel und dynamisch Ziele und Maßnahmen. So gelingt es, auf Augenhöhe mit der Interessengruppe zu kommunizieren.
Denn: Die Tage der Kommunikationseinbahnstraßen, des Kommunikationsdeterminismus und des One-To-Many sind endgültig gezählt. Wahrscheinlich werden einzelne Kanäle oder Anbieter von Services in Zukunft an Relevanz einbüßen oder sogar gänzlich verschwinden, siehe Myspace, Geocities oder die VZ-Netzwerke. Aber die kommunikativen Errungenschaften werden bleiben. Das werden auch die Skeptiker einsehen müssen.
Henning Lisson ist Berater für Digitale Kommunikation mit Schwerpunkt Social Media bei Aperto Plenum in Berlin.