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News / Das Phänomen Zulauf
24.05.2012   News
Das Phänomen Zulauf
 
Er erkaufe sich Erfolg auf Kosten seiner Mitarbeiter, wirtschafte längst nicht so solide, wie er vorgebe und sei als Chef vor allem eins: fies. Kaum ein Agenturmanager in Deutschland ist so umstritten wie Harald Zulauf. Dem Gründer und CEO von Media Consulta eilt ein Ruf voraus wie Donnerhall – auch und gerade, weil er die öffentliche Bühne scheut. Von Bijan Peymani
Ortstermin Berlin, Wassergasse 3, Ecke Rungestraße. Hier im Bezirk Mitte, unweit der Spree, residiert die Holding von Media Consulta. Sexy und nicht einmal arm wirkt der rote, um 1890 errichtete Klinkerbau, eine ehemalige Etagenfabrik und heute als Teil des Gebäudeensembles am Köllnischen Park unter Denkmalschutz. Auf dem Vorplatz wehen stolz drei königsblaue MC-Banner im Überformat, die dem Sitz der internationalen Agenturgruppe das Antlitz einer EU-Dependance verleihen. Tatsächlich zählt Brüssel zu den wichtigsten Auftraggebern.

Aus den bescheidenen Anfängen einer Public-Relations- und Sportmarketingfirma in Köln hat Media-Consulta-Gründer Harald Zulauf binnen zwei Jahrzehnten den führenden Fullservice-Dienstleister für institutionelle Kommunikation geschmiedet. Das nötigt Freund und Feind Respekt ab. Nach der in der Branche so beachteten wie umstrittenen Rangliste von Gerhard Pfeffer ist Media Consulta seit 2011 auch Deutschlands umsatzstärkste PR-Agentur. Plötzlich steht Zulauf, der sich gern unsichtbar macht, im Rampenlicht. Plötzlich tauchen Fragen auf.

Etwa zum Zustandekommen seines Erfolges. Oder zum veröffentlichten Zahlenwerk. Und es kursieren – nicht nur in Berlin – unappetitliche Gerüchte, wonach der inzwischen 51-Jährige sein Personal systematisch drangsaliere. Zulauf, eine schizophrene Persönlichkeit zwischen Blender und Berserker? Das ganze Gerede sei doch neidbedingt, kontert der Agenturboss im direkten Gespräch die Anwürfe. Versucht, alle Zweifel an seiner Integrität und dem von ihm betriebenen Geschäft mit aufgesetzter Souveränität und horrendem Pleonasmus zu zerstreuen.
Auch der Sprung an die PR-Spitze sei „mittelfristig absehbar gewesen, weil wir in der Tat sehr stark wachsen – insbesondere international“. Die Aufmerksamkeit, die Media Consulta widerfährt, ist Zulauf eher lästig: „Wir waren jahrelang die Nummer zwei, da sitzt man meist unauffälliger.“ Natürlich habe er im Ranking – wie es jeder macht – nicht nur die Umsätze der expliziten Fachsparten gemeldet, konkret der MC International Holding AG (IH) und der MC Deutschland GmbH. „Aber bei integriert aufgestellten Agenturen können Sie das gar nicht immer abgrenzen.“
Dann referiert Zulauf über Media Consulta, deren Struktur und Wachstum im Zusammenhang mit der EU-Erweiterung zu verstehen seien. Erklärt, dass der Umsatzsprung im PR-Bereich 2011 faktisch „nur bei 12 bis 13 Prozent lag, wenn Sie Social Media rausrechnen“. Begründet das Delta zwischen Mitarbeiter- und Erlösplus damit, dass Gesamthonorare zu melden seien, aber lediglich das Personal in Deutschland zugeordnet werden dürfe, „obwohl auch viele Mitarbeiter im Ausland dafür arbeiten, zum Beispiel für EU-Kampagnen“. Er hantiert mit Millionen und stellt sattes Neugeschäft in den Raum: „Per 30. April 2012 haben wir bereits internationale Etats im Volumen von 83 Millionen Euro gewonnen. Die Summe erstreckt sich natürlich über drei bis fünf Jahre.“ Der jüngste Zuschlag durch die Generaldirektion Erweiterung der EU-Kommission über 20 Millionen Euro sei da noch gar nicht eingerechnet. Hinzu kämen bis Ende April rein nationale Etats in Höhe von 2,3 Millionen Euro. Aktuell kämpfe die Agentur um internationale Aufträge von etwa 100 Millionen Euro sowie um rein deutsche Etats von rund 14 Millionen Euro. Bei einer Pitch-Rate von angeblich 40 Prozent wären das dicke Brocken.


Zulaufs Zahlennebel
Stundenlang könnte man Zulauf („ich bin vor allem auch Betriebswirt und nicht nur Kommunikations-Manager“) so zuhören und sich vom phänomenalen Aufstieg der Media Consulta überzeugen lassen. Zumal der Ex-PR-Berater im Bundesverteidigungsministerium um eine warme Gesprächsatmosphäre bemüht ist und sich entwaffnend offen gibt. Auch kritisches Nachsetzen bringt ihn nicht in Schwulitäten, auf jeden Einwand scheint der gebürtige Sauerländer eine plausible Antwort parat zu haben. Doch je mehr Erfolgsraketen Zulauf abfeuert, desto dichter wird der damit verbreitete Zahlennebel.

So vermeldete die Agentur jüngst für das vergangene Jahr ein Umsatzplus in Deutschland von fast vier Prozent auf 78,2 Millionen Euro. Doch die demnach gut 75 Millionen Euro für 2010 finden sich nicht im betreffenden, Ende April dieses Jahres im Bundesanzeiger publizierten Jahresabschluss. Dort werden die Erlöse der MC-Gruppe in Deutschland („Gesamtleistung“) mit nur 62,3 Millionen Euro ausgewiesen. Sollte die Differenz auf Bestandsveränderungen zurückgehen, wäre es ehrlicher und transparenter, den niedrigeren Wert zu veröffentlichen.
Auch die Zahlen der Holding geben zu denken. So hat die IH in 2010 laut Jahresabschluss gut 28,5 Millionen Euro erlöst. Nach Steuern blieb ein mickriger Reingewinn von kaum 96.000 Euro. Und wie muss die Außenfinanzierungsquote interpretiert werden? Sie lag laut dem testierten Jahresabschluss im Jahr 2010 bei 94,9 Prozent (2009: 86,6 Prozent), auf Nachfrage nennt Zulauf dagegen eine Quote von 84,3 respektive 78,5 Prozent. Die Diskrepanz erschließt sich nicht.
Der Wert ist ein Indikator dafür, wie stark ein Unternehmen – etwa für Investitionen – auf fremdes Kapital zurückgreifen muss. Zumindest darauf hat Zulauf eine Antwort: Öffentliche Verträge erfordern eine lange Vorfinanzierung, da das Honorar zum allergrößten Teil erst nach einem Jahr bezahlt wird. „Aufgrund der gestiegenen Umsätze und der nötigen Vorfinanzierung von etwa 70 Prozent im öffentlichen Bereich können wir uns auch nur dank einer guten Eigenkapitalquote von etwa 25 Prozent an diesen Ausschreibungen beteiligen, da für die EU-Projekte eine Vorfinanzierung von bis zu 10 Millionen Euro im Jahr notwendig ist.“
Natürlich versuchen Unternehmen, ihren steuerrelevanten Gewinn klein zu rechnen. Risiken werden mit Höchst-, Chancen mit Niedrigstwerten bilanziert. Aber auch den Bilanzierungsmöglichkeiten sind handelsrechtliche Grenzen gesetzt. Und die laut Insidern bei Media Consulta im vergangenen Jahr beinahe allmonatliche Erstellung von Businessplänen, die in anderen Firmen üblicherweise pro Quartal erfolgt und Kapitalgebern eine Übersicht über Chancen und Risiken der Geschäftsentwicklung geben soll, könnte ein Indiz dafür sein, dass die Agentur von einer stetigen Zwischenfinanzierung abhängig ist. Gemessen an den Stellenausschreibungen des vergangen Jahres hatte Media Consulta zudem einen hohen Verschleiß an Controllern – was begründet diese Fluktuation?


Wie viele Mitarbeiter hat Zulauf?
Fragen werfen zudem die veröffentlichten Mitarbeiterzahlen auf. In Deutschland will Media Consulta an den beiden Standorten Berlin und Köln gut 350 Beschäftigte haben. International kämen weitere rund 100 Mitarbeiter hinzu, rechnet Zulauf vor – wohlgemerkt bei weltweit angeblich knapp 70 Büros. Eingeweihte können die Personalakrobatik nicht nachvollziehen. Sie kommen selbst bei der Einrechnung von Freelancern in den Auslandsdependancen auf maximal 300 MC-Kräfte. Häufig träten eigenständige Network-Partner im Übrigen nur als Media Consulta auf, falls es bei Ausschreibungen erforderlich werde.
Auch wird angezweifelt, dass sich die Agentur überhaupt auf Wachstumskurs befindet. Laut Jahresabschluss hat die Gesamtleistung 2010 gegenüber dem Vorjahr bei 62 Millionen Euro stagniert. Ein Ex-MCler ist erstaunt über die Erfolgswerte für 2011. Wer das vergangene Jahr aufmerksam verfolgt habe, werde sich nur an wenige Etatgewinne erinnern, „meines Wissens sind einige Verträge ausgelaufen, die nicht durch entsprechendes Neugeschäft kompensiert werden konnten.“ Der von Zulauf vermeldete Honorarzuwachs jedenfalls sei „unerklärlich.“
Der Wahrheit näher käme, sagt ein anderer, dass Media Consulta in jüngerer Vergangenheit „finanzielle Probleme“ hatte. Kolportiert wird, Zulauf habe bei seiner Geburtstagsansprache im vergangenen Dezember vor versammelter Mannschaft von 2011 als schlechtestem Jahr seit der Agenturgründung gesprochen. Noch im Oktober soll das Controlling die Prognose gewagt haben, allein der Umsatz der Holding werde sich aufgrund auslaufender Kontrakte im Berichtsjahr halbieren. Problematisch wären zudem die Kostenstruktur und eine branchenunüblich hohe Personalfluktuation.
„Media Consulta ist in Deutschland eine der beliebtesten Agenturen“, kontert Zulauf, „es gibt wohl keine andere, die so viele Bewerbungen auch aus anderen Ländern erhält.“ Und mit Verweis auf interne Befragungen betont Zulauf: „Wer bei uns arbeitet, ist nicht nur zufrieden, sondern oft auch stolz darauf!“ Glaubt man Menschen, die das Haus verlassen haben, kommen daran Zweifel auf. Gewiss, vor allem freigesetzte Mitarbeiter schwärmen selten vom Ex-Arbeitgeber. Aber die Häufung der Negativurteile über MC auf einschlägigen Internetportalen ist signifikant.


Ex-Mitarbeiter treten nach
Kritisiert wird primär Zulaufs Führungsstil. Er selbst bezeichnet sich als „ergebnisorientiert, ich lasse den Leuten relativ lange Leine und führe mit einer Auftragstaktik“, illustriert der Hauptmann der Reserve. Er werde selten laut, „und wenn, dann muss schon relativ viel passieren“. Offenbar passiert wiederholt „relativ viel“: Im Netz wie unter ehemaligen Mitarbeitern ist von einem regelrechten Angstregime in der Agentur die Rede. Schreiattacken, Wutausbrüche und persönliche Beleidigungen seien bei Zulauf die Regel. Und er halte sich an keine Absprachen.
Einen – sicher nicht repräsentativen – Eindruck vom Klima bei Media Consulta vermittelt ein Radiomitschnitt auf RBB (mediathek.rbb-online.de). Hier erzählt „Steffi“, vier Monate lang am Berliner Standort beschäftigt, Zulauf habe sie unter anderem als „unfähig“ tituliert und eine Kollegin geschurigelt, sie sei „wahrscheinlich so dumm und langsam, weil Sie so fett sind“. Allein die Event-Sparte scheint, gemessen an den positiven Kommentaren, eine Insel der Glückseligen. „Die Leute bei MC werden schamlos ausgebeutet“, sagt eine. Wer sich krank melde, werde „dazu gedrängt, von zu Hause zu arbeiten“. Das gelte auch für Teilzeitkräfte, die dann in Summe auf 40 Wochenstunden kämen. Bei alledem rangierten die Gehälter „eher am unteren Limit“. Jedenfalls missachte Zulauf („ich habe öfters auch mal einen 16-Stunden-Tag“) alle arbeitsrechtlichen Bestimmungen, auch, wenn er Besprechungstermine bevorzugt aufs Wochenende oder tief in den Abend verlege. „Er ist nicht der weltoffene, respektvolle Mensch, den er immer zu sein vorgibt“, sagt einer, der ihn gut kennt, „er ist ein Opportunist“.
Zumindest dies scheint Zulauf im Gespräch zu bestätigen. 2010 hatte unter anderem Media Consulta den PR-Auftrag, die OSZE-Präsidentschaft von Kasachstan zu kommunizieren, insbesondere das Vorhaben, erstmals nach zehn Jahren wieder eine OSZE-Vollversammlung mit den Staats- und Regierungschefs zu initiieren. Wie passt das zum „UN Global Compact“, der neben sozialverträglichen Arbeitsbedingungen für die Wahrung der internationalen Menschenrechte eintritt und dessen Unterzeichnung sich Zulauf rühmt? „Ich hätte den Etat nie übernommen, wenn es nicht in Abstimmung mit Auswärtigem Amt und EU-Kommission gewesen wäre.“
Ähnlich verhalte es sich derzeit mit weiteren politisch sensiblen Aufträgen in Weißrussland und der Ukraine, die von der EU-Kommission kommen. Dass Media Consulta damals auch die Wikipedia-Seite von Kasachstan frisierte, lässt der Agenturchef unter den Tisch fallen. Aber Harald Zulauf ist ein ehrenwerter Mann.
 

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