Please wait...
News / Auf der Suche nach Identität
Sebastian Vesper
27.03.2012   News
Auf der Suche nach Identität
 
Verflucht noch mal, wem von Euch habe ich eigentlich das Büchlein „Grundwissen Öffentlichkeitsarbeit“ geliehen? Es hat einen roten Einband und ist irgendwann in den Neunzigern bei UTB erschienen. Der Autor ist mein Ex-Prof Werner Faulstich. Also: Falls jemand den Band beim Aufräumen findet: Bitte melden!

Hätte ich Faulstichs blitzgescheites Traktat jetzt zur Hand gehabt, dann hätte diese Kolumne wahrscheinlich mit dem bedeutungsschwangeren Satz begonnen: Es gibt genau 131 verschiedene Definitionen von „Public Relations“; wir wären kurz mal namedropping-mäßig bei den Altvätern Carl Hundhausen, Albert Oeckl und James Grunig vorbeigesurft, um dann zum Thema zu kommen. So aber muss es auch ohne die rote Gedankenstütze aus der lange schon verblassten Studienzeit gehen. Bitteschön.

Es gibt hundertundsoundsoviele Definitionen von „Public Relations“. Und die PRSA, also die Public Relations Society of America, hat soeben, mit Datum vom 1. März, noch eine drauf gesetzt.

PR sei „a strategic communication process that builds mutually beneficial relationships between organizations and their publics”, verkündet die Organisation offiziell unter der feierlichen Überschrift „A Modern Definition of Public Relations”. Grundlage dieses mit langem Anlauf fabrizierten Announcements ist eine Online-Abstimmung, an der sich 1.447 PR-Profis beteiligt haben. Hoffentlich waren es Profis!

46,4 Prozent von ihnen haben sich für diese Definition entschieden. Die übrigen Befragungsteilnehmer, also mehr als die Hälfte, votierten für zwei konkurrierende Alternativvorschläge.


Ideologie der Nachkriegsjahre
Die basisdemokratisch erneuerte, inhaltlich erschreckend simple Definition des Berufsbildes soll in der PRSA-Welt eine in die Jahre gekommene Beschreibung aus den frühen Achtzigern ersetzen. In Deutschland bringt sie bis auf weiteres allenfalls Insider in Wallung. Deren Kritik richtet sich gegen die idealistische Formulierung des „gegenseitigen Profitierens“ („mutually beneficial relationships“) von Organisation und ihren Öffentlichkeiten als Zweck von PR. Derlei habe man hierzulande doch schon vor Jahren über Bord geworfen: „Interessenausgleich“, „Vermittlung“ und „Verständnis“ seien Kategorien einer vorsichtigen, vom Streben nach Konsens geprägten PR-Anschauung der frühen Nachkriegsjahre in der Bundesrepublik; längst aber gehe es doch darum, den von Partikularinteressen geleiteten Charakter von PR endlich anzuerkennen und zu benennen.

Dem schließe ich mich unumwunden an. PR hat nicht die Aufgabe, die Welt zu verbessern, sondern handfeste Interessen durchzusetzen, wobei ethische Regeln gelten. Anders als in der klassischen Werbung wird das Individuum nicht berieselt, sondern als Meinungsbildner angesprochen und aktiviert (verkürzt gesagt). Das aber macht PR nicht per se zur „besseren“ Kommunikationsart.


Zwischen Zielen und Instrumenten
Bevor wir uns jetzt in Spitzfindigkeiten über „mutual benefits“ und deren kaum zu leistende Übersetzung im kulturellen Kontext verlieren, sei der Blick auf die beiden anderen Definitionen gestattet, die in den USA zur Wahl standen. Die eine ging, bei der gleichen naiven Zielformulierung, stärker handwerklich auf Instrumente ein („researching, communicating and collaborating with publics“); die andere benannte ein eher vages Prinzip („engagement between organizations and publics“), immerhin mit dem ehrlichen Bekenntnis, dabei Ziele im Sinne der Organisation durchsetzen zu wollen.

In den USA aber hat man sich jetzt offensichtlich für die allgemeinste aller angebotenen Definitionen entschieden. Das Ergebnis hilft nicht weiter. Es ist zu abstrakt, als dass es einer Profession auf der Suche nach Identität die Richtung weisen könnte. Irgendwo zwischen den praktischen Instrumenten und den abstrakten Zielen von „PR“ oszilliert ihr Mechanismus: das Prinzip von Meinungsbildung in Öffentlichkeiten. Hier könnte man ansetzen.
Wo, zum Teufel, ist bloß das kleine rote Buch abgeblieben?

Magazin & Werkstatt