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News / Das Euro-Krisen-Desaster
Karl-Heinz Heuser ist seit 2005 CEO bei Burson-Marsteller Deutschland in Frankfurt
21.11.2011   News
Das Euro-Krisen-Desaster
 
„Bild“ hat in der Euro-Krise Politik besser erklärt als die Bundesregierung, kritisiert Burson-Marsteller-Deutschland-Chef Karl-Heinz Heuser. Zudem erklärt er, wie sich Firmen vor Angriffen durch NGOs schützen können. Wir stecken immer noch tief in der Euro-Krise – wie beurteilen Sie die Kommunikation politischer Entscheidungsträger?
Die Kommunikation der Bundesregierung rund um den Euro verdient nur den Begriff Desaster. Die Deutungshoheit über das, was politisch vonstatten gegangen ist, hatten die Medien und allen voran „Bild“ – und nicht die Regierung. Das finde ich auch institutionell erbärmlich, weil die Bundesregierung ja mit dem Presse- und Informationsamt die größte PR-Agentur der Republik für einen Haufen Geld finanziert.
Die „Bild“-Zeitung kommuniziert mit den Bürgern, macht ihnen Vorschläge, liefert Ideen, und das tut die Bundesregierung überhaupt nicht.

Aus den jüngsten Krisen ist die „Occupy-Bewegung“ hervorgegangen. Hat diese eine neue Qualität als Weckruf für Politik und Wirtschaft, einen stärkeren Dialog mit ihren Stakeholdern zu führen?
Ich bin nicht der Meinung, dass dies so etwas Neues ist. Es gab schon früher Proteste, etwa in Gorleben und gegen die Startbahn West in Frankfurt oder als jüngstes Beispiel gegen Stuttgart 21. International gab es etwa die Peace-Bewegungen. Was ich bemerkenswert finde, ist, dass sich parallel zu der Internationalität der sozialen Netzwerke jetzt auch etwas entwickelt, das man physisch bemerken kann und was international eine einheitliche Zielsetzung hat.
Auch wenn Social Media eine wachsende Rolle bei Protestbewegungen spielt: Sehen sie für die Social-Media-Nutzung durch Firmen ein Plateau erreicht?
Social Media wird sich weiterentwickeln, wenn auch nicht in allen Facetten quantitativ, aber durchaus qualitativ. Soziale Netzwerke sind ja primär für die Kommunikation zwischen Menschen gemacht. Ich denke, es wird eine Weiterentwicklung geben, weil sich Unternehmen fragen: Wie kann ich die ganzen Kontakte, also Menschen, die sich mit mir als Unternehmen beschäftigen, qualitativ für mich besser nutzen? Ich brauche vielleicht nicht 200.000 Fans, wenn es mir auf 10.000 echte Freunde ankommt. Die sozialen Medien müssen sich im Alltag im Leben der Menschen bewähren – und da geht es um Qualität.

Ihre Agentur hat in einer Studie dargelegt, wie Firmen von einem effektiv kommunizierten gesellschaftsorientierten Selbstverständnis profitieren. Ist CSR-Engagement ein wirksamer Schutz vor Reputationsrisiken? Der Autobauer Volkswagen hat nach Ansicht vieler Beobachter eine ordentliche Umwelt- und Sozialperformance – und ist gleichzeitig Ziel einer Greenpeace-Kampagne.
Dieses Beispiel zeigt, dass manche NGOs sich auf bestimmte Marken oder Unternehmen einschießen, weil sie sich davon den besten Marketingerfolg versprechen. Von großen Firmen wie Volkswagen erwartet man ein größeres gesellschaft- liches Grundverständnis. Deshalb beschäftigt sich Greenpeace mit VW und nicht etwa mit Smart. Ein gesellschaftliches Engagement allein bietet aber noch keinen Schutz. Das haben wir in unserer Studie ermittelt und wir haben gezeigt, wie Marken durch NGO-Aktivitäten verwundbar werden können.

Welchen Schutz gibt es hier?
Eine frühzeitige Kommunikation und ein frühzeitiger Dialog. Dazu muss man die Fühler weit im Markt haben und die Instrumente haben, um zu erkennen, womit beschäftigen sich große NGOs und womit werden sie sich bald beschäftigen?

Also hätte der VW-Chef eher mit Greenpeace sprechen sollen.
Ja, aber man muss auch eine Chance sehen, dass dabei etwas herauskommt. Volkswagen vergibt gerade die Chance, durch Offenheit und Dialog eine persönliche Beziehung zum Gegner aufzubauen.
Interview: Hans-Dieter Sohn

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