Vitaminkick fürs Hirn
Frisches Denken, neue Impulse, den Horizont erweitern: Weiterbildung geht alle an – vom Kommunikationschef bis zum PR-Volontär. Die Investition in Workshops und Webinare, Kurse und Coachings macht sich bezahlt. Sie fördert die Innovationskraft und Eigenmotivation, eröffnet persönliche Karrierechancen und bringt das Unternehmen voran. Von Christina Busse
Um in einem dynamischen Arbeitsumfeld am Ball zu bleiben, müssen Mitarbeiter in PR-Agenturen und Kommunikationsabteilungen von Unternehmen ihre Fach- und Sozialkompetenzen ständig erweitern. „Fortbildung ist ein zentraler Faktor im Berufsleben“, betont Philip Müller, verantwortlich für die Steuerung des Aus- und Weiterbilders dapr und Geschäftsführer des PR Career Centers. Das Karriereportal für Berufseinsteiger in der PR-Branche hat sich unter jungen Fachkräften umgehört und festgestellt, dass sich zwei von fünf Befragten gern stärker weiterbilden würden – allen voran in den Bereichen Social Media (43 Prozent), BWL (41 Prozent), Konzeption (39 Prozent) und Controlling (37 Prozent). Doch fast die Hälfte aller Nachwuchskräfte fühlt sich von ihrem Arbeitgeber nicht genug unterstützt. „Hemmschuhe sind vor allem mangelnde Zeit und fehlendes Budget: Weiterbildungsmaßnahmen können einerseits zeitlich nicht mit dem Arbeitsalltag vereinbart werden. Andererseits ist die Finanzierung ein Problem, weil der Arbeitgeber nichts oder nicht genug beisteuert“, fasst Müller zusammen.
„Die enorme Konjunktur des Web 2.0 hält an.“
Tatsache ist: Agenturen und Unternehmen haben quer durch die Bank erkannt, dass Investitionen in die Fortbildung ihrer Mitarbeiter – vom Trainee bis zur Führungskraft – entscheidend sind, um sich auf dem Markt behaupten zu können. Laut einer aktuellen Umfrage der auf Marketing-Kommunikation spezialisierten Unternehmensberatung Die Kernforscher zum Thema „Weiterbildung“ stimmen 79 Prozent der befragten Agenturentscheider dieser Aussage zu. Gleichzeitig kürzt allerdings die Mehrheit (51 Prozent) die Ausgaben im Bereich Weiterbildung, wenn es insgesamt finanziell eng wird. Von den 52 befragten Agenturen gab der größte Teil an, weniger als fünf Prozent ihres Umsatzes in die Weiterbildung zu stecken. Besonders PR-Agenturen zeigen sich in Zeiten knapper Kassen sparsam in Bezug auf Fortbildung, während Unternehmen mit Kommunikationsabteilung beständig investieren. Agenturen legten erst in diesem Jahr wieder zu. „Viele PR-Mitarbeiter beweisen in der Weiterbildung Eigeninitiative und verhandeln mit ihren Arbeitgebern“, weiß Christina Fischbach, Geschäftsführerin des Heidelberger Aus- und Weiterbildungsinstituts PR Plus.
Damit sich Weiterbildung bezahlt macht, ist die strategische Einbindung der Maßnahmen in einen Personalentwicklungsplan sinnvoll. Besonders in komplexen Arbeitsfeldern und in den Soft Skills zeigt die über einen längeren Zeitraum angelegte Teilnahme Wirkung. „In den Jahresgesprächen, die mit rund einhundert Mitarbeitern stattfinden, wird erörtert, welche Fähigkeiten weiterentwickelt werden können. Daraus resultieren Weiterbildungsmaßnahmen bis hin zu Einzelcoachings für Führungskräfte“, erläutert beispielsweise Sybille Gast, Personalleiterin in der Kommunikationsagentur achtung! „Es ist unser Wunsch, dass jeder Mitarbeiter mindestens eine Fortbildung pro Jahr besucht.“
Die Bandbreite der Themen ist entsprechend der Qualifikation der einzelnen Mitarbeiter weit gefasst. Gewünscht sind der direkte Handlungsbezug und konkrete Einblicke durch Referenten aus der Praxis. „Damit die Teilnehmer vom ersten Tag an mit neuen Impulsen an ihre Arbeit herangehen können“, betont Christina Fischbach von PR Plus. Basics wie zum Beispiel Text, Presserecht, Konzept und Präsentation bringen die Junioren voran. Erfahrene Berater bilden sich im Projektmanagement, in Krisenkommunikation, Public Affairs und Corporate Social Responsibility weiter. Evaluation und Wertschöpfung sind ein wichtiges Thema, das Agenturen fit macht für Budgetverhandlungen mit Auftraggebern. „Umgang mit anspruchsvollen Kunden“ steht als gewünschtes Thema in der Befragung durch Die Kernforscher sogar an erster Stelle, gefolgt von Digital- und Social-Media-Lösungen.
„Die enorme Konjunktur des Web 2.0 hält an“, sind sich Weiterbildungsanbieter und PR-Praktiker einig. Von starkem Interesse ist mittlerweile, wie sich die Social-Media-Instrumente in die Kommunikationsstrategie einbeziehen lassen. Allem voran steht die Frage nach zielführenden Tools. „Die Anwendungen und Möglichkeiten müssen entsprechend auf die einzelnen Bereiche heruntergebrochen werden“, betont Felix Gress, Leiter Unternehmenskommunikation bei der Continental AG in Hannover. Wissen, Fähigkeiten und Inspiration in neuen Medien und innovativem Marketing vermittelt beispielsweise Simone Ashoff in ihrer 2009 gegründeten GoodSchool in Hamburg. Die ehemalige Geschäftsführerin von Jung von Matt/next setzt auf Praxisnähe, die es erleichtern soll, das Gelernte im Joballtag umzusetzen. Bei der Mobile Safari erfahren die Teilnehmer beispielsweise auf einer Tour durch die Stadt, wo und wie mobiles Marketing und mobile Kommunikation bereits im Alltag funktionieren.
Aber Ashoff weiß auch, dass Praxiswissen nicht alles ist. „Bei der Kultur und Organisation in den Unternehmen muss sich noch viel verändern. Das größte Problem sind aus meiner Sicht CEOs, die digital noch nicht auf Ballhöhe sind, sowie Prozesse und Strukturen alter Schule.“ Eines der nächsten Themen, das sie verstärkt auf Führungsebene angehen will, ist das Thema „Change Management 2.0“, für das sie gerade „einen ganzen Baukasten an digitalen Fitnessprogrammen“ entwickelt.
Lernformate sinnvoll kombinieren
Eine wachsende Rolle spielt Online auch in der Wissensvermittlung. E-Learning und sogenannte Webinare bieten den Vorteil, Weiterbildung ohne einen Ortswechsel mit der Tagesarbeit zu vereinbaren. Ein- bis dreitägige Präsenzseminare hingegen fördern konzentriertes Lernen und den fachlichen Austausch. Ein Lehrer, der für eine Sache brennt, vermittelt eine andere Lernatmosphäre als es beim Online-Seminar möglich ist. Externe Veranstaltungsorte tragen zur ungeteilten Aufmerksamkeit bei. Hier stört kein Anruf und kein Mailcheck in der Mittagspause die Konzentration. „Wie können Formate sinnvoll kombiniert werden?, ist eine der Fragen, mit denen wir uns intensiv beschäftigen“, berichtet depak-Leiter Christian Arns. Seine Erfahrung: Weiterbildungsmaßnahmen, die überwiegend online ablaufen, erhalten durch ein persönliches Treffen der Teilnehmer einen positiven Schub, die Interaktion wird intensiver. Fest steht für Arns, dass die Verknüpfung von Online-Seminar und Präsenzveranstaltung Zukunft hat. Hier sind weitere Erfahrungen und das Feedback von Teilnehmern und Referenten gefragt. Viele Themenbereiche sind zudem weit über den formellen Teil hinaus diskussionswürdig, und das Gespräch in der Kaffeepause bringt neue Impulse und Ideen. Nicht zu vergessen: In kleineren Unternehmen sind Pressesprecher oft Einzelkämpfer, die auf Weiterbildungsveranstaltungen bewusst den direkten Austausch mit Gleichgesinnten suchen. Wer sich intensiv intern mit einem Thema auseinandersetzen oder sich als Unternehmen oder Agentur nicht in die Karten blicken lassen möchte, zieht ein maßgeschneidertes Seminar vor. „Acht bis zehn Leute reichen für eine geschlossene Gruppe, in der man sich auf die relevanten Themen konzentrieren kann“, weiß Personalleiterin Sybille Gast.
Große Unternehmen und PR-Agenturen können oftmals aus dem eigenen Wissens-Pool schöpfen. Die PR-Agentur Ketchum Pleon zum Beispiel bündelt die Weiterbildungsangebote für ihre 1.000 Mitarbeiter in Europa, darunter etwa 350 in Deutschland, im internen Fortbildungsinstitut, der Ketchum Pleon University. Ein Stamm von 80 Ausbildern bietet eine große Bandbreite an Themen an, von den fachlichen Grundlagen der PR über Führungsthemen bis hin zu „Train-the-Trainer“-Sessions. Rund 200 Veranstaltungen werden im Jahr angeboten, von halbstündigen Webinaren bis hin zu dreitägigen Seminaren. „Das Curriculum wird im Intranet kommuniziert und der Nachfrage angepasst. Webinare können tagesaktuell organisiert werden“, berichtet Julia Menninga, Head of Learning and Development Europe Ketchum Pleon. Online-Befragungen von Führungskräften und Mitarbeiter-Fokusgruppen zeigen, zu welchen Themen es Bedarf gibt. Für 2012 resultieren daraus unter anderem Veranstaltungen zu Social Media und weiteren digitalen Inhalten, zum Thema Kreativität sowie Research and Measurement. „Wir fördern die Eigenverantwortung der Mitarbeiter hinsichtlich des Themas Weiterbildung und bieten ihnen individuelle Maßnahmen an“, erklärt Menninga und verweist auf die „gute Learning Culture“ im Unternehmen, die auf großer Motivation und Lernbereitschaft der Mitarbeiter basiere. Bei Ketchum Pleon gelte zudem die Regel, kein Seminar aufs Wochenende zu legen, um die Mitarbeiter nicht zusätzlich zu belasten.
Im Alltag Raum für Weiterbildung schaffen
Nicht überall wird das Thema Weiterbildung so aktiv unterstützt. In den meisten Agenturen und Unternehmen wird von den Mitarbeitern erwartet, dass sie einen Teil ihrer Freizeit investieren. Seminare sind meist am Freitag und Sonnabend terminiert.
Kurzfristige Absagen von Teilnehmern sind im Weiterbildungsgeschäft an der Tagesordnung: Das Agenturgeschäft nimmt die Mitarbeiter so in Anspruch, dass keine Zeit bleibt und die fachliche und persönliche Entwicklung immer wieder hintenangestellt wird. Trainerin Katrin Klemm, Die Kernforscher, stellt fest: „Damit ist ein Thema angesprochen, das zunehmend nachgefragt wird: Ich möchte lernen, ‚Nein‘ zu sagen. Sich von innen heraus gut steuern zu können, wird immer wichtiger. Dazu gehört es auch, sich im Agenturalltag Raum für Weiterbildung schaffen zu können.“ Aufgabe von Anbietern sei es deshalb auch, den konkreten Nutzen von Trainings zu diskutieren. In der Praxis stellt Klemm fest, dass Mitarbeiter mehr Weiterbildung wünschen, bei den Arbeitgebern aber keine Nachfrage ankommt. „Die Fragen, die dann im Raum stehen, sind doch die: Bin ich schon so unter Wasser, dass ich an nichts anderes mehr denken kann? Bin ich vom Tagesgeschäft so sehr in Anspruch genommen, dass ich mich um meine Weiterentwicklung nicht kümmern kann? Häufiger werden wir spontan angerufen, wenn es brennt. Wenn Leute nah am Burn-out sind. Dann gehört der Kollege erst einmal zum Arzt und dann zum Coach. Ein Training setzt früher an: Es bringt den Kunden zur Selbstreflexion. Es entsteht ein Bewusstsein dafür, wo es noch nicht so gut läuft. An der Stelle kann man dann gezielt ansetzen, konkrete Lösungen aufzeigen und neue Handlungsspielräume eröffnen“, führt Klemm aus.
Profitieren kann davon das gesamte Unternehmen. „Investitionen in der Weiterbildung dürfen nicht auf die lange Bank geschoben werden. Wer im Kampf um gute Leute an der Weiterentwicklung der Mitarbeiter spart, spart an der falschen Stelle“, betont Felix Gress von der Continental AG. Für ihn steht fest: „Weiterbildung gehört in die Tätigkeit integriert, denn sie ist keine Wunderwaffe, sondern eher mit gutem Wein zu vergleichen: Beide brauchen Zeit zum Reifen.“