Die Wertschätzung des PR-Personals im Palast
Es ist ja wirklich alles andere als ungewöhnlich, dass ein Unternehmen den PR-Chef auswechselt, wenn der Vorstandsvorsitzende geht. Bertelsmann hat einst Maßstäbe in der Wertschätzung seines PR-Personals gesetzt, als ein einziger Kommunikationschef vier (!) CEOs überlebte. Nun, die Zeiten ändern sich, auch in Gütersloh: Einen Tag nachdem der Medienkonzern die frappierte Öffentlichkeit darüber informiert hatte, dass Top-Manager Hartmut Ostrowski „aus privaten Gründen“ in den Aufsichtsrat wechseln würde, wurde offiziell, dass auch PR-Chef Thorsten Strauß seinen Schreibtisch räumen muss; den Job übernehme „mit sofortiger Wirkung“ Karin Schlautmann. Die 46-Jährige, über die in der 30-köpfigen PR-Abteilung von Bertelsmann erstmal kaum jemand etwas zu sagen wusste, war bisher Kommunikationschefin der Bertelsmann Stiftung. Bekannt ist: Ihre Wurzeln liegen im Glitzer-Journalismus – „Bild“, „Bunte“, „Gala“, „Frau im Spiegel“.
Irgendwo zwischen Google und Facebook
Man muss wissen, dass die Stiftung im Dallas Westfalens alles andere darstellt als ein Feigenblatt. Sondern dank Erb-Patriachin Liz Mohn das heimliche Kraftzentrum des Konzerns. Auf dem Betriebsgelände im provinziellen Gütersloh belauern sich die beiden großen Bürokomplexe gegenseitig: die AG zur Linken, zur Rechten die Stiftung, beide wie Realschulbauten verflossener Epochen anmutend, getrennt durch einen kreisrunden künstlichen See. Von dort hob einst ein CEO namens Thomas Middelhoff per Hubschrauber zu Concorde-Flügen nach New York ab. Aber auch das ist lange her.
Heute ist man zu Recht froh über die wiedererlangte Bodenständigkeit, aber mit den Jahren ist das einst gigantische Medienhaus eben auch klein geworden, irgendwo zwischen Google, Apple und Facebook. Am wichtigsten aber ist in der Gütersloher Zentrale traditionell, was im eigenen Palast passiert. Und gegenüber, in der Stiftung.
Kommunikationsmann Strauß, der 2008 im Fahrwasser von Ostrowski vom knüppeltrockenen Dienstleistungszweig Arvato zu Bertelsmann kam, leistete kommunikative Kärrnerarbeit: 2009 das größte Kostensenkungsprogramm in der Konzerngeschichte und der Tod Reihnard Mohns, 2010 Jubiläum (175), 2011 ein neuer Markenauftritt. Die Imagewerte stiegen, die PR wurde internationaler, vor allem durch das China-Geschäft. Außerdem gab es Wechsel im Top-Management bei Random House und Gruner+Jahr. Als Strauß jetzt abgelöst wurde, sah er sich gezwungen, auf Tauchstation zu gehen. Das wird den unter Kollegen geschätzten, bodenständigen Kumpeltyp mit hoher machiavellistischer Intelligenz und emotionaler Empathie mehr geschmerzt haben als der Abschied selbst, den man auch schlicht als Zeichen der Machtübernahme durch eine neue Entourage interpretieren kann.
Aus dem Palast von Liz Mohn sprach zu den Medien fortan die Stimme ihres Aufsichtsratschefs Gunter Thielen. Aus der eigentlich schlüssigen Geschichte, mit einem neuen CEO aus den eigenen Reihen in neue Zeiten aufzubrechen, wurde eine seltsame Story, in der mit Blick auf Ostrowski das Wort „Burnout“ vorkam. Geholfen hat das keinem. Geschadet haben dürfte es Bertelsmann am Ende aber auch nicht. Erfolgreiche mittelständische Familienunternehmen haben ihre eigene Logik.
Dass Strauß nicht in aller Ruhe seine Koffer packen konnte, bleibt schade. Hatte doch jener oben angesprochene, verflossene Langzeit-PR-Chef von Bertelsmann seinerzeit die Übergabe zu seinem Nachfolger über Monate fast quälend hinstrecken dürfen. Vielleicht hat man sich im Palast daran erinnert und wollte es nicht wiederholen. Auf Kosten der Wertschätzung des heutigen PR-Personals.
Sebastian Vesper ist Editorial Director von Haymarket in Deutschland. Von 1997 bis 2009 war er Chefredakteur beim PR Report.