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Einst „Bild“-Chefreporter und Regierungssprecher, heute „Superkommunikator“ bei AWD: Béla Anda
27.10.2011   News
„Es ist wichtig, Botschaften und Prozesse zu bündeln“
 
Beim Finanzdienstleister AWD ist Béla Anda für Marketing und PR verantwortlich. Der einstige Regierungssprecher unter Bundeskanzler Gerhard Schröder ist davon überzeugt, dass abteilungsübergreifende Handlungsfelder orchestriert werden müssen. Im Gespräch mit PR Report erläutert er, dass sich – anders als in der Politik – in Firmen vieles auch dann noch steuern lasse, wenn mehrere Mitarbeiter involviert sind. Herr Anda, die Forderung, sämtliche kommunikativen Funktionen eines Unternehmens bei einer Person zu bündeln, ist ungefähr so alt wie die Kommunikationsbranche selbst. Doch längst nicht überall ist diese Konstellation Realität. Haben Sie eine Erklärung, warum nicht?
Die formelle Trennung in Marketing hier und Presse- und PR-Abteilung dort hat in den meisten Unternehmen rein organisatorische Gründe, die in der Vergangenheit liegen. In der Realität aber gibt es heute in vielen Bereichen Überschneidungen von Marketing und PR. Nehmen Sie das ganze Thema Social Media. Gerade dort gibt es mittlerweile bekannte Beispiele dafür, dass es nicht immer zum Wohle des Unternehmens ist, wenn man es den Marketingleuten allein überlässt. Umgekehrt kann ein erfahrener Marketingmensch den PR-Leuten in vielen Situationen wertvolle Impulse geben. Employer Branding ist ein solches Schnittstellenthema, bei dem es darum geht, dass Unternehmen qualifizierte Absolventen an sich zu binden versuchen. Informationstechnologie ist ein weiterer Bereich, hier gibt es eine eigene Sprache und eigene Communities. Bei der Komplexität solcher und weiterer Themen wird es zunehmend wichtiger, Botschaften und Prozesse der Kommunikation zu bündeln. Ohne dem einen oder dem anderen etwas „wegzunehmen“.

Die Komplexität, die Sie ansprechen, verweist auf Spezialisten, die an den verschiedenen Themen arbeiten. Nun könnte man argumentieren, Kommunikation ist sowieso Chefsache des CEO, da braucht es keinen Oberkommunikator, sondern Profis in den einzelnen Bereichen: Investor Rela-tions im Finanzressort, Produkt-PR im Marketing, HR-Kommunikation im Personalwesen – und dann noch einen Wirtschaftspressesprecher. Viele Unternehmen machen das so.
Schön, wenn das funktioniert. Wenn der IR-Manager weiß, welche Botschaften von Analysten sekundenschnell zu den Finanzjournalisten weitergespielt werden, und dies auch steuern kann. Wenn der HR-Manager weiß, wie die Belegschaft seine Botschaften in die öffentlichen Netzwerke hinein weiterträgt. Und wenn sich dann auch noch alle gut absprechen – Hut ab! Meine Erfahrung ist, dass das selten funktioniert. Sondern dass viele Bereiche gern getrennt voneinander agieren. Ich habe es noch nicht erlebt, dass HR- und IR-Manager dieselbe Sprache sprechen. Abgesehen davon gibt es die schon angesprochenen komplexen, abteilungsübergreifenden Handlungsfelder wie Social Media, wo sich Kommunikation in Echtzeit vollzieht und aufs Unternehmen zurückwirkt. Das muss orchestriert werden, auch international.

Sie sind seit 2006 bei AWD. Inzwischen hat der charismatische Gründer Carsten Maschmeyer das Unternehmen an die Swiss Life verkauft. Welche Themen treiben die Kommunikation seither um?
In PR und Marketing beschäftigen wir uns natürlich mit dem Übergang von einer gründerzeitlichen Struktur und Prägung hin zu dezentraler Kommunikation in den Regionen und mit neuen Markenbotschaftern – zumal AWD als Vertriebsplattform im Konzern als eigenständige Marke bestehen bleibt und wir nicht nur Produkte unserer Muttergesellschaft im Portfolio haben, sondern die Produkte von bis zu 300 unterschiedlichen Anbietern – von der Allianz über HDI bis zur Zürich-Versicherung. Darüber hinaus haben wir es mit neuen Regularien in der Finanzwelt zu tun, beispielsweise mit dem neuen Finanzanlagen-Vermittlerrecht. Eine wichtige Aufgabe sehen wir darin, generell das positive Image des Finanzdienstleister-Berufs auszubauen.

Selbst unter Finanzleuten hat AWD eher das Image eines knüppelharten Strukturvertriebs.
Eben das sind wir nicht! Aber es stimmt schon: Unser Geschäftsmodell müssen wir jeden Tag neu erklären und uns dabei gegen Klischees aus den 90er-Jahren wehren. Zum Beispiel müssen wir erklären, dass die Provisionsbasis unserer Berater unabhängig vom vermittelten Produkt ist. Wir müssen gegen eine starke Lobby begründen, warum sich die Mehrheit der Menschen eine Finanzberatung nicht mehr wird leisten können, wenn Honorarberatung zur Pflicht wird. Und: Dass der AWD heute eben „AWD heute“ ist – mit strengen Regularien und ausschließlich IHK-geprüften Finanzberatern. Zunehmend wird dies auch in der Öffentlichkeit positiv wahrgenommen. Als beispielsweise bekannt wurde, dass der bisherige AWD-Deutschland-Chef Dr. Rolf Wiswesser in den Ergo-Vorstand wechselt, war allen Kommentatoren klar: Hier holt sich die in die Krise geratene Ergo-Versicherung einen erfahrenen Branchenprofi, der bei AWD viel Positives auf den Weg gebracht hat.

Das Unternehmensleitbild betont die Werte „Kundenorientierung“, „Qualität“, „Professionalität“, „Vertrauen“ und „Teamgeist“. Haben Sie als Kommunikator da mitgewirkt?
Ja, als Teil eines Teams. Mit unserem Code of Conduct und dem Unternehmensleitbild haben wir eine Pyramide geschaffen, die demnächst durch die Unternehmensvision komplettiert wird. Das vollzieht sich in Workshops und verschiedenen Stufen. Im kommenden Jahr werden wir „Kundenorientierung“ zum „Wert des Jahres“ ausrufen. Das passt auch hervorragend zu entsprechenden Zielen bei unserer Konzernmutter Swiss Life.

Wie organisieren und steuern Sie Social-Media-Aktivitäten im Unternehmen?
Indem wir Leitplanken setzen mit Social-Media-Guidelines und den einzelnen Gesellschaften entsprechende Freiräume gewähren. AWD ist ja nicht nur als AWD-Deutschland eine Tochtergesellschaft von Swiss Life, sondern als Marke mit elf Gesellschaften in acht Ländern aktiv. Das heißt: Die einzelnen Gesellschaften müssen die Freiheiten haben zu entscheiden: Macht eine Seite auf Facebook Sinn? Unsere Kollegen in UK haben sich beispielsweise dagegen und für die Nutzung des Business-Portals LinkedIn entschieden. Unsere Gesellschaft in Tschechien dagegen nutzt Facebook sehr aktiv. Insgesamt geht es in jeder Region bei Social Media um ein „Best of all“, nicht um eine Kopie dessen, was sich irgendwo anders auf der Welt als richtig erwiesen hat.

Sie waren Sprecher von Kanzler Gerhard Schröder und hatten in Carsten Maschmeyer einen dank-baren Typen für CEO-Profiling. Vermissen Sie diesen Hebel?
In der ersten Bankenkrise war es für AWD gut und richtig, dass Carsten Maschmeyer neben dem alles überstrahlenden Josef Ackermann der einzige Manager der Finanzwelt war, der den Mut hatte und dieses Thema in der Öffentlichkeit sichtbar begleitete. Aber Zeiten ändern sich. Heute muss ein CEO nicht mehr zwangsläufig bei Günther Jauch oder Anne Will auftreten. Im Gegenteil: Kommunikation wird von vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen gemacht. Wichtig ist eine gute Koordination der verschiedenen Aktivitäten. Denn die muss präzise abgestimmt sein – wie ein Schweizer Uhrwerk.

Ein Kommunikationschef wird intern ja zwangsläufig als „His Master’s Voice“ wahrgenommen – soll aber andererseits vermitteln, erklären und muss mitunter „heilen“. Wie lösen Sie dieses Dilemma?
Durch persönliche Offenheit und indem ich Gelegenheiten und feste Runden für den Austausch mit vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen anbiete. Dieses „Dilemma“, wie Sie es nennen, hat allerdings jeder Kommunikationschef.

Wie viele ehemalige Journalisten haben Sie sich irgendwann für einen Wechsel auf die PR-Seite entschieden. Würden Sie das wieder tun?
Auf jeden Fall. Ob man für eine Regierung kommuniziert oder für ein Unternehmen: Man hat doch ganz andere Einblicke als von der berühmten „anderen Seite des Schreibtisches“ aus.

Was ist im Unternehmen anders als in der Politik?
Wirtschaft ist schneller, direkter und näher an Markt und Mensch als Politik. Anders sind auch kommunikative Disziplin, Vertraulichkeit und Verlässlichkeit. In der Politik war es manchmal schon zu viel, wenn drei Leute von einer Sache wussten. Einer hat dann immer geplaudert. Im Unternehmen lässt sich vieles auch dann noch steuern, wenn mehrere Mitarbeiter involviert sind. Für mich war das eine angenehme Erfahrung.
Foto: André Schrieber
 

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