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29.09.2011   News
Per Studium zum Strippenzieher
 
Immer noch haftet dem Job des Lobbyisten das Image des extrovertierten Selfmademan aus der Wirtschaft an, dessen Hauptkapital das volle Adressbuch ist. Das soll sich mittels akademischer Aus- und Fortbildung nun ändern. Und: NGOs gewinnen als Arbeitgeber an Bedeutung. Von Geraldine Friedrich

Die gute Nachricht vorab: Wer Lobbyist werden will, muss weder eine Ministerkarriere hinter sich haben noch von Haus aus mit Politikerkontakten gesegnet sein. Das Wesen der Public Affairs, so der von Lobby-Profis bevorzugte Ausdruck, lässt sich lernen. Behaupten zumindest Myriam Nauerz, Leiterin des 2010 neu geschaffenen Studiengangs „European Public Affairs“ an der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW) in Berlin, und Thorsten Hofmann, geschäftsführender Gesellschafter der Kommunikationsberatung Advice Partners und Fellow für den Master of Business Administration „Public Affairs“ bei der DUW-Konkurrenz, der Quadriga-Hochschule Berlin. „Public Affairs ist eine Managementdisziplin – es geht nicht darum, jemanden zu kennen, sondern zu wissen, wie die Abläufe funktionieren“, erklärt Hofmann. Zudem sei gerade das Knüpfen von Kontakten in Brüssel vergleichsweise einfach. „Brüssel ist für Leute, die noch keine Kontakte in die Politik haben, sehr durchlässig, auch im Vergleich zu Berlin, wo eher noch die informellen Kontakte zählen. Da ist es für junge Lobbyisten beispielsweise nicht schwer, Kontakt zu einem Mitarbeiter der EU-Kommission zu bekommen“, meint Nauerz. Die 34-jährige Politikwissenschaftlerin arbeitete vor ihrer Zeit in Berlin in Brüssel für einen Europa-Abgeordneten der SPD.

Mehr als Beziehungsmanagement
Das Bild des Strippenziehers, der versucht, Politiker zu manipulieren, herrscht in der Bevölkerung jedoch immer noch vor. Nauerz legt Wert darauf, dass der Informationstransfer nicht nur „in die eine Richtung“ stattfindet, nämlich von Lobbyist zu Politiker, sondern auch umgekehrt. Monitoring nennt sich das dann auf Neudeutsch. Cornelius Winter, geschäftsführender Partner bei Ketchum Pleon und Mitglied des Expertenbeirats für den neuen DUW-Studiengang, findet denn auch, dass Public-Affairs-Manager das „Gras wachsen hören“ müssen. Und Bernd Buschhausen, bei Edelman in Berlin zuständig für Public Affairs, glaubt, dass viele immer noch denken, dass Public Affairs in erster Linie Beziehungsmanagement sei: „In Wirklichkeit ist aber viel Handwerkliches aus verschiedenen Kommunikationsdisziplinen gefragt: Wie erkenne ich politische Entwicklungen sehr früh? Wie entwickle ich Botschaften? Wie schreibe ich Positionspapiere? Und welchen Akteur kann ich wie einbinden, damit meine Position gehört wird?“ Edelman bildet derzeit zwei Trainees in Public Affairs aus. Diese Ausbildung richtet sich allerdings an Berufseinsteiger, während die Masterstudiengänge meist mindestens fünf Jahre Berufserfahrung erfordern. Kommunikationsberater Hofmann erläutert: „Politische Abläufe, Gesetzgebungsverfahren, wirtschaftspolitische Zusammenhänge, sprachliche Fähigkeiten und analytische Fähigkeiten – all das lässt sich lernen. Ein Public-Affairs-Manager muss zusätzlich die Fähigkeit entwickeln, die genauen Bedürfnisse seines gesellschaftlichen Gegenübers zu erkennen, und daraus die entsprechenden Maßnahmen ableiten können. Diese müssen natürlich konform mit den Interessen seines Auftrag- oder Arbeitgebers sein.“ Ein Public-Affairs-Manager neuer Schule sollte also vor allem folgende Tugenden beherrschen: Zuhören und Einfühlungsvermögen sowie den Willen, beides einzusetzen.

Dass der Beruf des Lobbyisten zunehmend per Masterstudium akademische Weihen erhält, hat vor allem eine Ursache: die geringe Quantität und Qualität der verfügbaren Public-Affairs-Manager vor zehn Jahren. Hofmann erinnert sich an die Zeit vor der vor wenigen Jahren einsetzenden Professionalisierung seiner Disziplin: „2001 gab es diese Form des Berufsstandes in Deutschland nicht. Damals fand ich es erschreckend, wie gering das politische Verständnis der Wirtschaft gegenüber Politik und Verwaltung war.“ Seit 2009 existiert nun der MBA-Studiengang „Public Affairs & Leadership“ an der Quadriga-Hochschule Berlin. Mit dem erst 2010 gestarteten Masterstudiengang „European Public Affairs“ bietet die DUW nun den zweiten berufsbegleitenden Masterstudiengang in Deutschland an, der mittels praktischer Fallstudien, aber eben auch mithilfe von wissenschaftlichen Theorien „ein vertieftes Verständnis für die Institutionen und Entscheidungsprozesse der EU“ vermitteln will, wie es in einem Informationsblatt zu Teilstipendien für den DUW-Masterstudiengang heißt. Das Besondere an diesem Programm ist die Spezialisierung auf die Europäische Union mit ihren Institutionen, während der Quadriga-MBA sein Augenmerk gleichermaßen auf Prozesse in Berlin und Brüssel legt. Wichtig sei, so Peter Filzmaier, wissenschaftlicher Leiter des DUW-Studiengangs, dass Interessenten für diesen Studiengang in ihrem Job schon einen Bezug zur Europäischen Union haben und sich auch schon ein konkretes Fachgebiet wie beispielsweise Gesundheit oder Energie vorstellen können, in dem sie später arbeiten wollen. Der 44-jährige Universitätsprofessor zweier österreichischer Universitäten unterrichtet und forscht in Fächern wie Politische Kommunikation sowie Politik- und Wahlanalysen.

Jung, aber mit Berufserfahrung
Zielgruppe des DUW-Masters sind junge Berufstätige von Mitte 20 bis Ende 30, die bereits ein Hochschulstudium abgeschlossen haben und – je nach Alter – über mehr oder weniger Berufserfahrung verfügen. Das Durchschnittsalter der Absolventen des Quadriga-MBAs „Public Affairs & Leadership“ liege laut Hofmann bei 35 Jahren, alle verfügen über mindestens fünf Jahre Berufserfahrung. Wichtig sei auch die Zusammensetzung der Klassen. „Wir achten auf die Mischung, denn die Studenten haben ja bereits einen Job und wissen in der Regel, welche Interessen sie später vertreten wollen“, sagt Hofmann.

Richtiger Mix für ein gutes Netzwerk
Gewünscht sei ein Mix aus studierenden Mitarbeitern von Verbänden, Nichtregierungsorganisationen, mittelständischen Unternehmen und großen Konzernen. Das hat zum einen den Vorteil, dass die angehenden Masterabsolventen bereits im Studium voneinander lernen können, zum zweiten bildet eine Kleinklasse aber eben auch die Grundlage für ein auf Public Affairs spezialisiertes Netzwerk. Laut Angaben beider Hochschulen gebe es kaum Studierende, die das Studium komplett selbst finanzieren müssen, die Mehrheit erhalte Stipendien von Organisationen oder bekomme einen Teil der Gebühren von ihrem Arbeitgeber bezahlt.

Angeblich soll sich die Fortbildung schnell amortisieren. Laut Hofmann können Leute mit dem Quadriga-MBA-Abschluss um die Hälfte mehr verdienen als sie vorher auf dem Gehaltsstreifen hatten. Der Krisen-PR-Experte und promovierte Psychologe beschäftigt in seiner Kommunikationsberatung 45 Public-Affairs-Profis in Berlin und 18 in Brüssel. Ein Berater, der vormals 65.000 Euro verdiene, könne bei ihm demnach mit besagtem MBA als Seniorberater ein Gehalt von 80.000 bis 90.000 Euro und mehr erreichen. Auch Nauerz bestätigt diese Größenordnung. Gemäß der DUW-Studiengangleiterin verdienen angestellte Lobbyisten in großen Unternehmen zwischen 80.000 und 100.000 Euro. Allerdings gebe es gerade bei den Nichtregierungsorganisationen Mitarbeiter, die mit einem Teilzeitpensum von 50 Prozent in der Gehaltsspanne zwischen 20.000 und 30.000 Euro liegen. „Viele arbeiten auch aus ideellen Gründen für eine Organisation. Geld ist nicht immer das Entscheidende“, erklärt Nauerz. Gerade bei jungen Leuten sei dies der Fall. Themen wie Gleichberechtigung, Umweltschutz und Menschenrechte finden in Brüssel mittlerweile ein ganz anderes Gehör als noch vor 20 Jahren. Damals kamen drei Viertel aller Interessens- vertreter noch aus der Wirtschaft, mittlerweile vertrete laut Nauerz die Mehrheit aller Lobbyisten „zivilgesellschaftliche Interessen“.

Public Affairs in Agenturen lernen
Ein Einstieg in das Berufsfeld Public Affairs ist auch als Trainee bei einer PR-Agentur wie beispielsweise Edelman möglich: Diese Variante eignet sich allerdings eher für Berufsanfänger, die noch über wenig Berufserfahrung verfügen, aber schon wissen, dass sie sich innerhalb der PR auf das Fach Public Affairs spezialisieren wollen. Die Ausbildung dauert 18 Monate, Theorie (interne und externe Schulungen) und Praxis wechseln sich ab. In der Regel bringen die Anfänger ein abgeschlossenes Hochschulstudium und erste praktische Erfahrungen wie Praktika im Bundestag, bei Nichtregierungsorganisationen oder in Agenturen mit. Eventuell kann es sinnvoll sein, nach einigen Jahren Berufserfahrung einen Masterstudiengang anzuschließen.

Tipps für Interessenten
Außer den üblichen Kompetenzen wie Teamfähigkeit, strategisches Denkvermögen und Stressresistenz sollten Bewerber für einen Masterstudiengang in Public Affairs in hohem Maß politisch interessiert sein. Gut ist es, wenn man bereits mit verschiedenen politischen Systemen in Berührung gekommen ist.Sprachkenntnisse: Wer in Brüssel arbeiten will, muss in Englisch verhandeln können und am besten noch in einer weiteren Sprache fit sein. Auch hier gilt: Man sollte ehrlich gegen sich selbst sein. Ist mein Englisch wirklich so gut? Und falls nicht: Habe ich das Talent, Defizite aufzuholen?Wer gerade einen neuen Job angenommen hat, ein Haus baut und zudem noch das zweite Kind erwartet, sollte sich genau überlegen, ob er den zusätzlichen Zeitaufwand für ein berufsbegleitendes Masterstudium aufbringen kann.

Zwei Studiengänge, ein Ziel: Bessere Lobbyisten
Der berufsbegleitende Masterstudiengang European Public Affairs dauert 24 Monate und schließt mit dem Titel Master of Arts (M.A.) ab. Pro Monat kostet das Studium 625 Euro, insgesamt betragen die Kosten demnach 15.000 Euro. 18 Tage wird vor Ort studiert, der Rest läuft bei eigener Zeiteinteilung im Selbststudium online oder mittels Studienmaterialien. Fakultativ ist eine Studienwoche in Brüssel. Ein Einstieg ist jederzeit möglich, derzeit bietet das DUW auch einen kostenlosen Probemonat an. Das Studium kann mittels eines formlosen Antrags jederzeit unterbrochen werden, für diese Zeit muss der Teilnehmer keine Studiengebühren bezahlen. Derzeit läuft der Studiengang in einer Art Testphase mit drei Studierenden. Vorausgesetzt werden mindestens zwei Jahre Berufserfahrung. Weitere Informationen im Internet unter www.duw-berlin.de.

Der ebenfalls berufsbegleitende Masterstudiengang Public Affairs & Leadership dauert 18 Monate und schließt mit dem Titel Master of Business Administration (MBA) ab. Gesamtkosten: 21.000 Euro. Das Studium beginnt alljährlich am 1. April, ein Zwischeneinstieg ist nicht möglich. Die Präsenzzeit liegt bei insgesamt 60 Tagen in Berlin (ein Mal pro Monat von Donnerstag bis Sonntag) plus eine Exkursion nach Brüssel. Der zusätzliche Aufwand umfasst monatlich 100 Stunden. Die maximale Klassenstärke liegt bei 18 Personen, wobei nach Hochschulangaben lieber ein bis zwei Bewerber weniger genommen werden, wenn ihre Qualifikation nicht den gewünschten Standards entspricht oder ihre Lebenssituation nicht zum Arbeitspensum passt. Voraussetzung: gute Englischkenntnisse (TOEFL-Test) und mindestens drei bis fünf Jahre Berufserfahrung. www.quadriga.eu
Anmerkung: Der Unterschied zwischen einem Master of Arts (M.A.) und einem Master of Business Administration (MBA) besteht in der inhaltlichen beziehungsweise fachlichen Ausrichtung des jeweils ab-solvierten Studiengangs. M.A. bezeichnet den Abschluss eines sozial-, geistes- oder wirtschaftswissenschaftlichen Masterstudiengangs, MBA wird vor allem für Abschlüsse von wirtschaftswissenschaftlich ausgerichteten Studiengängen verwendet. Letztere behandeln alle wichtigen Managementfunktionen wie Rechnungswesen, Wirtschaftsrecht, Personalführung, Informationstechnik, Marketing und Vertrieb. Beide stehen für einen akademischen Grad und gelten als gleichwertig.
 

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