Das stehen sie nun, die Glitzerwelten der Automobilhersteller, in Stuttgart, München und Wolfsburg: Ihre Tradition, ihre Innovationen und Zukunftsvisionen gekleidet in futuristische Architektur – derzeit etwas unpassend zur Wirtschaftslage. Von Peer Brockhöfer
Wenn die Deutschen Ihre Autos so sehr verehren, haben sie in den vergangenen Jahren die passenden Kirchen dazu bekommen. Den Anfang haben die Wolfsburger mit der Autostadt gemacht, die im Jahr 2000 eröffnet wurde. Die zentralen Fragen, die hier mit der Mischung aus Kundenzentrum, Museum und Markenwelt beantwortet werden sollen, lauten: Was motiviert Menschen zu Höchstleistungen? Welche Kraft steckt unter einer Motorhaube? Und wer bewegt die Wirtschaft der Zukunft? Die VW-Autostadt huldigt dem Automobil als einer der wichtigsten Errungenschaften der vergangenen Jahrhunderte. Dass Volkswagen dabei eine führende Rolle spielt, ist die Unternehmensbotschaft, die sich in technischen, historischen und lehrreichen Attraktionen verbirgt. Der Gläubige kann seinen Phaeton direkt in der Autostadt abholen. Er wird aus einem der beiden 50 Meter hohen Autotürme mit zwei Metern pro Sekunde zu ihm herabgelassen. Die Technik dafür hat mittlerweile einen Eintrag im Guinness Buch der Rekorde.
Auch bei der BMW Welt, die im Herbst 2007 eingeweiht wurde, ist es möglich, die bestellte Limousine oder den Roadster in Empfang zu nehmen. Mercedes-Benz stellte 2006 seine „Welt“ in Stuttgart fertig, Neuwagen können im Mercedes-Benz Center um die Ecke abgeholt werden. In diesem Januar wurde das Porsche Museum in Zuffenhausen eröffnet, wo es überhaupt keine Neuwagen gibt. Dafür sehen die Sportwagen-Aussteller sich als „rollendes Museum“: 80 der insgesamt 400 Oldtimer sind im Museum zu besichtigen – die anderen werden auf Klassik-Rennen geschickt. Allesamt zeichnen sich die Bauten durch ihre futuristische Architektur aus. Hunderte Architekturbüros bewerben sich bei jedem Projekt darum, die Visionen der Konzerne umzusetzen. In weitläufigen hohen Hallen werden die Ikonen des Autobaus und die damit zusammenhängenden Errungenschaften der Technik ausgestellt. „Das Gebäude hat nicht die Langeweile einer Messehalle, es ist nicht nur Tempel, sondern auch Marktplatz und Kommunikationszentrum und Treffpunkt für den Wissenstransfer“, sagte der Architekt Wolf D. Prix beim Eröffnungsfestakt der BMW Welt. „Wenn der Händler die Stadtkirche ist, dann ist die BMW Welt der Petersdom“, fügte Vorstandsmitglied Michael Ganal hinzu.
Auch wer das Mercedes Benz Museum betritt, fühlt sich angesichts der Höhe der inneren Halle ganz klein. Andächtig schauen die Besucher nach oben, dorthin wo die Kapseln der Fahrstühle ihre Gäste in 45 Metern Höhe in die beiden Rundgänge um das Atrium nach unten entlassen. Eine Kathedrale wie aus einem Science Fiction Film, angelegt nach dem Vorbild einer DNA-Doppelhelix.
WallfahrtenDas Konzept der Markenstrategen, eine Marke und ihre Tradition in modernem Ambiente erlebbar zu machen,geht auf. Die BMW Welt, in direkter Nachbarschaft zum neuen BMW Museum (wiedereröffnet im Juni 2008), der Firmenzentrale und dem BMW-Werk, konnte bisher drei Millionen Besucher empfangen. Wolfsburg, eigentlich überhaupt kein Touristenmagnet, konnte bis 2004 die Anzahl der Übernachtungen pro Jahr um 21,5 Prozent steigern. Mehr als sechs Millionen Menschen besuchen mittlerweile die Stadt im Jahr. Die Autostadt ist nicht nur ein Auslieferungszentrum mit Ausstellungshallen, sondern ein Erlebnispark mit riesigem Außengelände und Fahrgeschäften. Bildung und Lernen sind zentrale Bestandteile des Konzepts, das sich stark an Schulen richtet.
Die BMW Welt geht einen ähnlichen Weg. Der Mythos ums Automobil ist für die Unternehmen jedoch kein Selbstzweck. In dem schon seit Jahren hart umkämpften Markt ist es mit Imagebroschüren, 18/1-Plakaten und spektakulären Werbesports nicht mehr getan. „In Deutschland herrscht Verdrängungswettbewerb“, sagt Rudolf Wiedemann, der Leiter der BMW Welt. Das PR-Spektakel während der Einführung des neuen Mini hat deutlich gezeigt, wie weit Automobil-Konzerne bereit sind zu gehen, um eine Marke mit Leben zu füllen. Kurzfilme, Kriminalromane, Mode-Kollektionen, Veranstaltungsreihen und Schnitzelfahrten in europäischen Metropolen – es wurden alle PR-Register gezogen. Und es hat funktioniert. Auch deswegen, weil ein Auto ein zentrales lebensbestimmendes Element ist.
In Deutschland ist die Automobilindustrie zudem zentraler Bestandteil der Wirtschaft, sie verkörpert den wirtschaftlichen Aufstieg des Landes und die Wirtschaftswunderjahre der Nachkriegszeit. Auf sie werden die Hoffnungen in die Zukunft projiziert. Deswegen funktionieren auch die Auto-Welten. Früher, so sagt der Architekt Prix, hätten Fürstenhäuser mit ihren Prachtbauten das Bild einer Stadt geprägt – heute hätten das die Autobauer mit ihren technisch und ästhetisch spektakulären Bauten übernommen.
Der König ist totOpel hingegen hat nur ein vergleichsweise kleines Museum in Rüsselsheim, das 1976 eröffnet wurde. Eine Opel-Welt wird es wohl nicht mehr geben, auch wenn die Opel-Fans zu den treuesten Marken-Jüngern zählen. Aber ähnliches sagt man ja auch Saab-Fahrern nach. Aber auch ohne Marken-Kolosseum hat die Traditionsmarke derzeit mehr Symbolwirkung als die vier anderen Autobauer zusammen. Opel wird nie wieder Opel sein, auch wenn der Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg versucht, alle Möglichkeiten auszuschöpfen. Vielleicht wird er Arbeitsplätze retten – mehr aber auch nicht.
Die Glitzerwelten von BMW, Mercedes-Benz, Volkswagen und Porsche wirken angesichts der Finanz- und Wirtschaftsmisere plötzlich skurril, fast bizarr. Angesichts der Investitionssummen der Ausstellungshallen sind Forderungen nach direkter staatlicher Unterstützung kaum zu vermitteln.
Dank der Abwrack-Prämie ist der Autoabsatz in Deutschland im Februar im Vergleich zum Vorjahresmonat um rund 21 Prozent auf etwa 278.000 Stück angestiegen. Allerdings haben die Premiumhersteller nicht viel davon. Mercedes-Benz verzeichnete in Europa die größten Einbußen. Der Absatz sank um fast 30 Prozent auf 42.600 Autos. Beim Wettbewerber BMW gingen die Verkäufe mit minus 29 Prozent auf 40.900 Wagen ebenso zurück. Besser schlug sich Volkswagen mit einem konzernweiten Minus von über zehn Prozent auf 210.300 Fahrzeuge.
Der Wirbel um die gebeutelte Automobilindustrie schlägt sich auch in den Besucherzentren nieder. Im vergangenen Jahr verzeichnete das Mercedes-Benz Museum 150.000 Besucher weniger als im Vorjahr. Auf mehr Gäste hoffen die Betreiber der Markenplattform durch eine Sonderausstellung zum 175. Geburtstag des Firmenvaters Gottlieb Daimler, die Mitte März eröffnet wurde. Gleichzeitig startete der „Mercedes Benz Young Classic Store“ als Pilotprojekt, bei dem 15 bis 30 Jahre alte Klassiker verkauft und repariert werden. Back to the Roots in schwierigen Zeiten. Derzeit fraglich, ob die Automobilindustrie der Motor der Zukunft sein wird, wie es in der Autostadt vermittelt wird.