Christian Giesen wollte zum Radio und hatte nichts mit Banken, Bonitäten und Börsen im Sinn. Heute ist er Pressesprecher bei Fitch Deutschland. Von Peer Brockhöfer
In letzter Zeit hatte Christian Giesen mehr Anfragen als sonst, denn er ist Pressesprecher von Fitch Deutschland in Frankfurt. FitchRatings gehört zusammen mit Moody’s und Standard & Poor’s zu den drei großen Rating-Agenturen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Volkswirtschaften bewerten – derzeit gefragte Informationen.
Für die Bewertung einer Volkswirtschaft werden allgemeine Wirtschaftsdaten wie das Bruttoinlandsprodukt, der Arbeitslosenquote und der Staatsverschuldung herangezogen. Das Ergebnis sind Buchstaben: AAA wäre als Schulnote eine Eins plus. D hingegen: „Sechs, setzen!“
Aber wie soll jemand von außen die Kreditwürdigkeit – etwa einer Bank – bewerten können, wenn die Manager nicht mal selbst wissen, auf wie vielen faulen Krediten sie sitzen? „Wir wissen auch nicht mehr als die Bank selbst“, sagt Giesen. „Wir können uns nur auf deren Angaben verlassen.“ Ob diese Daten stimmen, dafür sind Wirtschaftsprüfer zuständig. Ob es wegen der Finanzkrise nicht unmöglich sei, eine fundierte Bewertung von Kreditausfallwahrscheinlichkeiten abzugeben, verneint Giesen. „Keine Ratings abzugeben, war bei uns nie eine Option.“
Die Buchstabenbewertungen sind die knappste Form – zu ihnen gehören Text-Analysen: Die kurze passt auf eine DIN A4-Seite, die Langfassung beansprucht acht bis zehn Seiten und wagt auch einen Blick in die Zukunft. „Hier wird überlegt, das etwas einzuschränken“, sagt der 41-Jährige – die Halbwertszeiten seien derzeit einfach zu kurz.
Ursprünglich wollte der verheiratete Vater eines zweijährigen Sohnes allerdings zum Radio, als Hauptstadtkorrespondent am besten. „Für Unternehmen wie Versicherungen und Banken zu arbeiten, konnte ich mir damals nicht vorstellen“, sagt er. Während er in Essen Kommunikationswissenschaft studierte, produzierte er ehrenamtlich Sendungen fürs Krankenhausradio im Klinikum Wiesbaden. Seine Magisterarbeit beschäftigte sich radiotheoretisch mit dem Anfang der 90-er Jahre aufkommenden Starkult um DJs, was wohl auch damit zu tun hatte, dass Giesen damals am Plattenteller stand. „Auf Studentenfeiern und auch in Clubs“, erinnert er sich. „Heute mache ich das nur noch gelegentlich auf Feiern von Freunden.“ Der Silvester-Auftritt im Nassauer Hof in Wörsdorf war eine Ausnahme, weil er den Wirt gut kennt.
Doch mit der Radio-Karriere wurde es nichts. Stattdessen folgten eine Redaktionsassistenz bei „PC Pr@xis“ und zwölf Monate als Public-Affairs-Verantwortlicher des Ingenieurs-Corps der US-Armee in Wiesbaden, um dann am Mainzer Standort des französischen Kredit-Versicherers Coface ins Presseteam zu wechseln. Acht Jahre blieb er dort – sein neues Themengebiet gefiel ihm immer besser.
Als Pressesprecher von Fitch tritt vermittelt Giesen vor allem den Wirtschaftsredakteuren die richtigen Fitch-Analysten – beispielsweise wenn es um die Deutsche Bank geht, deren Hochhaus er von seinem Büro aus sehen kann. „Ich selbst kann zu einzelnen Unternehmen keine Kommentare geben treffen, da diese kursrelevant sein könnten. Nur die zuständigen Analysten geben Kommentare ab.“