In Griechenland lodert ein Feuer, das sich zu einem Flächenbrand ausweiten könnte, auch jenseits der Akropolis. Vor diesem Hintergrund ist die „Griechenlandkrise“ eine mehrdeutige Wortschöpfung. Zum einen steht sie für jene dramatische Haushaltslage, die das östlichste Euroland an den Rand des Staatsbankrotts gebracht hat. Zum anderen schließt der Begriff die größte Krise der europäischen Währungsgemeinschaft seit Bestehen ein. Es ist ein schwierig zu bekämpfendes Feuer, weil die Brandherde nicht voneinander isoliert werden können. Ferner ist der Ursprung der „Griechenlandkrise“ nicht nur vor Ort zu lokalisieren, wenngleich hier der Funke übergesprungen ist.
Nachdem das Haus in Flammen steht, sind die Feuerwehrleute in ihren azurblauen Uniformen mit zwölf goldenen Sternen darauf samt großem Löschzug ausgerückt. Das Vorgehen der Einsatzleitung gilt indes vielen Kritikern als Beleg der Binsenweisheit „Was das Feuer nicht kaputt macht, erledigt das Löschwasser“. Erschwerend kommt hinzu, dass es nun auch 3.000 Kilometer entfernt in Lissabon brennt. Und auch in Dublin tönte bereits Sirenengeheul auf. An peripheren Punkten der Eurozone hat sich so ein großflächiges Dreieck gespannt, das die Eurozone überzieht.
Das Feuer brennt aber auch ganz real auf den Straßen Athens. Dort heulen echte Sirenen. Die „Griechenlandkrise“ ist ebenso eine ausgewachsene Krise der (griechischen) Demokratie. Mit dem großflächigen Aufflammen existenzieller Ängste der Bevölkerung infolge der Finanzkrise ist das von Korruptionsskandalen ohnehin lädierte Vertrauen der Griechen in die Regierenden und das gesamte System ins Bodenlose gerutscht. Und das ausgerechnet im „Mutterland der Demokratie“, wie Kommentatoren betonen.
„Die Beschwörung des Althergebrachten ... wird die griechische Demokratie nicht besser machen.“
Nun sei erwähnt, dass Zeitgenossen ihre attische Demokratie nicht immer so hoch schätzten, wie wir es heute gerne tun. Es war kein Geringerer als Platon, der sich nach dem Tod des Sokrates enttäuscht von der korrupten Demokratie Athens abwandte und seine Philosophie von der Entwicklung der „Schweinepolis“ zur gerechten Ordnung begründete. Griechenland braucht aber keinen Philosophenkönig, sondern eine Demokratie, die sich selbst überdenkt. Die Warnung Papandreous vor einer erneuten Militärdiktatur war sein Plädoyer für die Demokratie. Aber die Beschwörung des Althergebrachten als Garant für Stabilität und Ruhe wird die griechische Demokratie nicht besser machen. Die Griechen müssen sich vielmehr ein eigenes „Rettungspaket“ schnüren, das konsequente Korruptionsbekämpfung, transparente Strukturen und Partizipationsmöglichkeiten enthält. Ansonsten droht das, was Brandexperten als Backdraft bezeichnen: Die Illusion eines erloschenen Feuers, das durch den kleinsten Funken unvorhersehbar zu einer verheerenden Explosion führen kann.
Dominik Meier ist Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung (de'ge'pol). Kontakt: dmeier@miller-meier.de