Nach Leif: Feindbild „PR“ überdenken
Bereits wenige Tage nach der spektakulären Entmachtung von Thomas Leif als Vorsitzender der Journalistenvereinigung Netzwerk Recherche Anfang Juli ebbten die Kommentare in den Blogs ab. Dabei war bei der Jahrestagung des Vereins in Raum „K3“ des Norddeutschen Rundfunks soeben eine Zäsur vollzogen worden: Was jeder normale Verband ausgesessen hätte, eine blöde Finanzgeschichte, führte beim Netzwerk zum Bruch mit dem langjährigen Spiritus Rector. „Der Kaiser ist nackt“, ätzte der Medienjournalist Thomas Knüwer. Die Frage nach dem Umgang mit mehr als 70.000 Euro von der Bundeszentrale für Politische Bildung oder angeblichen weiteren Geldern „aus der Industrie“, von denen Medien berichteten, ist hier nicht zu klären. Jenseits der Fakten, die es selbstverständlich investigativ aufzuklären gilt, bleibt, von außen betrachtet, der Eindruck, dass die elitäre Vereinigung der investigativen Journalisten im Lande unter der Haube eben doch ein ganz normaler deutscher Verein ist. Ein Verein, in dem engagierten Menschen Fehler unterlaufen, ein Verein, in dem eine Vereinsversammlung zum Eklat gerinnen kann.
Auf dem Rücken der professionellen PR
Für Berufskommunikatoren interessanter ist die Frage, was nun aus dem Netzwerk Recherche wird, dessen Frontman der als Missionar geltende SWR-Chefreporter Leif über Jahre war. Leif galt vielen PR-Leuten als verbohrter Weltverbesserer, der im Grundsatz richtige und begrüßenswerte Standards für unabhängige journalistische Recherche einforderte, dies aber – in ihrer Wahrnehmung zu Unrecht – auf dem Rücken der professionellen, um Redlichkeit bemühten Unternehmens- und Organisationskommunikation. Selbst im Journalistenlager waren die Positionen des Netzwerks Recherche umstritten: Sie seien „statisch“, „wohlfeil“, „unoriginell“ und „realitätsfern“, rief Stefan Niggemeier dem scheidenden Funktionär Leif hinterher. PR wurde programmatisch zum Feindbild der investigativen Edelfedern. Während sie – zu Recht – medienwirksam auf Verfehlungen der PR-Zunft hinwiesen, machten nur wenige Netzwerker den Eindruck, die Legitimität professioneller und ethisch korrekter Interessenvertretung in einem demokratisch verfassten System gesellschaftlicher Meinungsbildung grundsätzlich anzuerkennen. Ich selbst habe das mehrfach zu spüren bekommen, zuletzt auf der PR Report Konferenz im Mai 2011 in Berlin: Meine Beteuerung, ich sei kein PR-Mensch, sondern beobachte die PR-Szene seit zwölf Jahren durchaus kritisch und distanziert als Fachjournalist, so wie andere Fachjournalisten eben Maschinenbauer oder Textilbetriebe beobachten, konnte oder wollte der ansonsten sympathische Netzwerk-Vertreter Kuno Haberbusch partout nicht aufnehmen. Vielleicht passte das nicht ins Bild.
„Ein schrecklicher, notwendiger Verein“
Es sind Buchstaben-Götter wie Heribert Prantl oder Hans Leyendecker, derentwegen ich seit Studententagen die „Süddeutsche“ privat begeistert im Abonnement beziehe. Teuer, aber gut. Wenn Leyendecker mal wieder einen Skandal enthüllt oder Prantl zu Grundwerten der Verfassung leitartikelt, schenken sie der Welt Sternminuten in Sachen Journalismus. Einen Verein zu führen, ist etwas anderes. Es ist solchen unbequemen Vorbild-Redakteuren zu wünschen, dass sie das Netzwerk Recherche (Niggemeier: „Es ist ein schrecklicher, notwendiger Verein“) im Sinne jener Werte, die auch Leif gepredigt hat, weiterhin prägen (genug Ego haben gute Journalisten ja). Die pauschale Diffamierung eines ganzen Berufstandes aber ist dabei wenig hilfreich. Es wäre an der Zeit, das Feindbild „PR“ zu überdenken.
Sebastian Vesper ist Editorial Director von Haymarket iin Deutschland. Von 1997 bis 2009 war er Chefredakteur beim PR Report.