Please wait...
News / Gefährliches Spiel der hässlichen PR-Fratze
Sebastian Vesper
23.05.2011   News
Gefährliches Spiel der hässlichen PR-Fratze
 
Zum „PR-Desaster“ oder „Facebook-Fiasko“ in den USA Anfang Mai war in den Blogs schnell all jenes gesagt, was es in diesen immer wiederkehrenden Fällen eben zu sagen gibt. Von der reflexartigen Entrüstung über geheime Verführer und verdeckte Spindoktoren (Quelle: die PR-Hasser) bis hin zum Standard-Argument, wer als PR-Profi so handele, gieße Wasser auf die Mühlen der Kritiker und beschädige die Zunft, die ja eigentlich viel besser sei als ihr Ruf (Quelle: die PR-Befürworter). Die übliche Kritik an einer eitlen Manipulationsindustrie, das erwartbare Bashing bestehender Ethikrichtlinien und Kodizes als Feigenblattveranstaltungen. Der Verweis auf den Budget-Druck in PR-Agenturen und auf die mangelhafte Ausbildung. Und wie immer wurden die ersten Stellungnahmen der Beschuldigten süffisant rezensiert, was die Sache eher verschlimmerte.
Im Fokus der (berechtigten) Kritik stand dieses Mal Burson-Marsteller. Nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal. Für ihren Kunden Facebook hatte die Agentur offenbar versucht, Journalisten und Blogger zu negativen Berichten über dessen Konkurrenten Google zu animieren, ohne Facebook als Auftraggeber zu nennen. Die E-Mail-Korrespondenz mit dem Burson-Marsteller-Mitarbeiter John Mercurio, die der Blogger Christopher Soghoian kurzerhand ins Netz stellte, lässt jedenfalls keinen anderen Schluss zu.

Ein alter Fehler der Berufskommunikation
Sein Interesse zu verschweigen, seinen (zahlenden!) Auftraggeber nicht zu nennen, ist eine systematisch wiederkehrende Verfehlung der Berufskommunikation. Nicht die einzige Verfehlung, aber wohl diejenige, die der hässlichen Fratze der PR nachhaltig ihre stärksten Konturen verleiht.
Diese Fratze, ihr zweites, ihr abscheuliches Gesicht zeigt die PR-Zunft seit ihren Anfängen immer wieder, sei es im wirtschaftlichen, im gesellschaft- lichen oder im politischen Raum. Die Fratze taucht seit Jahrzehnten in der Welt der „alten“ Industrien auf, bei Stromversorgern, Chemiegiganten oder in der Pharma-Lobby. Momentan aber interessieren sich die Medien nun mal besonders für jüngere Player wie Facebook oder Google.
Wenn die Fratze jetzt auch in der glitzernden Digitalwelt erscheint, mag man das lapidar-wissend als folgerichtig verharmlosen (PR bleibt PR, bei all ihrer Legitimität und mit all ihren Stärken und Verfehlungen) – aber die Auswirkungen dürften um ein Vielfaches fataler sein als in der analogen Welt. Denn online geht nun mal alles viel schneller als in den Hinterzimmern, das Facebook-Universum betrifft viele Menschen direkt und persönlich, und jeder kann mitposten.
Die alte Fratze bekommt im öffentlichen Raum eine unkontrollierbare Dynamik. Das ist neu. Und gefährlich für die PR: Kommunikationsziel verfehlt, Kundenimage und eigenes Ansehen ramponiert.

Zerkocht im Datenbrei
Außerdem wird eine differenzierte Aufarbeitung solch peinlicher Angelegenheiten praktisch unmöglich. Branchenverbände und Institutionen reagieren, wenn überhaupt, spät und langsam. Wer früher noch branchenintern engagiert gegen die hässliche Fratze aufgestanden wäre, wird sich das heute gut überlegen. Denn Innen und Außen des Berufsfeldes verschwimmen zu einem Datenbrei, in dem jeder rühren darf. Da wird ein eigentlich sehr einfaches und trennscharfes Thema, das im übrigen durch einschlägige Kodizes unzweideutig geregelt ist, schnell zerkocht.
In den „alten“ Industrien hat es die Fratze derzeit einfacher. Sie fällt weniger auf.

Sebastian Vesper ist Editorial Director von Haymarket in Deutschland. Von 1997 bis 2009 war er Chefredakteur beim PR Report.

Magazin & Werkstatt