Was muss ein PR-Mensch können und wissen? Die Prüfungsorganisation der PR-Verbände hat ihre Standards vorgelegt. Von Sebastian Vesper
Endlich. Von nun an geht es bei der Prüfungs- und Zertifizierungskommission der deutschen Kommunikationswirtschaft (PZOK) nicht mehr nur um Strukturen und Institutionelles, sondern auch um Inhalte. Diese Hoffnung ist jedenfalls nicht mehr gänzlich unberechtigt, seitdem die PZOK Ende September ihre „Standards“ veröffentlicht hat. Was in jedem einigermaßen erwachsenen Wirtschaftsbereich selbstverständlich sein sollte, war in der deutschen PR-Wirtschaft eine wahre Steißgeburt: ein Jahre währendes, Akteure wie Beobachter zermürbendes Ränkespiel wetteifernder Institutionen, starrsinniger Veteranen, übermotivierter Branchenpolitiker und provinzieller Verbandsräson. Wer als Berufseinsteiger heute zum Thema PR-Ausbildung googelt, stößt auf ein unüberschaubares Dickicht von Angeboten, von seriös bis indiskutabel, das die einschlägigen Verbände seit langer Zeit unter einem möglichst verbindlichen Label zu vereinigen versuchen.
Seit Anfang dieses Jahres glauben die Verbände, dieses Label gefunden zu haben. Sie gaben ihm den seltsamen Namen „PZOK“ (PR Report 03/2008). Die Organisation, getragen von der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG), dem Bundesverband deutscher Pressesprecher (BdP) und der Gesellschaft PR-Agenturen (GPRA), soll Berufsaspiranten einer Prüfung nach gemeinsamen Standards unterziehen. Es geht um Menschen mit ein paar Jahren Berufserfahrung, die zum Beispiel von einer Junior- auf eine Senior-Position wechseln möchten und sich nach erfolgreich bestandener Prüfung „PR-Berater(in)/ PR-Referent(in) (PZOK)“ nennen dürfen.
Widersinniges HickhackDer aus Marketingsicht grausame Name („Pehzock“) ist politisch gewollt, der weitaus geschmeidigere, über Jahre etablierte Name „Deutsche Akademie für Public Relations“ (DAPR) musste fallen. Denn die DPRG war aus der DAPR ausgestiegen, um – intern umstritten, aber nicht ohne Erfolg – fortan eigene Prüfungen anzubieten, und das Verbandspräsidium vermochte keine Mehrheit für eine Rückkehr zu dem emotional aufgeladenen DAPR-Label zu organisieren. Vielleicht war das auch ganz gut so, denn die Debatte, die mit dem Namen DAPR verknüpft ist, steht einem Wirtschaftszweig, der sich für entwickelt hält, nicht gut zu Gesicht. Es war (und ist es in Teilen noch heute) ein widersinniges, peinliches Hickhack, bei dem es vordergründig um Institutionen geht (Geschäftsführung, Pädagogische Leitung, Prüfungskommission), letztlich aber um Persönliches – von Ehre bis Erwerbsquelle.
Jetzt also die „Standards“. Keine Überraschung freilich, eher eine ordnende Fleißarbeit. Eine Art Kanon, den die Architekten um PZOK-Geschäftsführer Holger Sievert vier „Kompetenzbereichen“ zuordnen: Theorie, Organisation, Arbeitstechnik und Umfeld der PR.
Glücklich ist Sievert, im Hauptberuf Kommunikationsberater bei der Agentur komm.passion, vor allem über die „Meso-Ebene“: den Bereich „Organisation“ von PR. Zwar unterrichten viele Ausbilder derlei Themen bereits seit Jahren, aber historisch, so meinen Beobachter, sei die Tradition der PR-Prüfungen in Deutschland in erster Linie der Arbeitstechnik („Mikro“) beziehungsweise dem theoretischen Überbau („Makro“) gewidmet gewesen.
„Kontextkompetenz“Diese Lücke bei den Prüfungen soll nun ebenso geschlossen werden wie die so genannte Kontextkompetenz: das Wissen um relevante Zusammenhänge aus anderen Disziplinen wie Betriebswirtschaftslehre oder bezüglich unternehmerischen Querschnittsfunktionen. Konkret könnte Prüflinge in diesem Bereich zum Beispiel die Aufgabe erwarten, eine Veranstaltung durchzukalkulieren. Generell sollen Fragen gestellt werden, die dem Antwortenden Freiheiten bei der Lösung und Interpretation lassen. Beispiel: Statt zu repitieren, was in einem bestimmten Paragraphen des Niedersächsischen Landesmediengesetzes steht, sollen die Kandidaten generell und systematisch fundiert aufzeigen, welche rechtlichen Möglichkeiten sie als Pressesprecher haben, gegen unsachgemäße oder falsche Medienberichte vorzugehen. Ähnlich beim Thema „Ethik der PR“: Die einschlägigen Codizes sollen bekannt sein, werden aber offenbar eher dem Geiste nach als buchstäblich abgefragt.
„Erklären Sie mal...“Beispielfragen und Literaturtipps will die PZOK im November oder Dezember online veröffentlichen. Anwenden statt Auswendiglernen, lautet offenbar das Credo. Erklären Sie den Unterschied zwischen PR und Marketing – bei einer solchen möglichen Frage aus dem Bereich „Theorie“ gibt es keine hundertprozentig richtige oder falsche Antwort, sondern es geht um den Weg, den ein Prüfling bei der Argumentation verfolgt. Das klingt eher nach Deutschaufsatz als nach Führerscheinprüfung.
Das Urteil beim mündlichen Teil der Prüfungen fällt ein Dreierteam, das mit PR-Auskennern unterschiedlicher Herkunft besetzt sein soll: Unternehmen, Agentur und Universität/FH. Diese Konstellation wird PZOK-seitig auch als Grund dafür angeführt, dass die Prüfungskommission – bei 300 Prüfungen im Jahr – mit derzeit 60 Namen recht üppig bestückt ist. Bei der Bewertung sei es bisher praktisch noch nie zu gravierenden Abweichungen gekommen, sagt Sievert – Kommunikationschefs von DAX-Konzernen und Gründer von Agenturen lägen da höchst selten auseinander.
Allein auf dem Markt ist die „Pehzock“ natürlich nicht. Angeführt von Eberhard Knödler-Bunte, dem Gründer der University of Management and Communication in Potsdam, haben einige Ausbilder Anfang 2008 die „Akademie für Kommunikationsmanagement“ (AKOMM) ausgerufen – offenbar aus dem Gefühl heraus, nie gehört worden zu sein (PR Report 03/2008). Seither greift die AKOMM etwa ein Viertel des Prüfungsmarktes ab. Der liegt Insider-Schätzungen zufolge bei rund 350 bis 400 Prüfungen im Jahr. Davon entfielen bisher auf die alte DAPR 200 bis 250 Prüfungen, auf die DPRG 80 bis 100. Nach vorläufigen Berechnungen könnte die PZOK auf 250 bis 300 Prüfungen kommen.
Umsatzbringer depakGrößter „Lieferant“ der PZOK ist derzeit die am Pressesprecherverband BdP hängende depak mit schätzungsweise 150 bis 200 Prüfungen pro Jahr. Für die AKOMM blieben immerhin ein Viertel bis ein Drittel vom Kuchen übrig.
Zugelassen zur PZOK-Prüfung sind Hochschulabsolventen mit mindestens 18 Monaten Erfahrung im Bereich PR/ Öffentlichkeitsarbeit. Besteht keine solche Erfahrung, aber ein Hochschulabschluss, sollte man mindestens 36 Monate im Bereich Werbung/Verkauf gearbeitet haben. Ohne abgeschlossenes Studium sind 60 Monate (bei Werbern/Verkäufern 90 Monate) Praxis erforderlich.
Die genaue Prüfungsordnung der PZOK sowie auch die Statuten von DAPR- und DPRG-Prüfungen sind unter anderem unter www.pzok.de hinterlegt.