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26.04.2011   News
Minnesang heute
 
Im schönen Freistaat Sachsen zeigt sich wieder mal auf dramatische Weise, dass die mittelalterliche Weisheit „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ auch im Jahr 2011 keinen Krümel an Aktualität eingebüßt hat. Dort müssen Vereine, die staatliche „Zuschüsse für Maßnahmen zur Stärkung von Demokratie und Vorbeugung antidemokratischen Verhaltens sowie Stärkung des ländlichen Raums“ erhalten – also Kohle einsacken für Demokratie-Projekte und gegen Nazis – ihre Öffentlichkeitsarbeit mit dem Sozialministerium absprechen.
Für ein besseres Verständnis dieser Situation versetzen wir uns mal in die Zeit zurück, als es Minnesänger gab vom Schlage eines Oswald von Wolkenstein oder noch etwas weiter zu Walther von der Vogelweide. Die hatten – wie viele soziale Projekte und deren Mitarbeiter heute – selten eine Grundfinanzierung respektive Festanstellung und mussten von Hof zu Hof ziehen. Beim dortigen Liedersingen wurde beileibe nicht immer die unerreichbare Frau angeschmachtet. Sehr oft handelte es sich um Gesänge, die einen Fürsten oder Grafen priesen und sehr blumige Geschichten von seinen Heldentaten erzählten. „Der Sänger musste den Ruhm dieses Adligen in seinen Liedern verewigen und dafür bekam er dann etwas Geld, eine Unterkunft, eine Ehrengabe, vielleicht auch einen schönen Ring oder so etwas“, erklärt der Historiker Rolf-Bernhard Essig. Wenn die Sänger also an einem Hofe weilten, dann sangen sie besser nichts Schlechtes über den Potentaten. Sonst gab es natürlich nichts zu essen.
Ein herzlicher Dank folgt an dieser Stelle an all jene, die in der Zeit der Aufklärung daran mitgewirkt haben, der Dunkelheit des Mittelalters das Licht der Erkenntnis entgegenzusetzen. Das hat uns Europäern die Meinungsfreiheit beschert. Und den humanen Umstand, dass man in Sachsen zunächst sein Brot bekommt und erst danach vorsingen muss.(hds)
 

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