Please wait...
News / Schönheitskur
26.04.2011   News
Schönheitskur
 
Firmen, die Rudolf Steiner und der Anthroposophie-Bewegung nahe stehen, mussten lange Zeit mit Vorurteilen kämpfen. Heute liegen ihre nachhaltigen und gesundheitsbewussten Produkte im Trend. Das wissen Weleda, Wala und Co. auch für ihre Kommunikationsarbeit zu nutzen. Von Peter M. Gregor
Beim Namen Rudolf Steiner werden den meisten als erstes wohl die Waldorfschulen einfallen, dann vielleicht Medizin, Naturkosmetik und ökologischer Landbau. Auch eine Reihe von Unternehmen verbindet etwas mit den Ideen des Anthroposophen und Philosophen Steiner: Alnatura, Hessnatur, Wala, Weleda, die GLS-Bank und der Automobilzulieferer Mahle, um nur einige zu nennen. Selbst Kritiker seiner Lehre, die den Menschen in seiner Beziehung zum Übersinnlichen betrachtet, fasziniert, in wie vielen Bereichen sich Steiner – in diesem Jahr wäre er 150 Jahre alt geworden – ebenso mitteilsam wie wirkungsvoll engagierte und Impulse gab: Theologie, Gesellschaftsordnung, Pädagogik, Ernährung, Landwirtschaft, Medizin oder auch Technik, Kunst und Architektur. Aber: Die Anthroposophie hat auch verwirrende Seiten. Hinzu kommt, dass es manchen Gralshütern der Lehre nicht gelingt, sich der Zeit angemessen zu äußern. Steiners Ausführungen selbst sind vielfach ebenso schwer zugänglich.
Dagegen macht sich bei Unternehmen, deren Philosophie anthroposophischen Ideen nahe steht, ein Bemühen um mehr Verständlichkeit bemerkbar. Nach dem Motto „Man muss die Menschen dort abholen, wo sie stehen“ setzen sie beispielsweise verstärkt auf Corporate Environmental Responsibility und Corporate (Social) Responsibility als PR-Instrumente. Kein Wunder, deckt sich „Verantwortung“ mit fast dem gesamten Spektrum der anthroposophischen Wirkungsgebiete.
Wenn es um Unternehmen geht, die eine Verbindung zur Anthroposophie haben, sehen sich einige streng in dieser Tradition und zeigen das durchaus öffentlichkeitswirksam. Andere verweisen nur auf entsprechende Wurzeln oder lassen keinerlei Bezug mehr zu Steiners Ideen erkennen. Beim Nürnberger Schreib- und Zeichengerätehersteller Staedtler erwartete man beispielsweise noch vor wenigen Jahrzehnten, dass die Auszubildenden an Eurythmiestunden teilnahmen. Bis 1996 stand hinter dem Unternehmen die anthroposophisch orientierte Rudolf und Clara Kreutzer Stiftung, doch für die heutige Unternehmenskommunikation spielen diese Wurzeln keine Rolle mehr.


Identitätsstiftend und nachhaltig
Die Bochumer Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, kurz GLS-Bank, bezeichnet sich selbst als „die erste sozial-ökologische Universalbank der Welt“ und als „konsequent sozial-ökologisch orientiert“. Bei den Medien ist die Bank beliebt, denn sie gilt als gutes Beispiel verantwortungsvollen Wirtschaftens. Dem Initiator der Genossenschaftsbank, dem Anthroposophen Wilhelm Ernst Barkhoff, und seinen Mitstreitern ging es Ende der 50er Jahre zunächst nur um die Finanzierung der Bochumer Waldorfschule. Heute präsentiert sich die GLS-Bank keineswegs als Kind der Anthroposophie, hat selbst im Jahr seines 150. Geburtstags kein Bild von Steiner auf der Website, huldigt ihm mit keiner Pressemeldung. Die Ausrichtung der Bank ist Argument genug. So habe das Atom-Desaster von Fukushima der Bank den größten Zuwachs in ihrer Geschichte gebracht, erklärt Pressesprecher Christof Lützel. „Bei fast jeder Wirtschafts- und Finanzkrise merken wir, dass sich die Menschen eine Alternative wünschen.“
Für andere Unternehmen aber ist auch noch heute die Anthroposophie „identitätsstiftend“. Zu den Mitbegründern der – eigentlich Schweizer – Weleda AG gehörte Rudolf Steiner selbst. Wenn es um Unternehmen geht, die mit Anthroposophie assoziiert werden, ist der Naturkosmetik- und Heilmittelhersteller Weleda eindeutig der Klassiker. Viele Kunden kennen die Produkte schon von ihren Großeltern, wurden selbst auf dem Wickeltisch mit Weleda verwöhnt und sind mit der Granatapfel-Linie nun im gesetzteren Alter bei der „Regenerationspflege“ angekommen. Etwa zwei Drittel des Umsatzes stammen aus dem Kosmetikbereich, ein Drittel wird mit Pharmaprodukten erwirtschaftet.
Tatsächlich sind alle Bereiche des Unternehmens von anthroposophischem Gedankengut durchdrungen. Das reicht von der typischen Architektur über die eigene Waldorf-Kindertagesstätte bis hin zu den Produktionsmethoden. Bei der Herstellung der homöopathischen Arzneimittel wird, der Lehre folgend, bei einzelnen Tätigkeiten sogar darauf geachtet, dass sich der Mitarbeiter in einer positiven Gefühlsverfassung befindet.


„Mehr Mut zur Moderne“
„Die Weleda“ kommuniziert als Autorität. Natürlich spielt die Pressearbeit dabei eine wichtige Rolle, aber auch Twitter, Facebook und der eigene Youtube Kanal. Daneben gibt es die „Weleda-Akademie“ in Schwäbisch Gmünd, die sich mit einer Vielzahl von Angeboten an das Fachpublikum wendet. Hier finden Fortbildungen statt für Ärzte, Apotheken, Heilpraktiker oder Hebammen, auch Managementseminare. Fragt man den Pressereferenten des Naturkosmetik- und Heilmittelherstellers Weleda in Schwäbisch Gmünd, Tobias Jakob, seit wann das Unternehmen sich an Nachhaltigkeit und Verantwortung orientiere, lautet die spontane Antwort: „Seit neunzig Jahren.“ Seit der Firmengründung 1921.
Ganz in geografischer und geistiger Nähe befindet sich die Wala Heilmittel GmbH in Bad Boll. Der Chemiker Rudolf Hauschka (1891-1969), der das Unternehmen 1935 gründete, stand der Anthroposophie nahe und kannte Steiner. „Studieren Sie die Rhythmen, Rhythmus trägt das Leben“, soll der Athroposoph ihm geraten haben, als er ihn nach seiner Sichtweise fragte, was das Leben sei. Hauschka entwickelte daraufhin einen rhythmischen Herstellungsprozess. Der Rat Steiners steht heute auf der Homepage des Unternehmens.
„Der Weg mit der Natur ist letztlich vielleicht der Einzige, der in die Zukunft führt. Für die Wala war dieser Weg immer das Natürlichste auf der Welt“, heißt es in Bad Boll. Wala macht etwa drei Viertel des Umsatzes mit Kosmetik (Dr. Hauschka) und ein Viertel mit Arzneimitteln. Es gibt Unterschiede in Vertrieb und Marketing, aber sowohl Wala als auch Weleda sind sehr deutlich nach anthroposophischer Weltsicht ausgerichtet.
Mit Dr. Hauschka Kosmetik ist Wala auch im Bereich der „dekorativen Kosmetik“ vertreten und möchte die Marke im durchaus trendigen Premiumsegment positionieren. Dank guter Verbindungen gelang es, dass Julia Roberts bei den Dreharbeiten zu „Erin Brockovich“ mit Dr. Hauschka geschminkt und gepflegt wurde. Seitdem ist sie von den Produkten begeistert. Inzwischen gehören unter anderem Madonna und Jennifer Aniston aus persönlicher Überzeugung zur Fan-Gemeinde. Pressesprecher Antal Adam betont in diesem Zusammenhang, dass es auch gar nicht mit dem Kommunikationsstil des Hauses vereinbar wäre, Testimonials zu kaufen.
Für den Glamour in der Modewelt hat Dr. Hauschka die Berliner PR-Agentur sieben&siebzig engagiert, die sich auf Marken aus dem „Bio-Bereich“ spezialisiert hat. So kam es zur Kooperation mit jungen Designern, und bei der Berliner Fashion Week im Januar wurde ein neues Accessoire vorgestellt. Diesmal hatte das Designerduo Mikenke ein multifunktionales Haar- beziehungsweise Armband aus biologischem Lachsleder entworfen. Der edle Blickfang wird nach bewährter Manier in limitierter Auflage verkauft. Die Voraussetzungen für PR-Arbeit rund um Bio-und Öko-Produkte haben sich in den vergangenen Jahren geändert: „Einen Bonus hatten wir am Anfang gar nicht“, berichtet Nadine Valencic, eine der Geschäftsführerinnen von sieben&siebzig. „Wir haben uns das Gehör der Journalisten zum Teil sogar hart erarbeiten müssen. Unsere Gespräche in den Redaktionen und Einladungen zu unseren Veranstaltungen haben manchmal vielleicht einen Impuls gegeben, sich näher mit dem Bio-Thema zu befassen. Insgesamt ist es aber natürlich auch eine Entwicklung der Zeit, die uns und unseren Kunden sehr zugute kommt.“
In Bad Boll gibt es außer Wala Heilmittel noch ein weiteres anthroposophisch geprägtes Unternehmen, die Jungebad KG. Sie stellt natürliche Pflegepro-dukte her, die den strengen Demeter-Richtlinien entsprechen. Fragt man Geschäftsführer Florian Junge, 34 Jahre alt und ehemaliger Waldorfschüler, was er anthroposophischen Unternehmen für ihre Kommunikation rät und wünscht, nennt er sofort „mehr Mut zur Moderne“. Für ihn geht es darum, ob man „nur Eingeweihte erreichen will oder einfach Menschen, die wirkliche Qualität schätzen“. Junge beruft sich auf seine Ausbildung an der Waldorfschule. Sie erziehe zur Freiheit, und es müsse erlaubt sein zu hinterfragen. „Wenn jemand dauernd nur dogmatisch den Satz bringt, ,Rudolf Steiner hat gesagt‘, hört es schon auf, denn wir dürfen nicht nur aus der Vergangenheit argumentieren.“ Rudolf Steiner wäre es wohl recht.
Foto: Wala Heilmittel GmbH
Foto: Charlotte Fischer

Magazin & Werkstatt