Voice from sintra (Portugal): IN den sozialen Netzwerken Vorbereitet, auf der Strasse Serviert
Portugal steckt inmitten einer hand-festen politischen Krise. Vor ein paar Wochen hat das Parlament das mittlerweile vierte Sparpaket des sozialistischen Ministerpräsidenten José Sócrates abgelehnt – woraufhin er seinen Rücktritt erklärte. Portugals Staats- präsident Cavaco Silva akzeptierte Sócrates’ Entscheidung. Neuwahlen sind für den 5. Juni angesetzt.
Die Zeitungen und die TV-Gruppe, die mit dem Premierminister über Kreuz lagen, hatten ein besonderes Interesse daran, dass er aus São Bento, dem Palast der Regierung, auszieht. Der Chefredakteur der TV-Gruppe war aus seinem Job gedrängt worden, nachdem der Sender kritisch über einen Korruptionsverdacht gegen Sócrates berichtet hatte. Zuletzt waren die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen heftiger geworden, eine Großdemonstration zog zwei Wochen vor Sócrates‘ Rücktritt durch die Lissaboner Straßen. Die Portugiesen hatten offensichtlich genug von der Wirtschaftspolitik der regierenden Sozia-listischen Partei.
„Es gibt kein besseres
Medium als soziale Netzwerke, um Menschen zu mobilisieren.“
So ging es auch den Medien. Die einflussreichsten Kolumnisten mehrerer Tageszeitungen kritisierten die Aktionen des Ministerpräsidenten José Sócrates und seiner Minister in der letzten Zeit harsch. Für die PR-Abteilungen der Regierung und der Minis-terien war es unmöglich geworden, auf die Flut der negativen Berichterstattung zu reagieren.
Facebook ist in der Auseinandersetzung um die Politik der Sócrates-Regierung in den vergangenen Monaten in das Zentrum des Interesses gerückt. In der Gruppe „Generation in Gefahr“ (Geração à Rasca) haben sich vor allem 20- bis 35-Jährige versammelt, die mit ihren Arbeitsbedingungen und Zukunftsaussichten unzufrieden sind. Diese Gruppe hatte einen großen Anteil daran, dass sich in Lissabon 200.000 Menschen auf den Straßen versammelt haben. Auch in anderen portugiesischen Städten fanden Demonstrationen statt, die nur ein Ziel hatten: einen Regierungswechsel.
„Agenturen und Pressestellen müssen soziale Netzwerke beobachten, um vorbereitet zu sein.“
Das ist ein sehr gutes Beispiel für die Macht, die soziale Netzwerke erlangt haben. Es gibt kein besseres Medium, um Menschen zu mobilisieren. In modernen Gesellschaften werden Revolutionen in sozialen Netzwerken vorbereitet und auf der Straße serviert. PR-Agenturen oder staatliche Pressestellen müssen vor Augen haben, dass diese Realität nicht mehr umkehrbar ist. Mehr denn je müssen sie beobachten, was online geschieht, um eine Ahnung davon zu bekommen, was bald in der realen Welt passieren könnte. Aus der Lektion, die die sozialen Netzwerke der portugiesischen Regierung erteilt haben, sollten andere lernen.