Schott ist seit sechs Jahren in China aktiv. Außer den ökonomischen Herausforderungen stehen auch kommunikative an. Von Peer Brockhöfer
Ein Reich im Ausnahmezustand. Während in China die Olympischen Spiele stattfanden, waren alle Augen der Welt auf das bevölkerungsreichste Land der Erde gerichtet, und die Chinesen unternahmen alles, um ein gutes Bild abzugeben – was zumeist eher schlecht als recht gelang. Es ist fast wie ein riesiges Missverständnis: Während China zeigen wollte, welche Schritte das Land schon „nach vorne“ getan hat, sah der Westen vor allem die Schritte, die China aus seiner Sicht noch zu gehen hat. Die internationale Presse schaute selbstverständlich nicht nur auf die sportlichen Wettkämpfe, sondern berichtete auch über Polizeipräsenz, Protest-Aktionen, Umweltverschmutzung und Internet-Zensur.
Da wünschte sich mancher den Alltag wieder zurück. Beispielsweise einige Mittelständler, die während der Spiele ihre Produktionsstätten stilllegen müssen, um die Luftqualität für die Athleten aufzubessern. Davon blieb der deutsche Glashersteller Schott, der 80 Kilometer westlich von Shanghai „Ceran“-Kochflächen und Flachglas herstellt, verschont. Der Alltag in China ist für ausländische Unternehmer sowieso schon aufregend genug.
Vor sechs Jahren, im April 2002, investierte Schott elf Millionen Euro in den Standort Suzhou. Das Unternehmen mit Hauptsitz Mainz muss sich nicht nur wirtschaftlich, sondern auch kommunikativ im neuen Umfeld zurechtfinden. Und das ist aus PR-Sicht zunächst unüberschaubar, ganz davon zu schweigen, dass sich der Westeuropäer mit für ihn kryptischen Schriftzeichen konfrontiert sieht. Die etwa 1,3 Milliarden Chinesen werden durch knapp 10.000 Magazine und gut 2.000 Zeitungen informiert. In dieser gigantischen Medienlandschaft gilt es, Fuß zu fassen. Natürlich kann man diese in einem Land, das 27mal so groß wie Deutschland ist, nicht alle erreichen. Die Auswahl der Zielmedien will daher gut recherchiert sein und sollte sich an den Vertriebsregionen und Geschäftszielen des Unternehmens orientieren. Doch der Aufwand lohnt sich: Chinesen sind sehr markenbewusst. Regelmäßige Presseveröffentlichungen helfen enorm, Bekanntheit aufzubauen.
Zensur ist dabei eine geringe Hürde, solange der „Schuster bei seinen Leisten bleibt“, sprich sich nicht der Systemkritik hingibt, sondern auf Unternehmensnachrichten und Produktinformationen beschränkt. „Aber man muss bedenken, dass chinesische Journalisten Unternehmen aus westlichen Ländern zunächst kritisch sehen“, sagt Gina Hardebeck, Director China bei der Tübinger Agentur Storymaker, die für den Glashersteller in China aktiv ist. Anders als noch vor einigen Jahren sind die Presse-Vertreter der Volksrepublik besser ausgebildet und selbstbewusst. Außerdem schätzen sie ihre neue, relative Freiheit, was auch eine Lust an investigativem Journalismus mit sich bringt. Ein Beispiel dafür ist das unabhängige Magazin „Caijing“ (übersetzt etwa „Finanzen und Wirtschaft“), das seit 1998 kritischen Journalismus betreibt. Zwar wurde es zum Start fast wieder verboten – mittlerweile kursiert die Auflage von 220.000 Stück aber in der chinesischen Wirtschaftselite und ist aus der Medienlandschaft nicht mehr wegzudenken.
Direkter Kontakt„In China ist das persönliche Gespräch mit den Redakteuren deutlich wichtiger als in Europa“, weiß Reinig, der für Schott die internationale Kommunikation steuert und damit auch für Asien zuständig ist. Wie in Europa mittlerweile üblich, eine Pressemitteilung über den großen Verteiler zu schicken, bringe in China nicht viel.
Zu wenig sind die Mechanismen zwischen PR und Medien etabliert. „Was zählt, sind Beziehungen und gute Geschichten, die aufzeigen, wo der Nutzen für China liegt“, so Hardebeck. E-Mails und Telefonanrufe werden selten beantwortet, wenn man den Absender nicht kennt. Daher ist Networking das Wichtigste, was ein PR-Verantwortlicher beherrschen muss – und woran viele westliche Unternehmen scheitern. “Da hilft es, mit einer Agentur zusammenzuarbeiten, die einerseits gut vernetzt ist, gleichzeitig aber auch unsere Unternehmensbotschaften, Corporate Identity und Qualitätsanspruch nach China vermittelt“, so Reinig.
Das Etikett „Made in Germany“ hilft im Reich der Mitte durchaus, um in die Zeitung zu kommen. Außerdem sind Umweltschutz und CSR beliebte Themen. „Grundsätzlich will der chinesische Journalist wissen, was es seinem Land bringt, wenn Unternehmen aus dem Westen dort investieren“, weiß Hardebeck aus Erfahrung. Die Unternehmensvertreter müssen auf tief schürfende Fragen zu Investitionsumfang, Forschung und Entwicklung, inländischen Mitbewerbern und Umweltschutz vorbereitet sein. Deswegen fehlt in der Unternehmenskommunikation von Schott auch nicht das klare Bekenntnis zum chinesischen Markt.
Die Chinesen haben übrigens einen relativ guten Überblick über das, was über sie im Ausland geschrieben wird. Nicht nur in Zeiten der Olympischen Spiele, sondern auch sonst beobachten die chinesischen Medien sehr wohl die West-Medien und geben ihren Bürgern weiter, was im Ausland über sie berichtet wird. So erklärt sich auch, dass derzeit so manchem Olympia-Reporter Misstrauen seitens der Bevölkerung entgegenschlägt.
Mit den Olympischen Spielen hat Schott allerdings nicht viel am Hut. Für den chinesischen Haushaltsgerätehersteller Haier, Weltmarktführer was die so genannte „weiße Ware“ betrifft, stellt man zwar Ceranglas für Küchenherde her, auf denen olympische Symbole prangen.
Aber mit anderen Projekten schafft es Schott in die chinesische Presse. Zwischen vier bis acht Artikel werden durchschnittlich pro Monat veröffentlicht. Hinzukommen Abdrucke von Presseinformationen. Etwa mit der Meldung, dass Schott das Material zur Herstellung des Hauptspiegels für das größte Observatorium Chinas geliefert hat. Der Spiegel misst 2,45 Meter und befindet sich in einem Teleskop auf einem 3.240 Meter hohen Gipfel in den Yulong-Bergen. Im Mai 2007 wurde das Teleskop mit einer feierlichen Zeremonie eingeweiht. Es ist das erste von sieben astronomischen Projekten, die das Land der Mitte vorantreibt. In diesem Jahr soll das Large Sky Area Multi-Objects Fiber Spectroscopy Telescope (LAMOST) in den Einsatz gehen. Damit will China endgültig in die Weltspitze der Astrophysik vorstoßen. Auch für dieses Gerät liefert Schott Spiegelsegmente aus Zerodur-Glaskeramik. „Natürlich ist das in erster Linie ein Zuliefergeschäft“, sagt Reinig. „Aber eines, mit dem wir verdeutlichen können, dass wir mit China zusammenarbeiten wollen.“
ErfahrungSeit gut 40 Jahren ist Schott auf dem asiatischen Markt aktiv. Der Plan ist, bis 2010 etwa 30 Prozent seines Gesamtumsatzes dort zu machen. Dass sich der Markt für optische Komponenten, etwa für Digitalkameras und hochpräzise Linsen für technische Anwendungen, weitestgehend zwischen der Mongolei und Indonesien abspielt, kommt Schott dabei zugute.
Wegbereiter für das rasante Wachstum sind aber auch multinationale Entwicklungs- und Anwendungszentren, so genannte Application Center Asia (ACA). Eines davon ist das ACA in Suzhou in unmittelbarer Nähe der Produktionsanlagen von Schott. Hier befinden sich Labors zur Untersuchung und Bearbeitung optischer Materialien sowie zur Anwendungsentwicklung. „Das ACA ist Drehscheibe für unsere Expertisen weltweit und schafft Zugang zu Forschungs- und Entwicklungszentren in Asien und stärkt so die technische Zusammenarbeit mit unseren asiatischen Kunden erheblich“, erklärt Reinig den Kommunikationseffekt auf der B2B-Ebene. Darüber hinaus baut das ACA in relevanten Bereichen pan-asiatische Experten-Netzwerke auf. Kooperationen gibt es mit führenden Einrichtungen Chinas wie der Zhejiang Universität, der Sochow Universität, dem Institut für Optik und Mechanik in Chengdu und dem Shanghai Institut für Optik und Feinmechanik. Auch das Department of Medical Engineering der Chung Hua Universität in Taipei (Taiwan) steht auf der Partnerliste.
Außer Optik sollen auch Entwicklungen aus den Bereichen technisches Glas und Glaskeramik auf die Agenda. „Wir wollen in Asien quer durch alle Geschäftsfelder als umfassender Problemlöser gelten“, umreißt Hans-Peter Karpenstein, CEO von Schott Asia das Ziel, das das Unternehmen mit seinem Engagement unter dem Motto „Mission Asia“ verfolgt. Das ACA wurde darum eng mit dem Kundenservice aller asiatischen Vertriebsbüros vernetzt.
Eine Million Euro investierte Schott in das ACA, weitere 300.000 sollen in den Personalausbau von zehn auf 20 Ingenieure und Wissenschaftler fließen. In Japan ist das nächste Applikationszentrum geplant. Dass Schott Qualitäts-Ceran-Felder und Bauteile für Teleskope liefern kann, hat das Unternehmen bewiesen. Ein anderes wichtiges Geschäftsfeld sind Pharmaverpackungen – selbstverständlich aus Glas. Beispielsweise Ampullen für Impfstoffe oder geeignete Flaschen für Arzneimittel. Dafür hat Schott kürzlich die Lizenz für den chinesischen Markt erhalten.
Das gibt dem Unternehmen Gelegenheit, das Thema Gesundheit für sich zu nutzen. Dazu ist im Unternehmen eine Kampagne unter dem Slogan „Schott cares“ geplant. Ziel ist es, darzustellen, dass Schott als Lieferant von Medizinverpackungen auch seiner Verantwortung gegenüber Mitarbeitern, der Bevölkerung und Umwelt gerecht wird. Es ist eine Gelegenheit, sich zum Standort zu bekennen. Schon in der Satzung von 1986 der Carl Zeiss Foundation, in deren Besitz sich die Schott AG befindet, sind karitative Ansprüche definiert.
Der chinesische Arbeitgeber Schott„Was haben wir von euch?“, ist eine der Fragen, die chinesische Journalisten den Vertretern ausländischer Firmen oft stellen, wissen Hardebeck und ihre chinesischen Team-Kollegen aus Erfahrung. Die Kampagne unterstreicht das Commitment von Schott zu China. Zum einen soll kommuniziert werden, wie Schott als Arbeitgeber seine Mitarbeiter unterstützt. Etwa durch flexible Arbeitszeiten, Telearbeitsplätze oder Hilfe, wenn nach einer Schwangerschaft der Wiedereinstieg in den Beruf ansteht, was die Familienfreundlichkeit erhöht. Außerdem betreibt Schott die Initiative „Zero Accidents – You are important to me“. Das Ziel ist es, die Zahl der Unfälle am Arbeitsplatz auf Null zu bringen. Dazu gehören Trainingsprogramme und die Implementierung von Sicherheitsbeauftragten in den Betrieben. „Am Ende steht die Aussage: Schott kümmert sich um seine Mitarbeiter, ihre Gesundheit, ihre Sicherheit und ihre Umwelt“, erklärt Reinig.
In naher Zukunft bietet sich insbesondere ein Anlass an, um die Botschaft breit zu streuen. Am 4. September wird Schott-CEO Udo Ungeheuer die Eröffnungszeremonie einer Produktionsanlage in Suzhou vornehmen. Dazu sind Vertreter der führenden Fachmagazine, Lokalzeitungen sowie Tages- und Wirtschaftspresse zu einer Pressekonferenz eingeladen und Ungeheuer wird in Einzelinterviews ausgewählten Medienvertretern die Unternehmensstrategie zu China erklären.
Hier sollen auch weitere CSR-Maßnahmen verkündet werden. Für Medizin- und Pharmajournalisten soll es Seminare zum Thema Medical Packaging geben. Außerdem ist eine Road-Show in Planung, bei der es um Sicherheitsfragen unter medizinischen Bedingungen geht. Die Road-Show wird von Schott China geplant und organisiert und soll auch in anderen asiatischen Ländern Station machen. Darüber hinaus engagiert sich Schott auch ganz konkret in Sachen Gesundheit, hier sind einige Aktionen geplant, die allerdings noch nicht spruchreif sind. Denkbar ist, dass Gesundheitsuntersuchungen von Kindergartenkindern gesponsert werden oder solche Programme für die Kinder von Mitarbeitern aufgesetzt werden.