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17.03.2011   News
Man kennt sich
 
In wirtschaftlich guten Zeiten sind es die Börsengänge und Übernahmen, die das Geschäft der Finanz-PR-Agenturen ankurbeln, in schlechten Zeiten spülen Krisensituationen Geld in die Kassen der Berater. Von Geraldine Friedrich

Deutschlands erster Börsengang im Jahr 2011 ist ein – ja was? Ein Hersteller von elektrischen Fahrrädern aus Cloppenburg. „Derby Cycle gelingt Fahrradfahrt aufs Parkett“, titelt denn auch die „FTD“ im Netz. Es fühlt sich ein bisschen nach Neuer Markt und New Economy an: Damals im Jahr 2000 posierte Ex- Infineon-Chef Ulrich Schumacher noch protzig im Renndress neben einem Porsche. Und heute? Da radelt Derby-Cycle-Boss Mathias Seidler im dunklen Anzug zum IPO (Initial Public Offering)– zumindest tut er so. Gestartet ist er nämlich nur wenige hundert Meter vom Börsengebäude entfernt, um anschließend seine Kurven durch die Handelsräume zu drehen. Equity Story ja, aber bitte alles im (Fahrrad)-Rahmen.
„Ich bin beim Thema Börsengänge vorsichtig, die Zeiten, bei denen eine Finanzmarkt-PR-Agentur 50 bis 60 Prozent des Umsatzes aus dem Geschäft erzielt hat, sind definitiv vorbei“, sagt Jürgen Herres, geschäftsführender Partner bei KetchumPleon in Düsseldorf und Experte für Finanzkommunikation. So erhoffen sich Finanz-PR-Agenturen wie auch Konsortialbanken und Kanzleien zwar in diesem Jahr mehr Börsengänge und damit verbunden mehr Beratungsbedarf. Tatsache ist aber auch, dass alle Marktteilnehmer bereits in den vergangenen Jahren mehr Börsengänge erwartet hatten.
 
Mal redselig, mal schweigsam
„Derzeit wächst vor allem der Beratungsbedarf für Übernahmen und Fusionen“, beurteilt Markus Breidenstein (46), geschäftsführender Partner bei Financial Dynamics (FD) in Frankfurt, die Lage. Übernahmen gehören neben Börsengängen und Restrukturierungen zum klassischen Geschäft von Strategieberatungen wie Hering Schuppener, FD oder der Brunswick Group, alle mit Sitz in Frankfurt. Sie führen in Deutschland das Mergermarket Ranking 2010 an (siehe Tabelle), welches festhält, wer wie viele Deals (Volume) mit welchem Gesamtwert (Value) PR-technisch betreut hat.
Die genannten Agenturen beraten Unternehmen bei der Öffentlichkeitsarbeit in diesen mehr oder weniger kritischen Situationen. Während Berater normalerweise gern über die von ihnen betreuten Börsengänge sprechen, weil sie es zum einen seitens ihrer Kunden dürfen und zum anderen die Öffentlichkeit ein IPO in der Regel als positives Ereignis wahrnimmt, geben sie sich in den anderen Fällen deutlich zurückhaltender, insbesondere wenn es noch um laufende Mandate geht. Bei Übernahmen und Restrukturierungen hängt es vom Kunden ab, ob die PR-Agentur an die Öffentlichkeit tritt oder nicht. „Die Mandate sind ganz unterschiedlich. Wir treten beispielsweise dann offiziell bei Journalisten auf, wenn ein ausländisches Unternehmen keine deutsche Pressestelle hat oder wenn der Kunde es aus Kapazitätsgründen wünscht. So eine Übernahme vervielfacht in der Regel die Zahl der Presseanfragen, insbesondere die spezifischen Anfragen von Finanzjournalisten. Das kann und will nicht jedes Unternehmen alleine leisten“, erläutert Brigitte von Haacke (39), Partnerin bei Hering Schuppener in Frankfurt. Beispiel: Bei der noch laufenden Übernahmeschlacht zwischen ACS und Hochtief vertritt Hering Schuppener offiziell als Presseansprechpartner die Bieterseite ACS, während sich KetchumPleon für die Verteidigerseite Hochtief engagiert. Im Jahr 2009 vertrat Hering Schuppener bei dem feindlichen Übernahmekampf zwischen Continental und Schaeffler ebenso offiziell Continental, wie die Kollegen von FD offiziell die PR für Schaeffler betreuten. Restrukturierungen hängt ein Unternehmen dagegen selten an die große Glocke, denn ein Bedarf in diesem Segment bedeutet oftmals, dass ein Unternehmen überschuldet ist und kurz vor der Zahlungsunfähigkeit steht.
Die erwähnten Agenturen beraten nach eigenen Angaben nur in Ausnahmefällen Einzelpersonen. Realität ist aber auch, dass sich Kommunikationsagenturen oftmals in Konstellationen mit anderen Beratern befinden, die andere Geschäftsmodelle verfolgen. Dazu gehören auch die berühmt-berüchtigten Spin-Doktoren, die meist als One-Man-Show auftreten und denen oft ein Ruf wie Donnerhall vorausgeht. Sie füttern als semioffizielle Sprecher, die nicht zitiert werden wollen, Journalisten mit Insiderinformationen, die im Sinne ihrer Auftraggeber sind. Meist handelt es sich bei den Kunden um Vorstandsvorsitzende großer Konzerne, deren Interessen nicht unbedingt identisch mit denen des Unternehmens sein müssen. Die Übergänge in der Welt der PR-Dienstleister sind also durchaus fließend. So ist CNC-Chef Christoph Walther, früher Kommunikationschef bei DaimlerChrysler, nicht nur CEO einer der führenden deutschen Finanz-PR-Beratungen (laut Mergermarket Ranking 2010 Platz 4), sondern er zählt auch zu den bekanntesten Spin-Doktoren Deutschlands: Er beriet unter anderem den früheren Siemens-Chef Klaus Kleinfeld.

Ein Ziel, viele Interessen
Das Gros der Arbeit läuft unter Ausschluss der Öffentlichkeit. „Bei einem M&A-Projekt fällt der Löwenanteil des Beratungsbedarfs beim Kunden an, bevor die Öffentlichkeit davon erfährt“, weiß von Haacke. Für Breidenstein bestimmt die Vielschichtigkeit der unterschiedlichen Interessenlagen den Anspruch der Arbeit: „Internationale Investoren, Kreditgeber, Politiker im Wahlkampf, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, Analysten – sie alle haben eigene Interessen, denen sie in den Medien verstärkt Nachdruck verleihen.“ Konkret heißt das: Die einen wollen Arbeitsplätze sichern, andere wollen möglichst kostengünstig produzieren, einkaufen oder investieren, und jeder will natürlich bei der Verwirklichung seiner Ziele die öffentliche Meinung auf seiner Seite haben. Das Schwierige für die Berater sei hier, diese wirtschaftlichen, sozialen und politischen Erwartungen sämtlicher Anspruchsgruppen bei der Kommunikation für den eigenen Auftraggeber zu berücksichtigen, ohne eben von dessen Zielen abzuweichen. Auch aus diesem Grund hat FD nach der Trennung von A&B vor anderthalb Jahren die Sparte Public Affairs mit vier Leuten aufgebaut.
Alles unter einen Hut zu bringen, verbunden mit dem Wissen um die komplexen Zusammenhänge der Finanzwirtschaft, macht die Öffentlichkeits- arbeit extrem kompliziert und die etablierten PR-Beratungen zu gefragten und daher gut bezahlten Ansprechpartnern. 3.000 Euro Tagessatz für einen Seniorberater gelten als realistisch, bei Partnern kann er auch höher ausfallen. Wobei sich natürlich auch hier die Frage stellt, wer welche Stunden wie abrechnet. Denn bei langjährigen Kunden, denen es plötzlich schlecht geht, werden auch Zugeständnisse gemacht. Gerade das M&A-Geschäft ist wiederum für die PR-Beratungen besonders lukrativ, denn bei diesem Geschäft werden die PR-Berater am Erfolg beteiligt – nicht in dem exorbitanten Maß wie die Investmentbanken, aber doch so, dass außer dem Fixum zusätzlich der Rubel rollt.
 
Jeder kennt jeden
Ihre Aufträge erhalten die Finanzspezialisten meist über die Empfehlung der beteiligten Investmentbanken, gelegentlich auch über die Anwälte und Wirtschaftsprüfer und natürlich von ihren Bestandskunden selbst. Da die Branche sehr klein ist, kennen sich die Marktteilnehmer sehr gut und engagieren daher immer wieder gerne Dienstleister, mit denen sie positive Erfahrungen gemacht haben. „Gerade im sensiblen Bereich M&A sind die Kunden froh, wenn ihnen vertraute Gesichter gegenübersitzen“, weiß KetchumPleon-Mann Herres. Die Mittlerfunktion der Banken und Anwälte hat dabei mitunter einen praktischen Grund: Bei Transaktionen wie zum Beispiel Übernahmen können oder wollen die Unternehmen nicht immer selbst auf die PR-Spezialisten zugehen. Die Gefahr, dass eine Agentur bereits ein Mandat eines Konkurrenten hat und – wie es im Finanz-PR-Denglisch heißt – „conflicted ist“, ist zu groß. Allein die Anfrage des Unternehmens könnte dann schon Rückschlüsse zu lassen und dem Mitbewerber wertvolle Informationen liefern.
Auffallend ist, dass die Finanzspezialisten unter den PR-Leuten das Wort PR und PR-Agentur in Sachen Eigendarstellung nur ungern in den Mund nehmen. So korrigierte eine Agenturmitarbeiterin bereits bei der ersten telefonischen Anfrage mit dem Hinweis „Wir sind keine PR-Agentur, sondern eine Strategieberatung für Kommunikation“. Diese Versuche der Szene, sich von „PR-Buden“, die Pressemitteilungen schreiben, Pressekonferenzen organisieren und Broschüren verfassen, abzugrenzen und sich durch die Wahl der Sprache („Beratung“, „Mandate“ et cetera) auf die Ebene von Wirtschaftskanzleien zu heben, wirken auf Herres etwas krampfhaft. „Natürlich haben wir andere Schwerpunkte als eine Agentur, die sich auf die Vermarktung von Lifestyleprodukten konzentriert oder sich auf Mitarbeiterveranstaltungen für kleine Firmen spezialisiert hat. Aber Beratung zur Kommunikationsstrategie schließt das Schreiben von Pressemitteilungen nicht aus, ebenso wenig das Organisieren von Konferenzen und Interviews. Das gehört einfach dazu, wenn man Öffentlichkeitsarbeit macht“, sagt der 48-Jährige und fügt hinzu: „Da gibt es mitunter in der Branche ein Problem mit dem Selbstbewusstsein.“
Foto: Derby Cycle
 

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