Grün ist trendy
Wenn der Deutsche Nachhaltigkeitspreis vergeben wird, geben sich Stars aus der Musik- und Medienbranche ebenso die Klinke in die Hand wie Politiker und Wirtschaftsbosse. Manche befürchten, dass dadurch das Thema Nachhaltigkeit ins Hintertreffen gerät.
Brauchen wir Nachhaltigkeitspreise? Und interessieren sie? Diese Fragen stellte Achim Halfmann den Mitgliedern der CSR-Professional-Gruppe im Online-Netzwerk Xing. Zwei Tage später wurde in Düsseldorf zum dritten Mal der Deutsche Nachhaltigkeitspreis verliehen. Halfmann hat mit seinem Beitrag einen Nerv getroffen. Die Gruppenmitglieder diskutierten kontrovers – und ergebnisoffen.
Charlotte Hesselbarth hat sich an dem Austausch nicht beteiligt. Die Koordinatorin des MBA-Studiengangs „Sustainability Management“ an der Leuphana Universität Lüneburg ist überzeugt: „Ein wenig mehr Bescheidenheit täte der Sache gut.“ Eine glamouröse Gala mit illustren Gästen braucht es ihrer Meinung nach nicht, um nachhaltiges Engagement von Unternehmen zu kommunizieren. „Preisverleihungen bewirken größere mediale Aufmerksamkeit“, weiß die Wissenschaftlerin. „Die Gratwanderung zwischen Nachhaltigkeit und Entertainment ist jedoch schwierig und gelingt nur selten.“
Martina Hoffhaus, Inhaberin der auf Nachhaltigkeitskommunikation spezialisierten Agentur messagepool aus Frankfurt, sieht das ähnlich: „Wir brauchen derartige Preise, damit Nachhaltigkeit Aufmerksamkeit bekommt.“ Sie befürchtet aber: „Die dafür nötigen großen Namen und schillernden Events können oder wollen sich wahre Pioniere oft gar nicht leisten.“ Diesmal gingen die Ehrenpreise in Düsseldorf etwa an TV-Koch Jamie Oliver und den Bee Gees-Sänger Robin Gibb. Über mangelnde mediale Beachtung können sich die Initiatoren des Deutschen Nachhaltigkeitspreises nicht beklagen. Genaue Daten zur Medienresonanz geben sie zwar nicht heraus. Allerdings nennen sie „Wirtschaftswoche“ und „FAZ“ als Beispiele für Medien, die rund um den Nachhaltigkeitstag am 26. November Beilagen zu grünen Themen veröffentlicht haben.
Über die tatsächliche Popularität oder die Sinnhaftigkeit von Nachhaltigkeitskommunikation sagt dies wenig aus. Ursprünglich aus der Nachhaltigkeitsberichterstattung, dem CSR-Reporting, entstanden wird Nachhaltigkeitskommunikation inzwischen als integraler Bestandteil der Strategie und der Leistungsmessung von Unternehmen verstanden. Die Instrumente sind vielfältig, mit denen CSR-Manager das soziale, ökonomische und ökologische Engagement ihrer Unternehmen bekannt machen: Es gibt Siegel, CSR-Mitarbeitermagazine, Stakeholderdialoge im Internet, extern zertifizierte Nachhaltigkeitsberichte, klimaneutrale Events, Mitarbeiterschulungen und vieles mehr. Für eine treffsichere Medienarbeit pflegt die Agentur messagepool seit 2004 einen exklusiven CSR-Presseverteiler, der unter anderem CSR-Nachrichtenwebsites, Blogs, Foren, Communitys, spezialisierte Radio- und Fernsehformate, Supplements, CSR-Fachmedien und LOHAS-Magazine aufführt. Agentur-Chefin Hoffhaus leitet den noch jungen Arbeitskreis CSR-Kommunikation innerhalb der Deutschen Public Relations Gesellschaft (DPRG). Es wundert nicht, dass sie außer den Medien die Politik in der Pflicht sieht, „um die Bevölkerung zu nachhaltigem Verhalten zu bewegen“. Dabei seien vor allem kreative und witzige Ansätze gefragt, „damit Grün trendy wird“, sagt Hoffhaus. Allerdings dürfe sich das Engagement heutzutage nicht mehr darauf beschränken, Gutes zu tun, um darüber zu berichten. Kommunikatoren sollten vielmehr herausstellen, dass ihre Arbeitgeber Gutes tun, um Lösungen auf drängende Fragen unserer Zeit wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und unsoziale Arbeitsbedingungen zu finden.
Einen umfassenden Anforderungskatalog an gute Nachhaltigkeitskommunikation hat das Centre for Sustainability Management an der Leuphana Universität entwickelt. Für Charlotte Hesselbarth gehören Zielgruppen- und Dialogorientierung zu den wichtigsten Kriterien. Nachhaltigkeitskommunikation sollte aber auch vorausschauend Themen identifizieren und nicht allein auf Forderungen der Stakeholder reagieren. Zudem sollte sie für das Thema begeistern und darüber informieren, welchen Beitrag das Nachhaltigkeitsmanagement zum Unternehmenserfolg leistet – etwa über Reputationssteigerungen oder Wettbewerbsvorteile. Am besten lässt sich der wirtschaftliche Effekt von Nachhaltigkeit anhand von Schlüsselindikatoren wie Energieintensität, CO₂-Emissionen, Arbeitsunfälle, Weiterbildungstage und Umsatzzahlen messen. Preisverleihungen braucht es dafür nicht.(bb)