Mühsame Fahndung nach neuer Sicherheitsarchitektur
Mühsame Fahndung nach neuer Sicherheitsarchitektur
Seit einem Dreivierteljahr ringen Politik, Behörden und Fachgremien um den Entwurf für eine schlagkräftigere Aufstellung des hiesigen Sicherheitsapparats. Das Ziel der Reform lautet, die Terrorabwehr in Deutschland effizienter zu gestalten und Doppelstrukturen abzuschaffen. Die Debatte wird jedoch von politischem Streit, Kakophonie und Eifersüchteleien überlagert. Bis dato bürgen diverse Multiorganisationen mit teilweise überlappenden Aufgaben für die innere Sicherheit. Neben den dem Innenministerium unterstellten Behörden Bundespolizei (ehemals Bundesgrenzschutz) und Bundeskriminalamt (BKA) sowie der Bundeszollverwaltung (Zoll) unter Aufsicht des Finanzministeriums zählen dazu der Bundesnachrichtendienst (BND), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und der Militärische Abschirmdienst (MAD).
Eine im April 2010 von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) eingesetzte Kommission unter Führung des früheren BfV-Präsidenten Eckart Werthebach arbeitet seither intensiv an Vorschlägen für eine neue Sicherheitsarchitektur. Für dieses Frühjahr hat de Maizière eine politische Grundsatzentscheidung über den Behördenzuschnitt und den Zeitplan der Reform angekündigt. Er favorisiert das Modell der Werthebach-Kommission, Bundespolizei (rund 41.000 Mitarbeiter) und BKA (rund 5.500 Mitarbeiter) zu fusionieren. Die Hauptsitze der neuen Organisation – Potsdam und Wiesbaden – sollen erhalten bleiben. Hiesige Medien sprechen bereits von einem deutschen „FBI“; der Bedeutungszuwachs für das BKA ist nicht zu übersehen. Schon im Zuge der Anti-Terror-Gesetze hatte es seit 2002 Befugnisse erhalten, die eigentlich in den Bereich der Geheimdienste fallen, etwa Online-Durchsuchungen oder die Überwachung von Wohnräumen.
Nicht nur seitens der Opposition, auch aus den eigenen Reihen erntet de Maizière heftige Kritik. Denn anders als im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und FDP vereinbart, bleibt der Zoll mit seinen gut 17.000 Beamten auf Drängen des Finanzministeriums von der Reform ausgenommen. Zudem stellen Innenexperten von SPD und Grünen die Synergieeffekte dieser kleinen Lösung in Abrede. Es gehe gar nicht um vernetzte Sicherheit, sondern um Machtverschiebung von den Ländern auf den Bund, so der Tenor.
Auch um die künftige Aufstellung der Geheimdienste wird heftig gestritten. Die FDP sähe den MAD (Zuständigkeit: Verteidigungsministerium) gern mit BfV (Innenministerium) und BND (Kanzleramt) verschmolzen. Hiergegen opponiert nicht nur der Koali- tionspartner CDU, auch unter den betroffenen Behörden regt sich Widerstand gegen diesen Vorschlag.
Zusätzlich erschwert wird die Suche nach einer neuen Sicherheitsarchitektur für Deutschland durch die Frage nach der künftigen Rolle der Bundeswehr. So forderte Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) Ende November deren Einsatz auch im Innern – etwa zum Objektschutz – und unterstützt damit einen Vorstoß von Ferdinand Kirchhof, Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts. Dafür indes müsste das Grundgesetz geändert werden. Zudem bleibt offen, wie eine nach der parallel von Verteidigungs-minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) angestoßenen Streitkräfte- Reform erheblich dezimierte Bundeswehr diese erweiterten Aufgaben überhaupt bewältigen könnte.