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News / Das Summen wird zum Brummen
25.07.2008   News
Das Summen wird zum Brummen
 

Meldungen von massenhaften Bienensterben haben der Chemieindustrie nichts anhaben können. Das liegt auch an der semi-professionellen Öffentlichkeitsarbeit der Imker.
Von Peer Brockhöfer

Angefangen hatte es vor mehr als 14 Jahren in Frankreich. Als die Imker im Sommer 1994 nach ihren Bienenstöcken schauten, trauten sie ihren Augen nicht. Die Bienen waren nicht mehr da. Sie waren nicht ausgeschwärmt, wie es manchmal vorkommt, wenn der Stock zu voll ist, und es lagen auch keine toten Bienen vor und in den Behausungen, wie es der Fall ist, wenn die Völker von Krankheiten oder Parasiten heimgesucht werden. Die Bienen sind nie wieder zurückgekehrt. 50 Prozent der Bienenvölker waren einfach weg.  Damals machten die französischen Imker das Insektizid Imidacloprid für die Vorfälle verantwortlich, das Bayer CropScience in dem Pflanzenschutzmittel „Gaucho“ verwendet. Das aktuelle Nachfolgeprodukt „Poncho“ nutzt den neueren Wirkstoff Clothianidin, der ähnlich wie Imidacloprit die Reizleitungen des Nervensystems von Insekten unterbricht, aber dabei viel stärker wirkt. Die französische Regierung hatte daraufhin die Verwendung des Insektizids zumindest auf Sonnenblumenfeldern untersagt. Das Mittel wird entweder gespritzt oder auf das Saatgut aufgetragen, in der Fachsprache heißt der Vorgang „aufbeizen“. Das Insektizid verteilt sich dann in der wachsenden Pflanze. Es gibt auch genetisch veränderte Maissorten, die von selbst ihr eigenes Pflanzenschutzmittel produzieren. Die Indus­trie spricht dann von erhöhter Resis­tenz der Pflanzen, was nicht ganz so giftig klingt.

In den Folgejahren breitete sich das mysteriöse Bienensterben aus. Hohe Verluste registrierten die Imker auch in Deutschland, Österreich, Spanien, Polen und der Schweiz. Manfred Hederer, Präsident des Deutschen Berufsimkerbundes (DBIB), gibt gegenüber dem Bundesministerium für Bildung und Forschung den Rückgang der Bienenvölker im Bundesgebiet mit 25 Prozent an. In bestimmten Regionen seien sogar bis zu 80 Prozent des Bestandes betroffen. Hederer spekulierte bereits im Frühjahr 2007, dass „ein besonderes Gift, irgendein Wirkstoff, den wir nicht kennen“, die Bienen töte. In der Schweiz lagen die Verluste zwischen 2003 und 2006 bei jährlich etwa 25 Prozent.

Bienensterben weltweit
Im Frühling des vergangenen Jahres kamen dann regelrechte Horrormeldungen aus Nordamerika: In den USA beobachteten Bienenzüchter ähnliche mysteriöse Vorkommnisse wie ihre Kollegen in Europa. Allerdings kamen hier 70 bis 90 Prozent der Bienen nicht mehr zurück. Es brauchte aber noch ein weiteres Bienensterben, um das Thema in die Medien zu spülen. Anfang dieses Jahres empfahl das baden-württembergische Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum unter Minis­ter Peter Hauk den Einsatz von Poncho, um gegen den drohenden Maiswurzelbohrer vorzugehen. Die Folge war ein Bienensterben in der Rheinebene, bei dem 11.500 Völker von 700 Imkern geschädigt wurden. Der zeitliche Zusammenhang zwischen Aussaat des behandelten Mais und dem Bienensterben war frappierend. Bayer CropScience hielt sich zunächst bedeckt, ging aber dann in die Offensive. Allerdings mit Verweis auf die Saatguthersteller, denn diese hätten bei der Behandlung des Saatguts mit dem Insektizid unsachgemäß gearbeitet, so dass der Wirkstoff nicht ausreichend an den Körnern haftete. Deswegen sei bei der Aussaat Clothianidin von den Samen abgerieben worden und in die Luft gelangt, was durch die anhaltende Trockenheit und starke Winde verstärkt wurde. Trotzdem erklärte sich das Unternehmen bereit, betroffenen Imkern finanzielle Hilfe zuleis­ten. Utz Klages, Pressesprecher der Bayer CropScience AG, betont allerdings, dass es sich dabei nicht um Schadensersatzzahlungen im rechtlichen Sinne handelte. Man sehe sich als Partner der Agrarwirtschaft, zu der auch die Imker gehören. „Mit dieser Maßnahme wollten wir schnelle unbürokratische Hilfe leis­ten“, so Klages. Die Abwicklung laufe über das Ministerium in Baden-Württemberg. Dass die Hilfeleistung in den Medien vereinzelt als Schuldeingeständnis ausgelegt wurde, ficht Klages indes nicht an: „In diesem Fall sind wir das Risiko bewusst eingegangen.“
Die Hilfeleistung hatte der Bayer-Ökologe Richard Schmuck bei einem Expertenhearing am 20. Juni in Karlsruhe in Aussicht gestellt, zu dem das Hauk’sche Ministerium Experten von Behörden, Industrie und Wissenschaft zusammengerufen hatte. Der Ökologe Schmuck und Hans-Josef Diehl, Leiter Entwicklung, Beratung und Registrierung von Bayer CropScience, vertraten zu zweit die Industrie. Außerdem waren Wissenschaftler aus dem Ausland anwesend, unter anderen Jean-Marc Bonmatin vom Nationalen Zentrum für wissenschaftliche Forschung (CNRS) in Frankreich, der Imker vertrat. „Wir Imker selbst waren als Experten nicht zugelassen“, sagt DBIB-Präsident Hederer gereizt. Isabell Kling, Pressesprecherin beim Ministerium für Ernährung und Ländlichen Raum,  bestätigt das mit dem Hinweis darauf, dass die Veranstaltung dazu diente, Wissenschaftler zum Thema Bienensterben zu Wort kommen zu lassen. Allerdings waren die Imker als Zuschauer anwesend, und so kam es nach jedem Referentenbeitrag zu angeregten Diskussionen. Am Ende fand laut Kling ein zweistündiger Diskurs statt.

Atmosphäre des Missstrauens
Die Industrie-Vertreter brachten ihr Bedauern zum Ausdruck, wie es bei Bayer in der Pressemitteilung heißt, und betonten gleichzeitig die Sicherheit der Insektizid-Beize, die man noch vergrößern möchte. Hederer dagegen sagt, Bayer hätte sich „hochoffiziell entschuldigt“. Auch aufgrund der Schadensersatz-Ankündigung steht für ihn der Schuldige fest. Der Wissenschaftler aus Frankreich zeigt  in seinen Untersuchungen und Analysen unter Laborbedingungen, dass er Pestizide für das Bienensterben verantwortlich macht und spricht damit den Imkern aus der Seele. Und die Imker trauen vielen Wissenschaftlern nicht, weil sie befürchten, dass die Verzahnung von Wissenschaft und Industrie so stark ist, dass viele Experten nicht mehr neutrale Aussagen treffen könnten. „Wenn ich mir anschaue, wer bei solchen Veranstaltungen spricht, weiß ich bei vielen schon vorher, was sie sagen werden“, bringt es Hederer auf den Punkt.
Wenn sich die Imker nicht gerade über Pestizide aufregen, wirken sie eher resigniert. Sie fühlen sich wie David gegen Goliath – nur dass sie nicht davon ausgehen, dass auch diesmal David gewinnt. Es gibt gerade mal 4.500 bis 5.000 Berufsimker in Deutschland. „Und von denen sind nur 600 bei uns organisiert“, sagt Hederer. „Alles was bei uns an PR geschieht, läuft ehrenamtlich neben dem Hauptberuf.“ Ihm ist klar, dass man eine stärkere Stimme in der Öffentlichkeit bräuchte. Bayer CropScience hat zum Thema Bienensicherheit von Saatgutbehandlungsmitteln zeitnah kommuniziert. Dazu gehörten Pressemitteilungen, Online-FAQs, Informationen für professionelle Anwender sowie die direkte und unmittelbare Kommunikation mit Behörden, Landwirten und Imkern. „Als uns von den Vorkommnissen in der Rheinebene berichtet wurde, haben wir sofort zusammen mit den zuständigen Behörden die Aufklärung des Sachverhalts aufgenommen“, berichtet Klages. 
Als Ursache der Bienenverluste in Baden-Württemberg stellte sich eine falsche Beizprozedur bei Saatgutherstellern und eine unsachgemäße Abluftführung bei den von Landwirten eingesetzten  pneumatischen Sähmaschinen heraus. Bayer CropScience reagierte prompt und entwickelte gemeinsam mit den  Saatgut- und Maschinenherstellern sowie den beteiligten Behörden einen Aktionsplan. 
Die Imker hingegen gehen auf die Barrikaden. In Karlsruhe hatte sich vor dem Gebäude, in dem das Expertenhearing stattfand, eine Hand voll Imker zu einer Demonstration versammelt. Für den 18. Juli war auch eine Kundgebung in Braunschweig vor dem Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) angesetzt, zu der mehrere Hundert Imker erwartet wurden. Denn in Braunschweig wird entschieden, welche Mittel auf den Äckern eingesetzt werden. Und das BVL hat die ruhende Zulassung für gebeizte Rapssaat wieder aktiviert, nachdem ähnliche Vorkommnisse wie bei der Maisaussaat in diesem Frühjahr ausgeschlossen werden konnten.
 
Imker-PR
Allerdings steckt die Öffentlichkeitsarbeit der Imker noch in den Kinderschuhen. Unter www.berufs imker.de werden aktuelle Materialien gesammelt. Dort ist auch der Offene Brief von Hederer an Hans-Gerd Nolting, den Leiter der Abteilung Pflanzenschutzmittel im BVL, abrufbar. Hier listet der DBIB-Präsi seine Argumente gegen Insektizide auf. Ein lesenswertes Dokument, weil es die Befürchtungen und Argumente der Imker anschaulich zusammenfasst. Öffentliche Wirkung hat der Brief aber wenig. Zumindest nicht in der Presse. Der „Spiegel“ berichtete in seiner Ausgabe 25/08 über Imker auf mehr als zwei Seiten. Das Bienensterben war dem Autor allerdings nur ein paar Zeilen wert, in denen er auf das Insektizid Clothianidin und das Bienensterben im Rheintal hinweist, aber andere Ursachen wie Monokulturen und „hochgezüchtete Bienen“ für das Sterben ausmacht.
In der Tat ist es mit verbindlichen Argumenten schwierig, wenn es wissenschaftlich ins Detail geht. Deswegen tut sich beispielsweise auch  Peter Rosenkranz von der Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim mit einer klaren Schuldzuweisung schwer. Zu zahlreich seien die Einflüsse auf die Bienen: Monokulturen, Züchtungen, Umwelteinflüsse, Handhabung der Bienen durch die Imker,  die ihre Völker auch oft umsetzen würden, damit diese beispielsweise für Obstbauern die Bäume bestäuben.

Industrielles Bienenmonitoring
Um eine Faktenbasis für das Bienensterben zu haben, wurde vor vier Jahren das Bienenmonitoring von In­-dus­trie, Imkern und Behörden ins Leben gerufen. Auch die Bienenistitute sind mit an Bord. Auf der Grundlage der Daten von 120 Imkereien, die sich an dem weltweit einmaligen Unterfangen beteiligen, soll herausgefunden werden, woran Bienen sterben. Allerdings steht das Projekt seit Beginn in der Kritik, denn es wird zum Teil von der Industrie finanziert. Bereits 2006 drohte der DBIB damit, aus dem Bienemmonitoring auszusteigen. Der Vorwurf: Die Industrie verhindere weitestgehend Untersuchungen bezüglich Pflanzenschutzmitteln und wolle lediglich andere Ursachen des Bienensterbens beleuchten. Es verwunderte den DBIB, dass Pressemitteilungen zu Sitzungen des „Runden Tischs“ zum Bienenmonitoring angeblich bereits im Vorfeld formuliert gewesen seien. Hier seien zwar positive Aspekte wie gestiegene Honigerträge erwähnt worden, aber nicht die Bedenken der Imker, verstärkt auch die Rolle der Insektizide zu prüfen, wogegen sich die Industrie angeblich wehrte. Stattdessen seien Proben für diesen Zweck eingefroren worden, um sie zu einem späteren Zeitpunkt untersuchen zu können.

Klages, dessen Arbeitgeber ein Initiator des Bienenmonitorings ist, sieht das Projekt positiv: „Hier sitzen alle an einem Tisch und Beschlüsse werden einstimmig gefasst.“ Das deutsche Bienenmonitoring schaffe eine umfangreiche und international einzigartige Datenbasis zur Erforschung der Bienengesundheit, so Klages.  Gleichwohl ist ohne die finanzielle Unterstützung durch die Industrie ein solches Projekt – allein schon wegen der Laborkosten – nicht umsetzbar. Dass es bei einer solchen Konstellation auch zu Kritik kommt, ist im Unternehmen bekannt. Aber aus Sicht von Bayer  ist die Sache im Interesse der Imker, die von der Ursachenforschung  profitieren. In wie fern das Bienenmonitoring, das im kommenden Jahr die geplante Laufzeit von fünf Jahren erreichen wird, weitergeführt wird, ist noch offen. Denkbar ist allerdings auch eine europaweite Ausweitung der Untersuchungen. In Frankreich beispielsweise verfügen Imker nicht über langfristige, überregionale Beobachtungen.
Während die Imker ein generelles Verbot für Insektizide wie Clothianidin fordern, finden sie in der Wissenschaft und auch bei den Landwirten immer weniger Unterstützung. Denn eines ist klar: Eine Landwirtschaft ohne chemische Hilfsmittel wird es nicht geben. Schließlich steht die Landwirtschaft kurz davor, selbst genmanipulierte Pflanzen einsetzen zu dürfen. „Da ist es immer noch besser, das Saatgut zu beizen, statt die Insektizide über die Felder zu versprühen“, so die Argumentation aus der Wissenschaft.  So sieht auch Bayer die Entwicklung der Saatbeize als einen Erfolg an. „Wir werden natürlich die Zusammenarbeit mit den Saatgutanbietern und den Landmaschinenherstellern kommunikativ begleiten“, sagt Klages, der sich sicher ist, dass solche Vorfälle in Zukunft vermieden werden können.     
 

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