Ulrich Nies, Le
Ulrich Nies, Leiter Corporate Communications beim Spezialchemiekonzern Clariant und seit 2005 Präsident der DPRG, über Ethik und Moral – ein schriftliches Statement
Trotz PR-Kodizes und persönlicher Wertmaßstäbe lässt sich die praktische PR- Arbeit nicht immer eindeutig in moralisch richtiges oder falsches Handeln einordnen. Wie sehr sehen Sie sich selbst gezwungen, in einer Grauzone der PR zu agieren?
Nies: Für einen Auftraggeber, der mich auffordert in einer Grauzone zu arbeiten, könnte ich nicht tätig sein. Ich trete für die Interessen meines Unternehmens ein und tue dies transparent. Mir gehen diese sich augenzwinkernd anbietenden Fummelbrüder auf die Nerven, die allenfalls kurzfristig gut da stehen. Den einzig nachhaltigen Erfolg haben die doch bei der Zerstörung des guten Rufs unserer Branche.
Für wie sinnvoll halten Sie Institutionen wie den Deutschen Rat für Public Relations (DRPR) und warum?
Nies: Für mich ist der DRPR in mehrfacher Weise ein Gewinn. Er schärft die eigene Beurteilungskompetenz, er hilft, sich neuen Umfeldern wie dem Web 2.0 zu stellen, und er macht deutlich, was PR ist und was nicht.
Glauben Sie, dass der DRPR mit wirkungsvolleren Sanktionsmitteln ausgestattet werden muss? Wenn ja, welche wären für die PR-Praxis sinnvoll?
Nies: Ich habe unter anderem bei Elisabeth Noelle-Neumann studiert und bin daher von der Macht der „Öffentlichen Meinung“ überzeugt. Den Pranger in Form einer Rüge sehe ich daher als hinreichend machtvolles Instrument. Ein derart machtvolles, dass wir aufgefordert sind, hiermit sehr verantwortungsvoll umzugehen.
Einzelne Plattformen wie Wikileaks aber auch das Web 2.0 allgemein haben die Chancen vergrößert, dass moralisch bedenkliches Verhalten öffentlich gemacht wird. Welche Folgen hat das auf die PR-Arbeit?
Nies: Auf die Gefahr von empörten Hackerangriffen hin: Ich bin kein Freund von Wikileaks. Was ich da bisher gesehen habe, war oft eher die Befriedigung von Voyeurismus ohne Rücksicht auf Folgen für Menschen. Dagegen bin ich ein großer Freund der Transparenz, die das Web 2.0 verstärkt. Sie stärkt eine integrale Kommunikation auf zweierlei Weise. Zum einen macht sie deutlich, dass eine Trennung von Botschaften nach Zielgruppen nicht möglich ist, zum anderen erlaubt sie kommunikatives und tatsächliches Verhalten miteinander zu vergleichen und die Konsistenz kontinuierlich zu überprüfen.