Die Verdrängung des iPhones
Apple hat den Markt für Smartphones mächtig aufgemischt. Jetzt holen aber Google und Blackberry wieder auf. Teil zwei unserer Serie über Apple und seine Mitbewerber. Von Peer Brockhöfer
Smartphones setzen sich auf dem Markt der Mobiltelefone schneller durch als viele Beobachter geglaubt haben. Mittlerweile ist jedes zweite Handy, das T-Mobile in Deutschland verkauft, ein internetfähiges Multimedia-Mobiltelefon, im dritten Quartal 2010 waren es allein 400.000 iPhones von Apple. Doch die lange Zeit exklusive Partnerschaft zwischen der Telekom und Apple ist Vergangenheit.
„Der Markt ist offener als andere in der IT-Branche“, sagt Irene Nadler, Communications Manager Consumer bei Microsoft Deutschland. Verglichen mit dem von Microsoft dominierten und monopolistischen Markt für PC-Betriebssysteme ist das Segment für Smartphones geradezu zersplittert. Sechs Betriebssysteme und fast alle Handyanbieter buhlen dort um die Gunst der Käufer.
Es ist aber nicht in erster Linie ein Kampf der Hardware und der Betriebssysteme. Apple, der kanadische Blackberry-Hersteller RIM und Nokia liefern mit ihren Geräten und dem dazugehörenden Betriebssystem „Komplettangebote“. Bei Hewlett-Packard (HP) ist es ähnlich. Microsoft und Google hingegen bieten ihre Betriebssysteme in Zusammenarbeit mit verschiedenen Geräteherstellern an.
Produktkommunikation für Smartphones
Auch in der Produktkommunikation spielen Kooperationen eine wichtige Rolle – zwischen Mobilfunk-Providern und den Geräteherstellern. Über diese Kooperationen können mehr Kommunikationskanäle genutzt werden als einem Unternehmen alleine zur Verfügung stünden. Vor allem für die Anbieter der mobilen Betriebssysteme ist es entscheidend, hier gute Partner zu haben. Schließlich kaufen Konsumenten kein Betriebssystem, sondern in erster
Linie ein Handy. Google beispielsweise bewarb in der Pressemitteilung zum Markteintritt in Deutschland nicht nur das in Kooperation mit dem Handyhersteller entwickelte Nexus One, sondern linkte auch gleich in den hausinternen Online-Handyshop. Hier sind auch Telefone von Motorola, Samsung und Sony Ericsson gelistet sowie die dazugehörigen Telefonie-Anbieter wie
Vodafone, O, T-Mobile oder e-plus.
Wie hat es Apple in den letzten Jahren geschafft, eine so hohe Medienaufmerksamkeit zu erhalten? „Für uns ist es wichtig, guten und persönlichen Kontakt zu großen und zu kleinen Medien zu halten“, sagt Georg Albrecht, der als Manager Corporate Communications bei Apple die PR für Deutschland und Österreich macht. Auf ein großes Team kann er nicht zurückgreifen, sondern erhält Unterstützung von der Agentur 100zehn aus Haar bei München. Aus seiner Sicht sind es gerade auch die kleinen Dinge wie gute Erreichbarkeit, schnelle Rückrufe und Zuverlässigkeit, die zum Erfolg führen.
In einem Punkt unterscheidet sich Apple von den meisten anderen Unternehmen: Die Kommunikation reicht immer nur bis zur Gegenwart und nie in die Zukunft. „Dadurch entstehen im Vorfeld von Produktpräsentationen natürlich Gerüchte“, weiß Albrecht. „Das ist aber nicht unsere Motivation“, fügt er hinzu. Ein weiterer Punkt ist: Bei Apple wird ein neues Produkt weltweit zur gleichen Zeit präsentiert. „Kurz darauf sind dann auch ausführliche Informationen online und Testgeräte für die Presse verfügbar.“ Vor solchen globalen Launches ist die Spannung bei den Medien naturgemäß höher als wenn ein Produkt schon im Ausland verfügbar ist und viele Informationen bekannt sind.
Das Smartphone von Apple spielt auf dem Markt aber mittlerweile nicht mehr die dominante Rolle, die es seit dem Start 2007 hatte. Apples „historisches“ Verdienst ist, die Zielgruppen-Ansprache für Smartphones auch auf Lifestyle-orientierte Privatkunden ausgeweitet zu haben. Zuvor war der Markt für Smartphones rund zehn Jahre lang ein Markt für Business-Anwender, weil die Tarife für die mobile Internetnutzung zu teuer und für Privatanwender unattraktiv waren. Zur Erinnerung: Nokias „Communicator“ war 1996 das erste Mobiltelefon auf dem deutschen Markt, das eine Internetverbindung aufbauen konnte. Drei Jahre später folgte RIM mit dem Blackberry. 2002 zog Microsoft mit Windows Mobile nach. Erst 2008, also ein Jahr nach dem iPhone, startete dann Google mit seinem mobilen Betriebssystem Android. Spätestens seit der Übernahme von Palm im April 2010 spielt auch HP – nun mit der Palm-Software WebOS – eine ernst zu nehmende Rolle im Smartphone-Markt.
Android überholt iPhone
Die besten Erfolgsaussichten genießt aber derzeit Google. In den USA werden inzwischen mehr Smartphones mit dem Betriebssystem Android verkauft als iPhones. Dieser Trend wird nach Einschätzung von Experten auch auf Deutschland übergreifen. Auch die ersten Verkaufszahlen für Handys mit dem neuen Microsoft-Betriebssystem Windows Phone 7 sind vielversprechend. Nach dem missglückten Start von Windows Mobile 2002 und den folgenden Updates wagte der IT-Konzern in diesem Jahr einen kompletten Neustart. Das Ergebnis heißt Windows Phone 7. Und das kam in der IT-Presse gut an. Erste Rezensionen der Windows-Smartphones waren zwar nicht begeistert, aber wohlwollend. Und Experten warnen davor, Nokia als Mitspieler im Smartphone-Markt bereits abzuschreiben. Schließlich haben die Finnen mit ihrem Betriebssystem Symbian weltweit einen Marktanteil von 36,6 Prozent (siehe Tabelle) und arbeiten an einem neuen Betriebssystem, das Meego heißen wird. Apple hingegen konnte auf den dritten Platz vor- rücken, wurde allerdings von den Google-Handys überholt (Platz 2).
Dell, als PC-Hardware-Hersteller ein Neuling unter den Handy-Produzenten, will nun auch in den Markt eindringen. Das Venue Pro ist zunächst ausschließlich für den US-amerikanischen Markt bestimmt. Dort will Dell die 25.000 von seinen Angestellten genutzten Blackberrys aus dem eigenen Unternehmen verbannen. Grund ist ein verschärfter Wettbewerb mit deren Hersteller RIM. Das hat CFO Brian Gladden dem „Wall Street Journal“ in einem Interview erzählt. Das Venue Pro läuft mit dem neuen Betriebssystem von Windows Phone 7. In einem nächsten Schritt will Dell auch alle Android-Handys austauschen. Die Dell-Mitarbeiter sollen eigene Produkte nutzen, ähnlich wie bei Microsoft, wo Steve Ballmer keine iPhones sehen will. Gemäß dem PR-Grundsatz, dass die eigenen Mitarbeiter auch immer Repräsentanten des Unternehmens sind.
Ohne Apps kein Pepp
Entscheidend für den Erfolg oder Misserfolg eines Smartphones ist die Verfügbarkeit der kleinen Zusatzprogramme, der Applikationen oder kurz Apps. Denn ohne sie sind Smartphones nichts weiter als ein Mobiltelefon mit Kalender-Funktion, E-Mail-Empfang und einem Webbrowser. Der Spaß und der kommunizierbare Mehrwert für den Nutzer beginnt erst mit den Apps.
Der Windows Marketplace for Mobile, Microsofts im Oktober in den USA gestarteter App-Store für die neuen Windows-Phone-7-Handys, verzeichnete Mitte November knapp 2.000 Anwendungen, wie der Entwickler Todd Brixx im Windows-Phone-Blog schreibt. Das deutsche Angebot – erst im November mit 1.000 Anwendungen gestartet – umfasst nach wenigen Tagen bereits mehr als 1.400 Spiele und Applikationen. Noch ein weiter Weg also bis zum Umfang des Apple App-Stores mit seinen mehr als 200.000 Hilfsprogrammen. Der Marketplace von Google hat im Sommer die 100.000er-Marke durchbrochen und wächst rasant: seit Mitte 2009 um das Fünfzehnfache. Apples App-Zahlen haben sich im selben Zeitraum nur vervierfacht.
Auch für Blackberrys gibt es zahlreiche Apps, allerdings gab es lange Zeit keine zentrale Anlaufstelle im Netz, Kunden mussten sich in Foren und auf Entwicklerseiten selbst auf die Suche machen. So konnte RIM die Apps auch schlecht für die eigene Kommunikation nutzen. Seit Sommer 2009 gibt es aber auch einen App-Store für Blackberry-Kunden aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Um noch weiter aus der Business-Positionierung herauszukommen, setzt RIM jetzt auch auf einen Facebook-Auftritt. Dort wird unter anderem die „Hörsaal-Tour“ beworben, mit der das Unternehmen im November an 17 deutschen Universitäten mit einer Blackberry-Lounge vorstellig wurde. Motto: „Gemütlich in der Lounge rumlümmeln, in der einen Hand ein Gratis-Getränk, in der Anderen ein Blackberry.“ Per Gewinnspiel wurden bei jedem Termin Smartphones verlost, auch die Lounge-Möbel konnten ergattert werden.
Die Kommunikation über Facebook läuft für Blackberry recht gut. Allein auf dem deutschsprachigen Auftritt sammeln sich knapp 33.800 Fans, selbst so simple Fragen wie „Was nehmt ihr morgens zuerst in die Hand – einen Kaffee oder das Blackberry?“ bekommen von der Community 170 Antworten. Damit hat Blackberry die größte deutschsprachige Smartphone-Fangemeinde, gefolgt von Nokias „Homebase“ und Windows Phone 7.
Warten auf Nokia
Mit Spannung wird erwartet, wie es mit dem Weltmarktführer Nokia weitergeht. Das Betriebssystem Symbian wird seit 2008 von der Symbian Foundation entwickelt, einem Zusammenschluss von Nokia, Sony Ericsson, Motorola, NTT Docomo, AT&T, LG Electronics, Samsung Electronics, STMicroelectronics, Texas Instruments und Vodafone. Anscheinend verderben zu viele Köche den Brei, denn im Oktober kündigte Nokia an, sich nach einer Reihe von Rückschlägen künftig wieder alleine um die Symbian-Weiterentwicklung kümmern zu wollen. Die Symbian Foundation soll künftig nur noch als Rechtsträger im Zusammenhang mit der Lizenzierung von Software tätig sein. Sony Ericsson hatte schon im September angekündigt, nur noch auf Googles Android zu setzen. Genauso tat es Samsung. Nun liegen alle Hoffnungen auf Nokias neuem Betriebssystem Meego, das in Kooperation mit Intel entwickelt wurde.
Nokia scheint sich hier die Gerüchte-Kommunikation von Apple abgeschaut zu haben: Kürzlich tauchte der erste Tablet-PC des finnischen Handy-Weltmarktführers in einem Online-Store auf – und verschwand umgehend wieder.