Chancenlos gegen das iPad
Angesichts des iPads kann so manchem PR-Verantwortlichen schwindelig werden. Denn Apple hat geschafft, wovon Strategen träumen: Das Unternehmen verfügt über eine Attraktivität, die
aktive PR fast unnötig macht. Eine Serie über die Kommunikation von Apple und seinen Mitbewerbern. Von Peer Brockhöfer
Mit einem Tablet-PC hat es Apple wieder mal geschafft: Das Unternehmen aus Cupertino in Kalifornien veröffentlicht jährlich zwar gerade mal etwa 40 Pressemitteilungen – inklusive Quartalsmeldungen und Verkündung von Patentrechtsklagen, erreicht aber eine fast absolute Medienabdeckung.
Zur Präsentation des iPads gab es genau eine einzige Pressemitteilung, und die war lediglich eine Produktmeldung. Herausragend war dagegen die eineinhalbstündige Keynote, die Apple-Chef Steve Jobs am Veröffentlichungstag der Meldung, dem 27. Januar 2010, hielt. Ein lang erwartetes Event vor hunderten Gästen, die im Vorfeld für Spekulationen sorgte: Wird Apple das iPad präsentieren, oder nicht? Während der Apple-Guru spricht. herrscht andächtige Stille, Journalisten twittern live ins Netz, damit die Leser von Blogs und Technik-Magazinen weltweit mitverfolgen können, was vor sich geht: Erwartungsvolle Spannung liegt in der Luft, die in Jubel umschlägt, als das iPad enthüllt wird. Selbst als eine Extra-Tastatur für das neuartige Gerät vorgestellt wird, folgt Applaus. Das ist keine Pressekonferenz, sondern eine Fankult-Veranstaltung.
Apple spielt geschickt mit der Psychologie der Öffentlichkeit. Wenn ein Unternehmen zu einer Veranstaltung lädt, wird im Vorfeld nicht alles verraten, aber zumindest das Thema ist klar. Nicht so bei Apple. Zu sagen, worum es überhaupt gehen wird, hat Apple nicht nötig – im Gegenteil. Nur, wann es eine Keynote gibt, wird angekündigt – warum, weshalb, wieso bleibt den Spekulationen der Öffentlichkeit überlassen. Die Journaille übernimmt in Folge jedes Gerücht dankbar auf.
Geschickte Lecks
„Leakage“, also das Preisgeben der Informationen durch scheinbare Zufälle, ist Teil der Apple-Kommunikationsstrategie. Die Kalifornier umgeben sich erfolgreich mit dem Anschein des Geheimnisvollen und machen sich rar. Selbst die Frage, ob Apple bei der Computer-Messe CES in Las Vegas sein würde, lässt es in der Gerüchteküche brodeln, weil CES-Chef Gary Shapiro entsprechende Andeutungen bei einem Abendessen mit Journalisten hatte fallen lassen. Apple war letztendlich nicht auf der CES vertreten, was nicht wundert, denn Apple geht nicht zu Messen. Selbst auf der CeBIT ist Apple nie dabei.
Auch die Macworldin San Francisco, auf der Apple regelmäßig vertreten war, muss künftig ohne den Namensgeber auskommen. Apple organisiert lieber eigene Events und spricht seine Kunden direkt über das Internet und seine Stores an. Allein die hauseigene Entwickler-Messe Worldwide Developer Conference (WWDC) wird bestückt und ist außer den Keynotes von Jobs wichtigster Verlautbarungsort.
Die Geheimhaltung funktionierte beim iPad wunderbar. Dass es ein flacher Computer werden würde, der über einen Touchscreen zu bedienen sei, sickerte im Vorfeld durch. Andere Produktinformationen tröpfelten hinzu und sorgten zusätzlich für Spekulationsbedarf. Das ist die eine Seite der Kommunikationsstrategie, diejenige die die Öffentlichkeitsarbeit am Laufen hält.
Perfekte Markenwelt
Die andere Seite ist die Basis, auf der diese medienwirksame Zurückhaltung überhaupt erst funktionieren kann. Hier fließen Produktentwicklung, Design und Innovation zusammen. Kein IT- oder Elektronik-Unternehmen hat eine so stringente Marken- und Design-Linie wie Apple. So etwas gibt es eher in anderen Branchen, beispielsweise in der Automobilindustrie: Einen Mercedes erkennt hierzulande jeder als Mercedes. Sei es ein /8er-Modell von 1974 oder eine aktuelle C-Klasse: Jeder erkennt die Marke – auch ohne Stern am Kühler. BMW und Porsche haben komplett durchdeklinierte und tradierte Markenwelten, die ein vollständiges und stimmiges Bild abgeben. In der IT- und Elektronik-Branche kann das kaum ein Hersteller von sich behaupten.
Nur das iPad von Apple und einige Konkurrenten wie Samsung mit dem Galaxy Tab oder Dells Streak, die auf Googles Android-Betriebssystem setzen, machten bislang einen guten Eindruck, so liest man in den Fachmedien von „c´t“ bis hin zu „Computerbild“. Hinzu kommt Toshiba. Mit dem Libretto und den Folio 100 genannten Tablet-PCs gehören die Japaner ebenfalls zu den Erfolg versprechenden iPad-Konkurrenten. LG Electronics, der drittgrößte Handyhersteller weltweit, verschob den Verkaufsbeginn seines Tablets auf Anfang 2011. Blackberry bringt sein Playbook ebenfalls erst Anfang kommenden Jahres, und auch Motorola schafft es nicht eher. 1&1 legte in Deutschland einen Fehlstart hin: Der Internet-Provider war zwar früh dran, nahm sein zwei Zentimeter dickes Smartpad aber nach wenigen Wochen wieder vom Markt. Völlig weg vom Fenster ist wahrscheinlich der einstige Hoffnungsträger aus Deutschland, das WeTab. Fünf Sterne vergab Neofonie-Chef Helmut Hoffer von Ankershoffen seinem WeTab in der Wertung bei Amazon unter dem Decknamen „Peter Glaser“. Das war ein Fehler. Nicht nur, dass Peter Glaser ein bekannter Blogger und Ehrenmitglied des Chaos Computerclubs ist. Mit nur einem Klick in den Einstellungen von Amazon hätte die Verbindung zwischen dem Ankershoffen-Kundenkonto und dem Decknamen gekappt werden können. Der Chef musste abtreten.
Konkurrenz steht noch in den Startblöcken
Selbst wenn man sein Image nicht so nachhaltig ramponiert, stellt sich die Frage, wie man angesichts der medialen Übermacht von Apple als Mitbewerber reagiert. Die Antwort, wenn es denn eine gibt, ist verhalten oder unentschlossen. Einerseits ist Apple ein Türöffner, der neue Märkte erschließt. Andererseits läuft Apple der Konkurrenz davon. Den Marktforschern von Gartner zufolge würden allein in diesem Jahr weltweit 19,5 Millionen Geräte verkauft werden. 2011 sollen es dann 54,8 Millionen Stück sein, 2012 dann sogar um die 100 Millionen. Innerhalb der ersten 80 Tage verkaufte Apple drei Millionen Exemplare seines iPads. Dass es bis jetzt faktisch nur 4,2 Millionen iPads verkauft wurden, was dem Vernehmen nach Lieferengpässen zuzuschreiben ist.
Zum Präsentationstest der Konkurrenz geriet die Internationale Funkausstellung (IFA) in Berlin. Anders als bei Samsung, wo ein gutes Dutzend Demogeräte des Galaxy Tab zum Testen bereit stand, ließ Toshiba nur ein Gerät unter Aufsicht ausprobieren.
Dass Samsung über eine gut funktionierende PR-Maschinerie verfügt, zeigt, dass über kaum ein Tablet im Netz so viel spekuliert wurde wie über das Galaxy Tab. Die Presseabteilung von Samsung greift dabei stark auf die Dienste von WeberShandwick in Köln, Berlin und München zurück. Das Tablet wurde im Zentrum des Messestands umringt vonMobiltelefonen und Videokameras präsentiert. Außer dem iPad war das Galaxy Tab das einzige Tablet, das auch auf den Ständen anderer Unternehmen, etwa der Telekom, gezeigt wurde. Seit dem 11. Oktober ist das Gerät im Handel.
Vor allem geht es in der Produkt-PR darum, wie die Tablets ausgestattet sind. Dem iPad fehlt beispielsweise ein USB-Anschluss, eine Kamera fehlt ebenfalls. Damit können Toshiba und Samsung bei ihren Geräten auftrumpfen, die außerdem auch noch über Karten-Slots verfügen, um beispielsweise Bilder aus Digitalkameras einfach übertragen zu können. Toshibas Libretto verfügt als einziges Modell über zwei Bildschirme, die sich aufklappen lassen wie ein Buch.
Doch das ficht Apple nicht an, denn die Modelle, die mit dem Google-Betriebsprogramm Android laufen, haben ein Manko: Im Gegensatz zu den tausenden iPad-Apps im Apple-Store ist das Pendant von Google, der Marketplace, für Tablet-Apps noch nicht geöffnet. Die Anbieter sagen, das sie eigene Apps entwickeln wollen, um möglichst vollwertige Produkte anzubieten, bis Google die Telefon-Applikationen aus dem Marketplace für Tablet-PCs adaptiert hat. Realistisch betrachtet ist das aber kaum möglich, und die Crux dabei ist, dass gerade die Apps das schlagendende Argument sind. USB-Anschluss hin oder her – was soll man mit einem Gerät, zu dem es noch nicht genügend Software gibt?
Foto: IFA Berlin
Foto: Apple Inc.